Atomkraft nein Danke! - Anstecker (Quelle: dpa)
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- Atomkraft? Nein danke! - Aber warum wechseln so wenige den Stromanbieter?

Atomkraft? Nein danke! - Das alte Logo mit der strahlenden Sonne ist zurzeit wieder im Dauereinsatz. Aber ist dies nur ein politisches Signal, das der akuten Sorge Ausdruck verleiht? Oder: steckt auch mehr dahinter? Wie nachhaltig ist der Protest, der die Menschen massenhaft auf die Straße treibt? Melden sich die Atomkraftgegner in Berlin und Brandenburg wirklich auch scharenweise bei den konventionellen Stromanbietern ab, um die eigene private Energiewende zu vollziehen?

Nichts wie raus aus der Atomkraft - darin sind sich die Deutschen nach dem Reaktorunglück von Japan einig: Und angeblich wechseln jetzt so viele Bürger wie nie ihren Stromanbieter und wollen künftig nur noch Ökostrom beziehen. Stimmt das, wollten wir wissen? Iris Marx hat nachgeforscht, ob die Berliner auch privat zur Energiewende bereit sind.

Atom-Demo in Berlin. Sie protestieren, marschieren und tanzen – alles für den Ausstieg. Noch nie waren so viele…:

Umfrage
„... für die Abschaltung!“
„Darf ich fragen, warum laufen Sie heute hier mit?“
„Weil es wichtig ist für alle Menschen.“
„Seit wann engagieren Sie sich schon? Seit Jahren!“
„Welchen Strom haben Sie Zuhause?“
„Das ist mir jetzt peinlich. Ich habe es noch nicht geschafft.“
„Es dreht sich ja gerade so viel. Da müssen wir mitmachen. Aber trotzdem Zuhause noch Atomstrom ziehen? Ja, seit Jahren bin ich FDP-Wähler und das ist so ein langsamer Prozess, den man erst mal machen muss. Aber ich denke, da sollte jeder mitmachen.“


Während der große Ausstieg gefordert wird, haben einige den eigenen, den privaten Ausstieg noch nicht geschafft – dennoch zieht es sie auf eine Anti-Atom-Demo.

Der Protestforscher Prof. Dieter Rucht beobachtet seit Jahrzehnten die Demos um den Ausstieg. Er kennt den Widerspruch zwischen Protest und eigenem Handeln:

Prof. Dieter Rucht, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
„Das ist offenkundig ein Widerspruch, denn wenn man vehement gegen Atomkraft ist und dagegen eintritt, dann wäre es eigentlich nur folgerichtig, absolut konsequent zu sagen: Nein, ich beziehe kein Atomstrom.“

Nicht nur auf der Demo tun sich einige schwer mit dem Wechsel: Eine Kündigungswelle des konventionellen Stroms sei noch nicht spürbar:

KLARTEXT
„Laufen Ihnen jetzt reihenweise die Kunden davon?“
Hannes Hönemann, Vattenfall
„Nein!“

Nein? Zwar vermelden Vergleichsportale im Internet ein bis zu 60 Prozent gesteigertes Interesse, seit dem sich die Katastrophe in Japan ereignet hat.

Allerdings heißt Interesse nicht gleich Vertrag: Der Wille zum Stromanbieter-Wechsel halte oft nur so lange, wie die Bilder in den Medien sind.

Hannes Hönemann, Vattenfall
„Im Sommer 2007 und 2009 haben wir Bewegungen gesehen. Da war es so, dass das Kernkraftwerk in Krümmel Schwierigkeiten hatte, da gab es eine bundesweite Debatte und daraus ergab sich durchaus eine Kundenbewegung, die sich aber in den folgenden Monaten ausgeglichen hat.“

Seit der Fukushima-Katastrophe befürworten besonders viele den Atomausstieg. Allerdings war die Zahl der Befürworter schon immer recht hoch. 2001 stimmten laut Infratest-Dimap 67 Prozent für einen Ausstieg, 2009 waren es 61 und jetzt 71. Trotzdem beziehen bundesweit nur 6 Prozent der Haushalte Öko-Strom. Warum?

Umfrage
„Ökostrom beziehen ist nicht die Lösung. Man muss Castor-Transporte verhindern. Damit schafft man den Ausstieg.“
„Woher beziehst du Zuhause Strom? Da möchte ich keine Werbung für machen.“
„Also kein Ökostrom? Nee.“
„Seit wann engagierst du dich?“
„Noch nicht so lange. Seit Fukushima.“
„Hast du schon den Stromanbieter gewechselt?“
„Ne, noch nicht. Das ist zu kompliziert.“
„Bei welchem Stromanbieter sind Sie?“
„Wir haben hier noch Vattenfall. Bisher sind wir ein bisschen träge …“


Einer der größten Öko-Stromanbieter „Lichtblick“ zum Beispiel hat in den vergangenen zwei Wochen rund 1.300 neue Verträge im Großraum Berlin abgeschlossen. Klingt nach viel. Bei 2,4 Millionen Haushalten in Berlin relativiert sich die Zahl allerdings. Es sind lediglich 0,05 Prozent.

Bislang kann also immer noch nur der Preis helfen, die Wechsel-Trägheit zu überwinden, sagt der Energie-Experte der Berliner Verbraucherzentrale:

Ulrich Kleemann, Verbraucherzentrale Berlin
„Direkter Wechsel nach der Katastrophe in Japan haben wir keinen direkten Anstieg zu verzeichnen.
KLARTEXT
„Was sind denn die eigentlichen Gründe für die Leute zum wechseln?“
Ulrich Kleemann, Verbraucherzentrale Berlin
„Das kann man ganz kurz sagen, das ist Geld. Das ist der Hauptgrund, warum die Leute zu uns kommen: Sie wollen Geld sparen.“

Grundsätzlich scheint die Energie des Protests im Moment groß zu sein. Die Frage ist allerdings, ob diese Energie darüber hinaus auch auf das eigene Handeln nachhaltig ausstrahlt.

Wie war das mit dem Spruch: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!" 
 

Beitrag von Iris Marx