Eine Straßenbahn im Zentrum von Cottbus (Quelle: rbb)
(Quelle: rbb)
Bild: (Quelle: rbb)

- Umstritten - Zukunft der Cottbuser Straßenbahn

Der Cottbuser Nahverkehr hat ein Problem, er ist teuer. Zu wenige Cottbuser nutzen das Angebot. Jetzt glaubt der Oberbürgermeister einen Ausweg gefunden zu haben: die Straßenbahn soll weg. Doch dagegen regt sich Widerstand: Die Umstellung auf reinen Busbetrieb könnte die Stadt teuer zu stehen kommen.

Schnell, zuverlässig und ein bisschen altmodisch wirkt sie oft: die Straßenbahn in deutschen Großstädten. Viele Bürger fahren ausgesprochen gerne damit - so auch die Cottbuser. Doch jetzt wollen ihnen die Stadtväter die Tram wegnehmen und auf’s Abstellgleis schieben. Der Grund: Die Stadt muss drastisch sparen. Doch die Abschaffung der angeblich so teuren Straßenbahn, so hat mein Kollege Rico Herkner recherchiert, könnte teuer zu stehen kommen.

Cottbus – die größte Stadt in der Lausitz. Universitätsstadt im Grünen. Der ganze Stolz der Cottbuser: ihre Straßenbahn. Viel Geld wurde in Fahrzeuge und Gleise investiert. Aus Sicht der Fahrgäste hat sich das gelohnt: Die Bahn ist zuverlässig, umweltfreundlich und modern.

Doch damit könnte es bald vorbei sein. Denn die Stadt Cottbus ist hoch verschuldet. Nächstes Jahr gibt sie voraussichtlich sechs Millionen Euro mehr aus als sie einnimmt. Da heißt es sparen. Und das erste Sparopfer soll die Straßenbahn sein. Unverständnis bei den Bürgern.

Passanten
„Diese Idee ist absurd.“
„Das wäre schon von Nachteil, gerade für ältere Bürger.“
„Solange ich denken kann, fahre ich mit der Straßenbahn. Und ich muss wirklich sagen, da gehen mehr Leute rein als in den Bus. Vier Kinderwagen habe ich letztens gesehen und noch einen Rollstuhlfahrer. Da passt alles rein.“

Die Bahn bietet viel Platz – auch für Kinderwagen und Rollstuhlfahrer. Und dennoch: Der Oberbürgermeister bleibt dabei. Die Straßenbahn sei einfach zu teuer und irgendwo müsse man mit dem Sparen ja anfangen.

Frank Szymanski (SPD), Oberbürgermeister Cottbus
„Wie kriegt es Cottbus hin, in den nächsten Jahren nicht neue Schulden aufzunehmen? Wie können wir den Schuldenberg von 176 Millionen Euro reduzieren? Auch ich habe die Verantwortung, diese Fragen natürlich auch zu stellen und Lösungsvorschläge zu machen.“

Die Idee: Preiswertere Diesel-Busse sollen die Straßenbahn ersetzen und das Stadtsäckel so um jährlich eine Million Euro entlasten. Das verspricht zumindest eine Nahverkehrsstudie, die die Stadt in Auftrag gegeben hat. Der Übergang zum reinen Busbetrieb sei bis 2012 machbar und kostengünstiger als die Straßenbahn, so heißt es.

Doch ob das wirklich so ist, ist fraglich. Zum Beispiel: die Anschaffungskosten für zusätzliche Busse. Wird die Straßenbahn abgeschafft, dann müssen die Verkehrsbetriebe 21 neue Busse kaufen.

Die Studie geht dabei von Gesamtkosten in Höhe von 3,1 Millionen Euro aus.
KLARTEXT hat den Cottbuser Verkehrsbetrieb gefragt. Das Ergebnis: Für weniger als 6 Millionen Euro sind die neuen Busse nicht zu haben. Merkwürdig.

Ist der erhoffte Spareffekt also eine Mogelpackung?

Verkehrsexperten der Technischen Universität Berlin haben die Studie für KLARTEXT geprüft und halten sie für einseitig.

Prof. Markus Hecht, Technische Universität Berlin
„Der Verdacht liegt nahe, dass diese Studie schön gerechnet ist für den Bus. Es sind etliche Lücken vorhanden, dass diese Systeme nicht gleich behandelt werden.“

Zum Beispiel bei den Folgekosten. Denn kaum zu glauben, aber wahr: Eine einzige Busfahrt beansprucht die Straße fast ebenso stark wie bis zu 100 000 PKW-Fahrten. Was die fälligen Straßenreparaturen kosten würden, darüber schweigt die Studie.

Auf der anderen Seite werden die Kosten für die Straßenbahn anscheinend zu hoch angesetzt: Zum Beispiel die Anschaffungskosten.

Richtig ist: In den nächsten zehn Jahren müssen viele Gleise erneuert werden. Doch das sei nicht alles, meint der Oberbürgermeister.

Frank Szymanski (SPD), Oberbürgermeister Cottbus
„Darüber hinaus müssten wir 20 neue Niederflurstraßenbahnen - und eine kostet rund zwei Millionen, also rund 40 Millionen - in die Straßenbahn in Cottbus stecken.“

40 Millionen Euro für neue Straßenbahnen? KLARTEXT kam auch hier zu anderen Ergebnissen. Wir fragten den polnischen Hersteller Solaris. Dort kosten 20 solcher neuen Züge höchstens 36 Millionen Euro, also vier Millionen Euro weniger als in der Studie veranschlagt.

Busse statt Straßenbahnen – kaum glaubhaft, dass diese Umstellung tatsächlich den Stadthaushalt entlasten würde.

Sicher ist jedoch: Aus umweltpolitischer Sicht wäre es ein Fehler, auf die Straßenbahnen ganz oder teilweise zu verzichten: Die Stadt hat nämlich nicht nur ein Geld- sondern auch ein Umweltproblem.

Cottbus gehört nach einer Übersicht des Umweltbundesamtes zu den Kommunen mit der bundesweit größten Luftverschmutzung. Mehr Busse, weniger Straßenbahnen – das würde das Problem noch verschärfen. Zu viel Feinstaub würde die Umwelt zusätzlich belasten.

Nach Recherchen von KLARTEXT würde die Stadt damit sogar gegen ihren eigenen Luftreinhalte- und Aktionsplan verstoßen. Denn darin hat man sich verbindlich festgelegt und setzt auf die:
Zitat
„...konsequente Fortsetzung der Maßnahmen zur Sicherung und Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs mit Schwerpunkt bei der Straßenbahn".

Günter Hälsig, Umweltministerium Brandenburg
„Der Luftreinhalteplan basiert auf dem Bundesemissionsschutzgesetz und wirkt verwaltungsintern wie eine Verwaltungsvorschrift. Die Stadt und die Behörden der Stadt sind daran gebunden, die Ziele im Luftreinhalteplan einzuhalten.“

Wenn sich Cottbus dennoch über die Vorschrift hinwegsetzt, würde die Stadt Ärger mit der EU bekommen, jährliche Strafzahlungen in Millionenhöhe könnten verhängt werden. Das befürchtet offenbar auch das brandenburgische Umweltministerium:

Zitat
„Aufgrund (...) des angekündigten Vertragsverletzungsverfahrens ist der Luftreinhalteplan Cottbus fortzuschreiben. Dazu kann nicht die Abschaffung des Straßenbahnsystems zählen.“

Die mögliche Abschaffung der Straßenbahn könnte die Stadt Cottbus also teuer zu stehen kommen. Ein Sparprogramm, das nach hinten los gehen kann.

Im Juni werden die Stadtverordenten über das Schicksal der Straßenbahn entscheiden.

Rico Herkner