Viele Medikamente in einer Apotheke. Quelle: dpa-Zentralbild/ Bernd Wüstneck
Bild: dpa-Zentralbild/ Bernd Wüstneck

Di 20.09.2022 | Beitrag | Lesedauer etwa 2 Minuten - Medikamente: wieder Lieferengpässe

Das Thema Arzneimittelengpass ist nicht neu. Doch mittlerweile so dramatisch wie selten, warnt der Deutsche Apothekerverband, der auch fordet: Mehr Produktion zurück nach Europa.

Können sie sich erinnern vor der Corona-Pandemie schon einmal in der Apotheke ein Medikament gar nicht bekommen zu haben? Weil es nicht da war, nicht lieferbar, nirgends? Nein? Könnte daran liegen, dass das früher eher seltener der Fall war, mittlerweile aber zu einem echten Problem geworden ist. "Lieferengpässe gibt es immer wieder mal, weil ein Produzent ausfällt, aber die Menge und die Länge des Ausfalls ist deutlich dramatischer geworden", so Hans-Peter Hubmann, Vizevorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes. Vor fünf Jahren seien zahlenmäßig nicht einmal halb so viele Produkte betroffen gewesen.

Risiko für Patient:innen

Wer auf bestimmte Medikamente angewiesen ist, sieht sich schnell mal mit langen Wartezeiten konfrontiert. Denn Engpässe gibt es nicht nur bei Nischenprodukten, sondern auch bei gängigen Mitteln gegen Diabetes, Bluthochdruck oder bei Schmerzmitteln wie Ibuprofen. Oft gibt es zwar Medikamente mit ähnlichen Wirkstoffen, auf die man ausweichen kann, aber eben längst nicht immer. "Im April und im Mai hatten wir einen absoluten Mangel am Brustkrebsmittel Tamoxifen", berichtet Hubmann. Für die betroffenen Frauen ein enormes Risiko.

Unterschiedliche Ursachen

Die Ursachen sind laut Hubmann vielfältig, doch stechen zwei heraus: "Das ist einerseits die Verminderung der Produktionsvielfalt in Europa." So hätten nahezu alle Anbieter die Produktion von Fiebersaft eingestellt, weil die Herstellung aufgrund der Festbeträge und des Drucks der Kassen nicht mehr wirtschaftlich gewesen sei. "Jetzt gibt es noch einen, und der kann die Menge nicht schultern".
 
"Die andere Ursache sind Lieferkettenabrisse", sagt Hubmann. Die Wirkstoffe werden heutzutage überwiegend in Fernost, vor allem in China und Indien, hergestellt. Wenn dort etwa wegen Corona Fabriken geschlossen werden oder Frachter die Häfen nicht mehr anlaufen dürfen, fehlen am Ende selbst diejenigen fertigen Arzneimittel in den Regalen der hiesigen Apotheken, die in Europa hergestellt werden.

Produktion wieder nach Europa?

Der Apothekerverband fordert deshalb, die Produktion größtenteils wieder nach Europa zu verlagern. Das findet der Gesundheitsökonom Professor Volker Ulrich von der Universität Bayreuth trotz der genannten Probleme nicht sinnvoll: "Globalisierte Lieferketten sind aus ökonomischer Sicht grundsätzlich wichtig und richtig." Es komme darauf an, den Rahmen für die Versorgung möglichst robust zu gestalten, sagte er der Apotheken-Umschau. Derzeit suchen die EU-Mitgliedsstaaten nach Wegen, ein gemeinsames Meldesystem für Lieferengpässe in der Europäischen Union aufzubauen.

SP mit Material von DPA