Spanischer Pfleger, Quelle: rbb

- Junge Spanier für alte Deutsche - engagierte Altenpfleger in den Mühlen deutscher Bürokratie

Qualifizierte Altenpfleger aus dem Ausland für deutsche Senioren zu gewinnen - das versucht die Bundesagentur für Arbeit und das wollen auch immer mehr Pflegedienstanbieter. Doch die deutsche Willkommenskultur steckt offenbar noch in den Kinderschuhen: Sprachprobleme, kulturelle Differenzen und die deutsche Bürokratie machen es jungen Spaniern schwer in Deutschland Fuß zu fassen.

Anmoderation
Schlechte Bezahlung, hohe Belastungen und Schichtdienst – immer weniger junge Deutsche lassen sich für den Beruf des Altenpflegers begeistern. Bundesweit fehlen rund 30.000 Fachkräfte in der Altenpflege! Doch was vielen Deutschen offenbar nicht gut genug ist, ist für junge Arbeitskräfte aus dem Süden Europas oft eine große Chance. Spanische Pfleger in brandenburgischen Heimen – Andrea Everwien berichtet.

Alberto Castillo
Krankenpfleger

"Guten Morgen, Frau Gabler!"

Alberto Castillo kommt aus Almeria in Südspanien – und er ist ein Gentleman – das findet jedenfalls Irmtraud Gabler.

Alberto Castillo
Krankenpfleger

"Möchten Sie heute aufstehen?"
Irmtraud Gabler
"Ja."
Alberto Castillo
Krankenpfleger

"Super."
Irmtraud Gabler
"Ich gebe mir Mühe!"
Alberto Castillo
Krankenpfleger

"So, meine Liebe, na dann.“
Irmtraud Gabler
"Heraus aus den Federn, heraus aus dem Bett.“

Alberto ist hervorragend ausgebildet. Anders als in Deutschland müssen Pflegefachkräfte In Spanien an der Universität studieren, drei Jahre lang. Alberto hat einen Bachelor, trotzdem darf er in Deutschland nur einen Hilfsjob machen: Grundpflege. Er unterstützt die alten Damen und Herren beim Waschen und Anziehen, macht auch die Betten und reicht die Mahlzeiten an.

Für diese Begleitung der Senioren im Alltag reichen seine Deutschkenntnisse vollkommen aus.

Alberto Castillo
Krankenpfleger

"Frau Gabler, möchten Sie Kaffee trinken?"
Irmtraud Gabler
"Ja, mit Kaffeesahne."

Und wie ist es, wenn ihm die richtigen Worte mal fehlen?

Irmtraud Gabler
"Wir verständigen uns schon – mit Händen und Füßen. Er ist ein ganz Liebenswürdiger und kommt immer entgegen – und was will man mehr als alte Frau …"

Alberto ist nicht der einzige Spanier hier: Kollegin Alba kommt von der Insel Teneriffa, insgesamt arbeiten in diesem Haus in Kleinmachnow sechs spanische Altenpfleger

Alte Dame
"Ihr seid alles so liebe Mädchen hier, alles ganz liebe Mädchen hier".

Die alten Damen sind froh über die Spanier. Dabei profitieren sie von der Wirtschaftskrise in deren Heimatland.

Alberto Castillo
Krankenpfleger

"Warum bin ich hier? In Spanien hatte ich keinen Job und ich möchte in dem Beruf arbeiten.“

Alba Quiros
Krankenschwester

"Das Problem ist, wir sind jetzt fertig der Berufsausbildung und bekommen keinen Vertrag in Spanien.“
KLARTEXT
"In ganz Spanien?“
Alba Quiros
Krankenschwester

"Nein.“

Etwa jeder zweite junge Spanier, der einen Job sucht, findet keinen. In Deutschland dagegen sind sie hoch willkommen. Hier fehlen schon heute rund 30.000 Fachkräfte in der Altenpflege. Die Jobbörse der Bundesagentur weist zahlreiche Arbeitsangebote nach – doch auf 100 offene Stellen kommen zurzeit nur 39 Pflegefachkräfte, die Arbeit suchen.

Marion Rang
Bundesagentur für Arbeit, ZAV Bonn

"Es herrscht ein Mangel, es gibt eine Mangelsituation. Wir haben zu viele gemeldete Stellen und zu wenige Arbeitslose oder Arbeitskräfte, die dafür in Frage kommen. Darum wird es ja nötig, ins Ausland zu gehen und zu rekrutieren."

Die Bundesagentur sucht deshalb in neun Ländern Pflegefachkräfte – vor allem in Südeuropa, aber auch schon auf den Philippinen und in Vietnam. Um noch in 20 Jahren genug Pflegekräfte in Deutschland zu haben, müssten jetzt jährlich über 2.000 Fachpfleger aus dem Ausland kommen. Doch nicht nur hier sind sie heiß begehrt.

Marion Rang
Bundesagentur für Arbeit, ZAV Bonn

"In vielen anderen europäischen Ländern gibt es auch den demografischen Wandel, da gibt es auch einen hohen Bedarf an Pflegekräften zum Beispiel, dadurch, dass die Bevölkerung altert…"

Deutschlands Standort-Nachteil ist die Sprache. Wer hierher kommt, muss bereit sein, Deutsch zu lernen. In anderen Ländern wie in den skandinavischen reicht Englisch.

Um dennoch Altenpfleger für Deutschland zu gewinnen, investierte etwa der Betreiber des Heims in Kleinmachnow viel Geld.

Sebastian Thieswald
SenVital, Geschäftsführer

"Wir helfen den spanischen Kräften einmal dadurch, dass wir ihnen sofort dieses Fachkraftgehalt zahlen und unter dieser vollen Bezahlung sind sie aber zu 25 Prozent der Arbeitszeit freigestellt, um erstens den Deutschunterricht wahrzunehmen, der zwei- bis dreimal die Woche passiert und eben auch noch Zeit zu haben zum Lernen."

Alba und Alberto werden als Fachkräfte bezahlt, dürfen aber nur als Pflegehelfer arbeiten. Ihre Vorgesetzten würden sie gern machen lassen, was sie in Spanien gründlich gelernt haben: Spritzen setzen, Verbände anlegen, Blutdruck und Fieber messen.

Doch das dürfen sie hier nicht.

Nicole Schulz
SenVital, Einrichtungsleiterin

"In Deutschland dürfen sie das nicht machen, solange sie nicht anerkannt sind als Pflegefachkraft in Deutschland arbeiten zu dürfen.“
KLARTEXT
"Und woran liegt das? Was für einen Sinn macht das?"
Nicole Schulz
SenVital, Einrichtungsleiterin

"Dafür müssen sie die Sprache können, eben dieses B2-Sprachniveau erreichen. Um dann einen Verband zu wechseln.“

Alberto Castillo
Krankenpfleger

"Ich habe, sie, er oder es habe, ich habe, du habe.“
Alba Quiros
Krankenpflegerin

"Ich hätte – Konjunktiv 2 – du habest.“

Alba und Alberto pauken also den Konjunktiv, um als Pflegefachkräfte anerkannt zu werden. Denn das geforderte Sprachniveau B2 bedeutet nicht nur, dass sie sich mit ihren Patienten unterhalten können. Sie sollen in der Lage sein, auf Deutsch Fachdiskussionen zu führen. Sechs Monate hat der Arbeitgeber ihnen ein Viertel der Arbeitszeit dafür geschenkt. Doch jetzt ist klar: das wird nicht reichen. Sie brauchen drei weitere Monate, um die Sprachprüfung zu bestehen.

Nicole Schulz
SenVital, Einrichtungsleiterin

"Da müsste man es ein wenig aufweichen an der Stelle und da würde ich sagen, wir gucken, welche Sprachanforderung brauche ich für welche Berufsgruppe."

Was aber wäre, wenn Alba die Bedeutung eines Blutdruckwertes missverständlich ausdrückte oder Alberto falsch verstünde, welches Medikament er spritzen sollte? Die Folgen wären nicht abzusehen. Deswegen besteht zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit auf sehr guten Sprachkenntnissen.

Marion Rang
Bundesagentur für Arbeit, ZAV Bonn

"Wenn man sich nicht auf einer angemessenen Weise auf Deutsch verständigen kann, führt das in allen Bereichen einfach zu Problemen und darum ist es ganz wichtig, dass dieses gewisse Sprachniveau erreicht wird."

Ein Dilemma – vielleicht ist es ganz gut, dass die spanischen Fachkräfte vorläufig nur als Pflegehelfer arbeiten.

Alberto Castillo
Krankenpfleger

"Und jetzt nach Treffpunkt – zum Fruhstuck – mangare…"

Fürs Wohlbefinden der Senioren ist ihre Zuwendung bei der Grundpflege schon jetzt ein großer Gewinn.

Alba Quiros
Krankenschwester

“Poco a poco, Schritt für Schritt – erst lernen wir Deutsch und dann machen wir unseren Beruf gut…“


Beitrag von Andrea Everwien