Sommer in der Uckermark (Quelle: rbb/Birgit Herrmann)

- Heimweh nach Brandenburg! Oder: Was Arbeitsmarktpolitik mit Menschen macht

Die CDU hat in Brandenburg eine Debatte darüber angestoßen, wie man brandenburgische Facharbeiterinnen und Facharbeiter, die in der Vergangenheit die Mark in Richtung neue Bundesländer verlassen haben, wieder zurückgewinnen kann. Wir treffen zwei Frauen aus Cottbus, die Eine ist jetzt gerade zurückgekehrt, die Andere ist vor zehn Jahren - angeregt durch eine "Wegzugsprämie" - zum Leben und Arbeiten nach Baden-Württemberg gezogen und würde eigentlich ebenfalls gern zurückkehren...

Erst hat man sie weggeschickt, jetzt braucht man sie wieder. Erinnern Sie sich: Es gab Zeiten, als man Brandenburger mit Umzugsprämien lockte, aus ihrer Heimat wegzuziehen. Es gab hier zu wenig Jobs und anderswo suchte man Arbeitskräfte. Jetzt ist die Situation genau umgekehrt: Brandenburger Unternehmen suchen händeringend Facharbeiter. Doch die Weggezogenen wieder herzuholen, ist nicht einfach. Ute Barthel traf zwei Brandenburgerinnen, die ihre Heimat verließen.

Das ist Josephine Bürger aus Cottbus, 23 Jahre alt. Und das ist Sandy Kollosché 33, ebenfalls aus Cottbus. Doch heute lebte sie in Leonberg bei Stuttgart. Beide hatten vor wenigen Jahren in ihrer Heimatstadt keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Josephine Bürger fand hier keine Lehrstelle und ging nach Wiesbaden. Jetzt kehrt sie zurück, die gelernte Krankenschwester ist nun in Cottbus sehr gefragt.

Josephine Bürger
„Ich freu mich sehr, wieder hier sein zu können, ja, neu starten zu können und hoffe auch, dass ich mich hier auch persönlich weiterbilden kann, fortbilden kann.“

Sandy Kollosché geht nicht zurück, sie möchte in Baden-Württemberg bleiben. Vor zwölf Jahren verließ ihre Heimatstadt, weil sie dort keine Zukunft hatte.

Sandy Kollosché
„Mit schwerem Herzen, ja… Im Grunde genommen blieb mir nichts anderes mehr übrig, zu gehen. Damals habe ich gedacht für ein Jahr vielleicht und dann wieder zurück. Jetzt sind es fast zwölf Jahre. Also von dem her, ich fühle mich hier wohl und es ist ok.“

Vor genau zehn Jahren hat KLARTEXT Sandy das erste Mal in Leonberg besucht. Hier fand die gelernte Einzelhandelskauffrau eine Anstellung als Verkäuferin im Möbelhaus Mutschler. Das Geld stimmte, sie hatte Aufstiegschancen. Sie war anerkannt von den Kollegen. Hier fand sie, wonach sie in Cottbus vergeblich gesucht hatte.

Sandy Kollosché (KLARTEXT 2001)
„Kurz bevor ich Arbeitslosenhilfe hätte kriegen müssen, habe ich die Annonce von Möbel Mutschler in der Zeitung gesehen, habe mich hier beworben und war zwei Wochen später, nach meinem Vorstellungsgespräch, hier und habe hier gelebt."

Zu Hause blieben die Eltern. Der Vater ist Taxifahrer in Cottbus und vermisste Sandy. Doch den Schritt seiner Tochter, in den Westen zu gehen, verstand er. Denn hier hatte sie keine Perspektive.

Hans-Joachim Kollosché, Sandys Vater (KLARTEXT 2001)
„Für uns ist es nicht schön, dass sie so weit weg ist. Aber für sie, sie hat sich beruflich sehr gut entwickelt. Ich freue mich jedes Mal.“

KLARTEXT wollte wissen, wie es Sandy in den vergangenen zehn Jahren ergangen ist.
Im Möbelhaus konnte sie nach der Elternzeit nicht wieder anfangen. Die Arbeitszeiten waren familienunfreundlich. Auch ihr Partner, Laras Vater, war dort tätig und musste oft lange arbeiten.

Sandy Kollosché
„Die Schwierigkeit ist einfach, dadurch, dass ich im Einzelhandel arbeite normalerweise, dass ich jemanden Samstags für die Kinderbetreuung habe, weil ich halt keine Familie hier habe. Dann auch unter der Woche - Einzelhandel geht bis 21, 22, 23 Uhr - und das ist für mich einfach nicht machbar mit ‚nem kleinen Kind , wenn man keine Familie hat.“
KLARTEXT
„Warum ist das nicht machbar?“
Sandy Kollosché
„Finanziell nicht machbar, weil es einfach hier Wahnsinnsgeld kostet, die Unterbringung des Kindes.“

Ein Jahr war Sandy arbeitslos, vor drei Wochen fand sie eine neue Stelle als Datenerfasserin, mit besseren Arbeitszeiten für die Familie. In Cottbus könnten sie ihre Eltern mehr unterstützen und jetzt gibt es auch dort Arbeit. Aber ihr Lebensgefährte kommt aus Stuttgart und möchte dort auch bleiben.

Sandy Kollosché
„Ich habe hier mir in den letzten Jahren halt ein Leben aufgebaut, ich habe einen Partner hier, ich habe Freunde hier. Das ist halt schwer abzuwägen, zum jetzigen Zeitpunkt würde ich nicht zurück gehen.“

Dabei würde Cottbus sie heute mit offenen Armen empfangen. Denn ausgebildete Fachkräfte sind nun rar. Noch vor wenigen Jahren wurden sie mit Umzugsprämien in den Westen geschickt, heute fehlen sie in Brandenburg.

Josephine Bürger kommt zurück. Sie hat in Wiesbaden den Beruf der Krankenschwester gelernt. Doch sie hatte oft Heimweh. Deshalb zögerte sie nicht lange, als sie eine Stelle in Cottbus fand.

Josephine Bürger
„Cottbus ist meine Heimat, ich wurde hier geboren: Heimat ist da, wo das Herz ist.“

Im Pflegezentrum der medicus Gmbh fängt sie diese Woche an. Hier sucht man derzeit händeringend nach Altenpflegern und Krankenschwestern.

Jörg Schnapke, Medicus Gmbh
„In den vergangenen Jahren hatten wir mindestens im Fachkräftebereich immer so zehn Bewerbungen auf dem Tisch zu liegen. Derzeit liegt vorrätig gar nichts mehr. Wir müssen also wirklich schauen, dass wir diese Stellen besetzen können.“

Der Verdienst ist hier niedriger als im Westen und daher versucht die medicus Gmbh mit Familienfreundlichkeit zu überzeugen. Der Geschäftsführer arbeitet mit einer privaten Rückholagentur zusammen, kümmert sich um Wohnungen und Kitaplätze. Doch mit der Privatinitiative kann man nur einen Bruchteil der Abgewanderten erreichen, deshalb fordert er mehr Engagement des Landes Brandenburg.

Jörg Schnapke, Medicus Gmbh
„Dass eine finanzielle Unterstützung da ist, dass man eine Koordinierungsstelle hat, dass die Leute nicht alle Institutionen, Arbeitgeber; Wohnungsgeber einzeln anrufen müssen, dass man sagt: Man findet hier eine Ansprechperson, die in der Lage ist, dann ihnen ein Komplettpaket anzubieten und das wäre ja schon eine tolle Sache.“

Für Josephine hat er gleich die Wohnung besorgt. Die ist größer, kostet aber weniger Miete als in Wiesbaden. Dort hat sie zwar 300 Euro brutto mehr verdient, dennoch wollte sie lieber wieder zurück und hat nun das Glück, dass sie hier in Cottbus wieder gebraucht wird.

Sandy Kollosché hat hingegen neue Wurzeln geschlagen. Auch wenn die Zeit in Baden-Württemberg nicht immer einfach war.

KLARTEXT
„Sie haben damals gesagt: Cottbus, nie wieder, vor zehn Jahren…“
Sandy Kollosché
„Kann ich mich nicht mehr dran erinnern. Nein, ich glaube damals haben wir wirklich alle, zumindest der Großteil, mit dem ich zusammen war, gesagt: ‚Nach Hause gehen? - Niemals.‘ Und ich weiß von den meisten, dass sie wieder zurückgehen würden, wenn sie die Möglichkeit hätten, wenn eine Arbeit da wäre, würden sie zurück gehen.“

Und wenn ihr Partner mitkäme, würde auch sie wieder ihre Koffer packen und zu Haus in Cottbus noch einmal einen Neunanfang wagen

Familiäre Bindung, regionale Identität - das gehört dazu, damit Menschen wieder in ihre Heimat zurückkommen. Aber vor allem auch gute Arbeitsplätze, gute Bezahlung und gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit dem Thema will sich nun auch der Landtag Ende Februar beschäftigen.


Autorin: Ute Barthel