Eine Person fotografiert einen Pilz im Wald mit einem Smartphone (Quelle: IMAGO / Westend61)
Bild: IMAGO / Westend61

Mo 18.09.2023 | Beitrag | Lesedauer etwa 3 Minuten - Pilze sammeln: Beratung statt Vergiftung

Hobby-Pilzsammler sind immer öfter mit Pilz-Apps auf der Suche. Doch die Scan-Funktion hat ihre Tücken - und menschliche Berater wissen besser Bescheid.

Die Sonne scheint, die Luft ist noch etwas feucht - perfektes Wetter, um in die Pilze zu gehen. Immer öfter dabei: Pilzbestimmungs-Apps auf dem Smartphone. Klingt ja auch erstmal super praktisch: Pilz scannen, Ergebnis anzeigen, fertig ist der sichere Pilz-Genuss. Doch ein SUPER.MARKT-Test zeigt: Wer sich allein auf die App verlässt, begibt sich im schlimmsten Fall sogar in Lebensgefahr.

Drei Pilze-Apps im Test

Für SUPER.MARKT haben sich unsere Testerin und Tester jeweils eine Pilz-Erkennungsapp heruntergeladen: die kostenlose "Pilze-App", "Pilze 123" für 35 Euro und der kostenlose, aber nicht werbefreie "Pilze-Erkenner". Mit dabei ist außerdem der Potsdamer Pilzexperte Wolfgang Bivour. Er kennt die allermeisten der etwa 4.000 Großpilzarten Europas und ist der Versuchsleiter.

Zwei Fruchtkörper des dickschaligen Kartoffelbovist, davon einer aufgeschnitten, auf Moos (Quelle: IMAGO / imagebroker)

Den ersten Pilz - ein dickschaliger Kartoffelbovist - erkennen alle drei Apps sofort. Doch hier zeigen sich schon erste Unsicherheiten: "Pilze 123" ordnet den Pilz als stark giftig ein. Pilzexperte Bivour widerspricht: "Das ist ein bisschen übertrieben, er ist schwach giftig."
 
Der "Pilze-Erkenner" liegt zwar richtig, spuckt aber nur den lateinischen Namen aus - umständlich, wenn man den deutschen Namen dann im Internet suchen muss.

Pilze werden nicht richtig erkannt

Beim nächsten Pilz sind sich die Apps nicht mehr einig. Von Frauentäubling über rosablättriger Helmling bis zu Schneescheidenstreifling ist alles dabei. Die "Pilze-App" schlägt mehrere Ergebnisse vor, einige davon essbar, andere wiederum nicht essbar. Das verunsichert unsere Testerin. Bei "Pilz-Erkenner" wird nach jedem Schritt Werbung eingeblendet. Bivour erkennt den Pilz sofort "Das ist ein Blaugrüner Reiftäubling". Er sagt aber auch, dass man bei einem Täubling nicht erwarten könne, dass die App ihn zweifelsfrei erkennt. Denn die feinen farblichen Unterschiede sind vermutlich für die Scansoftware nicht ausreichend erkennbar.
 
Und dann wird es - milde ausgedrückt - abenteuerlich: Die Pilzsammler haben eine grünen Knollenblätterpilz gefunden. Allerdings erkennen sie ihn nicht und nutzen die Apps. Mit erschreckendem Ergebnis: Nur die Pilze-App erkennt den tödlichen Pilz. Allerdings gibt sie nach einem weiteren Scan mehrere Pilze zur Auswahl an. Ganz sicher kann man sich also nicht sein. Die beiden anderen Apps versagen und erkennen einmal sogar einen Speisepilz.

Zwei grüne Knollenblätterpilze, davon einer mit sichtbarer Knolle (Quelle: IMAGO / imagebroker)
Nur Pilze essen, die man sicher bestimmen kann

Das Problem: Zur fehlerfreien Bestimmung von Pilzen müssen auch die nicht sofort sichtbaren Teile der Pilze genau betrachtet werden. Im Test war die Knolle, aus der der Knollenblätterpilz wächst, unter Laub vergraben und dadurch für die Apps nicht zu sehen. Aber auch beim zweiten Versuch mit der Knolle im Scan konnten die Apps keine fehlerfreie Bestimmung liefern. Auch die Farbgebung am Schirm oder Stiel kann über giftig oder ungiftig entscheiden. Manchmal sind es nur Nuancen. In ihren AGB schließen die App-Anbieter übrigens eine Haftung aus.
 
Nur wer einen Pilz wirklich kennt, sollte ihn auch essen. Schon ein einzelner Knollenblätterpilz kann tödlich sein. "Wenn Sie natürlich mehrere Knollenblätterpilze gegessen haben, dann ist die Vergiftung so schwer, dass Sie durchaus daran sterben können. Intensivmedizin hin oder her", sagt Dr. Hugo Kupferschmidt vom Giftnotruf Berlin/Charité gegenüber SUPER.MARKT.

Bei Unsicherheit zur Pilzberatung

Wer sich mit seinen Funden nicht sicher ist, kann auch eine kostenlose Pilzberatung in der Region machen oder eine:n Pilzsachverständige:n kontaktieren. Wichtig ist, dass Sie die Pilze im Ganzen mitbringen und so gut es geht vorsortieren. Informieren Sie sich vor der Pilzsuche außerdem über Beratungszeiten und ob Sie einen Termin ausmachen müssen. Frisch gesammelte Pilze sollten nämlich innerhalb von ein bis zwei Tagen verzehrt werden. Ansonsten kann der Verzehr zu Übelkeit oder Durchfall führen. Achtung: Ist ein Pilz feucht, glasig, glitschig oder riecht muffig, ist er nicht mehr genießbar.

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Im Notfall

Sie haben selbstgesammelte Pilze gegessen und Vergiftungserscheinungen? Dann rufen Sie umgehend den Giftnotruf an oder begeben sich in medizinische Behandlung. Den Giftnotruf erreichen Sie für Berlin und Brandenburg rund um die Uhr unter der Nummer 030-19240.

Ein Beitrag von Katharina Pencz und Felix Krüger.