Ausgebranntes Auto in Berlin (Quelle: rbb)
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- Extremismus - Chancenlos gegen linke Gewalttäter?

Brennende Autos, Anschläge auf Neubauten in Berliner City-Bezirken. Linksautonome Gruppen wollen Menschen einschüchtern und aus ihren Wohngebieten vertreiben. Fahndungserfolge gibt es kaum. KLARTEXT fragt nach den Gründen.

Sie sind nicht zu stoppen: Seit Monaten terrorisieren linksextreme Gewalttäter Berlins Bürger: Hunderte Brandanschläge auf Autos und Neubauten, erklärtes Ziel: Wer gut verdient, soll aus der City vertrieben werden. Man stelle sich mal vor, irgendeine Gruppe würde etwa eine religiöse Minderheit so unter Druck zu setzen versuchen. Unvorstellbar. Und obwohl die Anschläge ein Angriff auf Grundrechte sind, bekommen Politik und Sicherheitsbehörden die Gewalttäter nicht in den Griff. Ulrich Krätzer und Iris Marx sind der Frage nachgegangen, woran das liegt.

Mittlerweile ein vertrauter Anblick in den Straßen von Berlin: brennende Autos. Autos von Leuten, die nach Ansicht der Brandstifter in bestimmten Bezirken nichts zu suchen haben. Sie sollen aus ihren Wohngebieten vertrieben werden.

KLARTEXT
„Was denken Sie, wenn Sie es so sehen?“
Betroffener
„Zwangsläufig an Kriegsschauplatz – immer wenn ich den Wagen sehe. Da fällt mir nichts anderes ein. Ich find das makaberste Bild macht unser Rest Kinderwagen hier noch aus.“

Seit 2005 gab es in Berlin fast 1.000 Anschläge auf Autos. Und es werden immer mehr.

Allein in diesem Jahr gingen schon rund 170 Autos in Flammen auf. Die „Begründung“ dafür aus der linksextremistischen Szene: Protest gegen „Stadtteilveredelung“. Bekennerschreiben von selbst ernannten „Kiez-Aufsehern“. Von ihren Gewalttaten haben die Anwohner längst genug.

Anwohnerin
„Wie kann man so hassen, habe ich mir gedacht, das gibt’s doch gar nicht.“
Anwohner
„… Riesen Sauerei. Aber man kriegt die ja leider nicht. Außerdem fehlt Polizei auf der Straße, oder sehen Sie hier noch jemanden Streife laufen? Ich nicht mehr!“

Die linksextremistische Szene außer Rand und Band. Polizei und Politik scheinbar machtlos. Kein Wunder, dass die Opposition die Situation genüsslich ausweidet.

Martin Lindner (FDP), Mitglied des Abgeordnetenhauses
„Wer sich in der Stadt allerdings nur asozial und kriminell genug verhält, dem schlägt Milde entgegen, dem passiert oftmals gar nichts.“
Frank Henkel (CDU), Fraktionsvorsitzender
„Wenn wir dem roten Terror nicht entschieden entgegentreten, dann wird die linke Stadt-Guerilla immer weiter ihre Grenzen austesten und das dürfen wir nicht zulassen.“

Roter Terror, linke Stadt-Guerilla. Ein verbaler Schaukampf. Dabei gäbe es genug Ansatzpunkte für eine sachliche Auseinandersetzung.

In Pressemeldungen heißt es nach einem Anschlag stets lapidar: „Der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.“ Allerdings mit äußerst mäßigem Erfolg.

Mehr als 1.000 Anschläge seit 2005 und erst vier Haftbefehle. Verurteilt wurde noch niemand. Eine dürftige Bilanz. Und ein etwas hilfloser Innensenator.

Ehrhart Körting (SPD), Innensenator
„Die Erfahrung zeigt eben, dass die Täter versuchen, eine Situation oder ‘ne Zeitsituation, drei Uhr früh oder was auch immer, auszunutzen, wenn es eben keine Leute auf der Straße gibt, wenn es auch keine Polizei permanent auf der Straße gibt.“

Die Brandstifter zu fassen ist schwierig. Die Tat ist schnell begangen, die Täter schnell weg. Trotzdem: Die Polizei hat bei der Aufklärung der Brandanschläge bisher viel zu wenig getan.

Vorwurf 1: Es sind keine Spezialisten am Werk

Erst seit März lässt die Polizei alle Brandanschläge zentral beim Landeskriminalamt bearbeiten – beim Staatsschutz, der Abteilung für politisch motivierte Straftaten. Hier arbeiten erst jetzt auch Spezialisten für Brandstiftung an den Fällen. Diese Koordination hätte die Polizeiführung viel früher anordnen müssen, meint Eberhard Schönberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei.

Eberhard Schönberg, Gewerkschaft der Polizei
„Das ist vorher unter dem Titel Sachbeschädigung - da braucht man nicht soviel zu tun - abgehakt worden, man hat sehr spät reagiert, es wird jetzt versucht etwas zu machen, das muss man eindeutig sagen, es wird auch versucht alles ordnungsgemäß auszuwerten, Rückschlüsse zu ziehen, die Einsätze zu koordinieren, alles wunderbar, aber zu spät und immer noch zu wenig.“

Gemeingefährliche Brandstiftungen, von der Polizei vor kurzem noch als „Sachbeschädigung“ abgehakt. Und das obwohl in den angezündeten Auto ein Mensch sitzen könnte. Warum aber hat die Polizei ihre Kräfte nicht schon viel früher gebündelt? Eine zufrieden stellende Antwort kann die Behörde nicht geben.

Vorwurf 2: Zu wenig Zivilbeamte

In einem sind sich alle einig: Die Brandstifter kann man fast nur auf frischer Tat erwischen. Beamte in Uniform wären dafür viel zu auffällig. Um Täter zu erwischen, braucht man möglichst viele Beamte in Zivil. Doch genau daran haperte es.

Die Polizeidirektion 5, zuständig unter anderem für Friedrichshain-Kreuzberg, dem Bezirk, in dem es besonders häufig brennt. Nach Informationen von KLARTEXT haben die Zivilbeamten dieser Direktion zwar auch schon früher nach Brandstiftern Ausschau gehalten – aber eher sporadisch.

Erst seit Mai dieses Jahres werden die Zivilfahnder gezielt und ausschließlich auf Brandstifter angesetzt. Zu einem Zeitpunkt also, als bereits weit über 1.000 Autos in Flammen aufgegangen waren.

Die Polizei bestreitet den Vorwurf. Aus der Behörde heißt es schlicht: „Die von Ihnen geschilderten ‘Hinweise aus Polizeikreisen‘ sind falsch.“ Wie, wann und in welcher Größenordnung die Polizei aber tatsächlich Zivilkräfte einsetzt, das sagt die Behörde auch nicht.

Vorwurf 3: Schleppende Spurenauswertung

Immerhin: Mitte Mai konnten Zivilbeamte eine junge Frau festnehmen. Sie soll versucht haben, ein Auto anzuzünden. Seitdem sitzt die 21-jährige Auszubildende in Untersuchungshaft. Doch ob sie dort zu Recht sitzt, ist selbst zwei Monate nach der Festnahme völlig unklar.

Denn ihre DNA-Spuren hat die zuständige Abteilung des Landeskriminalamtes bis heute nicht ausgewertet. Und zwar „Auf Grund fehlender Untersuchungskapazitäten“ – so steht es zumindest in der Ermittlungsakte, in einem Vermerk der Polizei, der der Redaktion KLARTEXT vorliegt. Fazit: Die Polizei-Führung hat bei der Bekämpfung der Brandanschläge zu spät und nicht konsequent genug reagiert.

Peter Trapp, früher selbst bei der Polizei und Abgeordneter der CDU. Er hat er eine konkrete Forderung: Eine Sonderkommission muss her.

Peter Trapp (CDU), Mitglied des Abgeordnetenhauses
„Eine Sonderkommission kann Informationen wesentlich besser sammeln, zusammen stellen und dann auch an die Kräfte, die vor Ort den Einsatz führen, weiter geben.“

Innensenator und Polizeipräsident halten eine Sonderkommission für überflüssig. Denn – immerhin - seit Anfang des Jahres laufen beim Landeskriminalamt alle Informationen zusammen.

Ehrhart Körting (SPD), Innensenator
„Wir haben sie deshalb beim Landeskriminalamt bei der dortigen Abteilung 5, das ist der Staatsschutz, konzentriert. Dort haben wir die Möglichkeit, jeder einzelnen Tat nachzugehen, soweit technische Möglichkeiten sind, soweit kriminaltechnische Untersuchungen laufen können und so weiter.“

Fachlich gesehen würde eine Sonderkommission also tatsächlich nicht viel bringen. Aber sie wäre ein Signal, dass die Polizei die Brandanschläge ernst nimmt. Doch davon hält der Senator wenig.

Ehrhart Körting (SPD), Innensenator
„Ich glaube, man muss sich davor hüten, irgendwelche Placebos zu machen.“

Placebos helfen nicht. Doch die allzu schlichte Botschaft: „Der Staatsschutz ermittelt“ und die dürftigen Ermittlungserfolge halten die Täter ganz offensichtlich auch nicht von weiteren Brandstiftungen ab.

Statt essen ist längst der Eindruck entstanden, dass die linksextremistische Szene in Berlin machen kann, was sie will.



Iris Marx, Ulrich Kraetzer