(Quelle: rbb)

- NPD-Erfolg: wie rechtsextreme Kameradschaften die Jugend erobern wollen

Die NPD schöpft nach dem 9-Prozent-Wahlergebnis in Sachsen neues Selbstbewusstsein und will nun auch in der Bundeshauptstadt punkten. Das Zauberwort der Parteistrategen lautet "Jugendarbeit". Doch die machen zurzeit vor allem rechte "Kameradschaften", die offiziell mit der Partei nichts zu tun haben. Eine Spurensuche über das gefährliche Treiben organisierter Rechtsextremisten in Berlin.

Unser Innenminister wollte sie verbieten lassen. Jetzt sitzt sie im sächsischen Landtag und kassiert Steuergelder: die NPD. Neun Prozent holte sie bei den Wahlen in Sachsen, dank ihrer neuen Strategie: die Rechtsextremen geben sich als Biedermänner. Sie engagieren sich für Recht und Ordnung und für die Belange der kleinen Leute, mehr nicht. Wirklich nicht? Die Partei hat gute Kontakte zur internationalen Neonazi-Szene, zu rechten Schlägern und zu militanten Kameradschaften. Und die werben jetzt verstärkt um Jugendliche. Alexander Kobylinski hat sich in Berlin umgeschaut, wo die NPD nach dem jüngsten Wahlerfolg vor Selbstbewusstsein strotzt.

Berlin vor anderthalb Wochen. Versprengte NPD-Anhänger wollen zur Demo auf der Bornholmer Brücke. Sie hatten nicht mitbekommen, dass das Bundesverfassungsgericht die Demo längst verboten hatte. Die NPD war zu weit gegangen. Mitten im Wedding wollte man gegen islamische Zentren demonstrieren. Die Zentrale der NPD in Köpenick. Hier will man den Eindruck einer rechtsextremen Krawalltruppe vermeiden. Trotz Kamera und Stacheldraht, die NPD gibt sich bürgerbewegt.

Klaus Beier, NPD Bundesvorstand
"Wir haben natürlich ein Programm, wir haben eine Programmatik. Da ist die soziale Frage ganz im Vordergrund. Wir betreiben eine Friedenspolitik, wir betreiben eine Umweltpolitik. Wir betreiben eine Politik gegen die Multi-Kulti-Extremisten in diesem Land, in der BRD. Wir wollen Politik betreiben für Deutsche, die noch Deutsche in diesem Land bleiben möchten."

Deutschland den Deutschen, der braune Geist weht, wie eh und je. Ein Aussteiger berichtet anonym, er hat Angst:

ehemaliger NPD-Kader
"Aus meinen Erfahrungen heraus wird schon eine ziemliche NS-Strategie verfolgt, also das heißt, man feiert schon die alten Siege im dritten Reich. Intern wird auf jeden Fall Klartext geredet und das Dritte Reich glorifiziert und halt positiv gesehen."

Beispiel 1: In der „Jungen Freiheit“ lässt NPD-Chef Udo Voigt keinen Zweifel an der Gesinnung aufkommen. Sein Ziel ist, die BRD abzuwickeln. Für ihn ist Adolf Hitler nach wie vor ein großer Staatsmann. Dass Hitler für den millionenfachen Mord an den Juden verantwortlich ist, wird heruntergespielt:

ehemaliger NPD-Kader
"Es wird versucht, das auszuklammern, weil es halt gefährlich ist, darüber zu reden, weil der Verfolgungsdruck des Staates ziemlich groß ist. Es wird versucht, die Zahlen runterzudrücken, das heißt, es wird nicht geleugnet, in dem Sinne, es wird nur relativiert. Und man versucht halt, die Zahlen runterzumanipulieren.“

Beispiel 2: Ähnlich wie die NSDAP in der Weimarer Republik schließt die NPD Bündnisse mit militanten Gruppen. Einige haben sogar offiziell ihren Parteieintritt erklärt. Sie sollen den Kampf um die Straße führen.

Beispiel 3: Die NPD und die Kameradschaften wollen die ganz Jungen erreichen. Dazu soll jede Menge Propaganda unters Volk gebracht werden. Wie diese Blut-und-Boden-CD mit Skinhead-Gegröle. Obwohl das Amtsgericht Halle die Verbreitung wegen Volksverhetzung verboten hat, wollen die anonymen Hersteller nicht aufgeben.

Doch es bleibt nicht nur bei Musik. Um die professionelle Jugendarbeit kümmert sich Rene Bethage. Der ehemalige NPD-Funktionär gibt sich als Sozialarbeiter, mit Rechtsextremismus habe sein Engagement nichts zu tun.

Rene Bethage
"Wir versuchen halt, mehrmals die Woche mit den Jugendlichen etwas zu unternehmen, beispielsweise Fußball zu spielen. Oder ein- bis zweimal uns abends zusammenzusetzen, und über Probleme zu reden. Gelegentlich gehen wir auch mal gemeinsam ins Kino."

Von wegen Kinobesuch. Bei einem Treffen mit seinen Jugendlichen will er die Kamera nicht dabei haben. Kein Wunder, Bethage ist einer der aktivsten Berliner Rechtsextremisten und Organisator der Kameradschaft Berliner Alternative Süd-Ost:

Rene Bethage
"Ich bin selber Mitglied einer Initiative, einer politischen Initiative, die sich kürzlich in Treptow-Köpenick gegründet hat und in dieser Eigenschaft als eben auch Mitglied dieser Organisation, der Berliner Alternative Süd-Ost, habe ich die Veranstaltung hier angemeldet und werde die also auch durchführen."

Seit Jahren meldet er rechtsextreme Demonstrationen an, Bethage und seine Kameradschaft werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Der Kampf um die Straße wird in Berlin verstärkt.

Ordner
"Eh, ich könnt doch nicht so einen Scheiß hier reden. Die filmen das und das kommt dann im Fernsehen. Du nimmst die Kamera runter, du Assi und du machst sie auch aus."

NPD-Kader
"Sinn ist immer noch, Leute an die rechte Szene heranzuführen, die halt mit der Partei NPD, oder überhaupt mit Parteien Schwierigkeiten haben. Da sind natürlich Kameradschaften besser dafür geeignet, allein der Spaßfaktor und von der ganzen Aggressivität und der Freizeitgestaltung. Da sind natürlich Kameradschaften flexibler als eine Partei."

Beispiel 4: Das rechtsextreme Umfeld gibt sich autonom. Glatze ist schon lange nicht mehr Pflicht. Die Szene ist vielfältiger geworden und kaum noch zu fassen:

"freie Nationalisten"
"Ich mach mein eigenes Ding. Ich häng mich keiner Partei an, oder keiner Gruppierung, oder hin und her, keiner Gruppe oder Kameradschaft. Ich mach mein Ding ganz alleine."
KLARTEXT
"Wieso läuft Euch dann die Polizei hinterher?"
"freie Nationalisten"
"Ja, fragen Sie die doch mal."
"Wir gehören eigentlich gar keiner Partei an. Wir wollen uns da jetzt nicht auf eine Partei beschränken. Weil, ich sage mal so, wir sind freie Nationalisten und wir wollen auch eigentlich ziemlich frei bleiben. Ich sage mal so, da wäre der Handlungsraum enger und da könnten wir nicht so agieren, wie wir agieren."


Zum Handlungsraum dieser selbsternannten "freien Nationalisten" gehört offensichtlich auch Gewalt gegen Ausländer. Der Besitzer dieses vietnamesischen Imbisstandes wurde am sechsten April krankenhausreif geschlagen. Der traumatisierte Mann fürchtet noch heute um sein Leben. Diese Tat bezeichnet Rene Bethage im Nachhinein als Fehler. Offen zur Gewalt bekennt sich hier keiner. Nationalisten im neuen Gewand.

Beitrag von Alexander Kobylinski