Vitamin-D-Kapseln (Quelle: imago images/Pond5 Images)
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Gesundheit | Beitrag | Lesedauer etwa 5 Minuten - Vitamin D: Raus, wenn's rein soll!

Wer draußen ist, tankt Vitamin D. Für wen eine zusätzliche Einnahme in Pillen-Form dennoch sinnvoll ist - außer für Vitamin-Hersteller - checken wir.

Es ist verlockend: Eine Pille Vitamin D am Tag und schon übersteht man den langen, nassen, kalten, noch mal in die Verlängerung gehenden Winter wie im Handumdrehen. Vitamin D sorgt immerhin dafür, dass wir ausgeglichen sind, munter und motiviert. Auch zur Stärkung von Knochen und Zähnen trägt es bei.
 
Aber müssen wir im Winter das Vitamin wirklich als Nahrungsergänzungsmittel zu uns nehmen? Nein, sagen zum Beispiel die Fachleute des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR): Wer sich ausgewogen ernähre und auch ansonsten gesund sei, brauche keinen Vitamin-D-Zusatz - und auch keine anderen Nahrungsergänzungsmittel.
 
Um den Körper ausreichend mit Vitamin D zu versorgen, soll es genügen, regelmäßig an die frische Luft zu gehen. Denn der Körper bildet etwa. 80 bis 90 Prozent des Vitamins in der Haut selbst - mithilfe von Sonnenlicht, genauer UV-B-Strahlung. Dabei ist ein Aufenthalt im Freien nötig - am besten täglich, ohne Sonnenschutz, und nach 15 Minuten raus aus der Sonne oder Sonnenschutz auftragen. Über unsere Ernährung werden wir zusätzlich mit Vitamin D versorgt, allerdings nur zu etwa 10 bis 20 Prozent (Quelle: Robert Koch Institut, RKI).
 
Eine zusätzliche Einnahme wird nur besonderen Guppen empfohlen, etwa Säuglingen oder chronisch Kranken und Pflegebedürftigen, die sich selten im Freien aufhalten. Ältere Menschen sind generell gefährdet, da die Eigenproduktion von Vitamin D mit zunehmendem Alter nachlässt.
 
Wieso viele von uns dennoch lieber zum Mittelchen greifen als einen Spaziergang zu machen, hängt damit zusammen, dass uns dutzende Hersteller dieser Mittelchen glauben machen wollen, dass wir eben nur mit Vitamin-D-Ergänzung - ob als Kapsel oder als Zusatz in Lebensmitteln - durch den Winter kommen.

Vitamin D wie Dauerbrenner

Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel wird stetig größer. Mehr als 9,2 Millionen Deutsche gaben 2021 an, täglich Vitaminpräparate zu sich zu nehmen, im Jahr 2017 waren es noch weniger als 4,8 Millionen Menschen. Knapp drei Milliarden Euro wurden 2022 mit Nahrungsergänzungsmitteln in Deutschland umgesetzt. Besonders beliebt bei 60 Prozent der befragten Deutschen: Vitaminpräparate. Laut des Verbrauchermonitos des BfR aus dem Jahr 2021 nahmen 45 Prozent der Befragten Vitamin D als Nahrungsergänzungsmittel zu sich, gefolgt von Vitamin B12 und Vitamin C.
 
Dass die Präparate häufig viel zu hoch dosiert sind und es noch nicht mal gesetzlich festgelegte einheitliche Höchstmengen für die enthaltenen Stoffe gibt - weder national noch auf EU-Ebene -, scheinen die wenigsten zu wissen.
 
100 Mikrogramm (µg) bzw. 4.000 Internationale Einheiten (IE) Vitamin D oder mehr pro Tagesdosis seien zu viel, sagt Karen Ildico Hirsch-Ernst vom BfR: "In einigen klinischen Studien wurde durch die tägliche Gabe von 100 Mikrogramm Vitamin D über längere Zeit im Vergleich zur Kontrolle eine stärkere Abnahme der Knochendichte bei älteren Frauen, eine Erhöhung des Sturzrisikos sowie eine Verschlechterung der Herzfunktion bei herzkranken Menschen beobachtet."
 
Auch als Beigabe in Lebensmitteln ist Vitamin D mit Vorsicht zu genießen. Das BfR hat Vorgaben für die Höchstmengen der Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D entwickelt, wie beispielsweise für Milchprodukte, Brot und Backwaren, Streichfette, Speiseöle und Cerealien. Dieser Wert wird allerdings immer wieder überschritten. "Eine generelle Anreicherung von alltäglichen Lebensmitteln mit Vitamin D ist nicht empfehlenswert", erklärt Annett Reinke von der Brandenburger Verbraucherzentrale, viel helfe eben nicht immer viel.

Schleichende Überdosierung möglich

Zu viel Vitamin D kann nämlich zu gesundheitlichen Beschwerden führen. Die übermäßig hohe Einnahme von Vitamin D führt im Körper zu einem erhöhten Kalziumspiegel (Hyperkalzämie), der akut zu Übelkeit, Appetitlosigkeit, Bauchkrämpfen, Erbrechen oder in schweren Fällen zu Nierenschädigung oder Herzrhythmusstörungen führen kann, wie das RKI schreibt. In seltenen Fällen könne die Überdosierung zum Tod führen.
 
Wichtig zu wissen ist dabei, dass Vitamin D im Körper gespeichert werden kann, und es deshalb neben einer akuten auch zu einer schleichenden Überdosierung kommen kann.
 
Und selbst wenn nicht überdosiert wurde, wird mit der zusätzlichen Einnahme in den allermeisten Fällen einfach nur Geld verpulvert.

Erst abklären, dann geringe Dosen

Bevor wir also Vitamin-D-Präparate zu uns nehmen, sollten zuerst immer von der Hausärztin oder dem Hausarzt mithilfe eines Bluttests abgeklärt werden, ob ein Vitamin-D-Mangel vorliegt. Der Test ist eine IGeL-Leistung, die Verbrauchende selbst zahlen müssen.
 
Das Bundesinstitut empfiehlt allen, die eine Vitamin-D-Ergänzung auf ärztlichen Rat einnehmen, darauf zu achten, dass die Tagesdosis die 20 µg nicht überschreitet. Mit dieser Dosis ließe sich auch gänzlich ohne Sonnenbestrahlung der Haut die nötige Vitamin D-Konzentration im Körper erreichen, ohne dass gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten seien.

Mehr zum Thema

Stiftung Warentest mit einem umfangreichen Dossier zum Thema Vitamin D: "Wie es wirkt, wer viel davon braucht".

 

Und auch das Portal "Klartext Nahrungsergänzung" der Verbraucherzentralen widmet sich dem Thema. Hier erfahren Sie unter anderem, welche Werbeaussagen im Zusammenhang mit Vitamin-D-Präparaten erlaubt sind - und welche nicht.

Ein Beitrag von SUPER.MARKT, 19.12.2023.