Fugreisende stehen mit Gepäck vor einer Informationstafel im Flughafen Berlin-Brandenburg (Quelle: IMAGO / Stefan Zeitz)
Bild: IMAGO / Stefan Zeitz

Recht | Beitrag | Lesedauer 5 Minuten - Fluggastrechte: Wenn's mal wieder länger dauert

Endlich Urlaub, doch dann ist der Flug verspätet oder gar gecancelt. Diese Rechte haben Sie, wenn etwas schiefgeht.

Da wartet man Wochen oder gar Monate auf den wohlverdienten Urlaub in der Ferne - nur, um sich am Flughafen in der längsten Schlange der Welt wiederzufinden. Verspätungen, Flugausfälle, verlorene Koffer - damit haben Flugreisende immer wieder zu kämpfen.
 
Schiefgehen kann leider immer etwas. In den meisten Fällen greifen dann die Fluggastrechte. Wir erklären Ihnen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und wie Sie Ihre Rechte durchsetzen können.

Welche Voraussetzungen gibt es?

Ansprüche bestehen immer dann, wenn sich der Start- oder Zielflughafen in einem EU-Land (einschließlich Guadeloupe, Französisch-Guayana, Martinique, Réunion, Mayotte, Saint Martin (Französische Antillen), auf den Azoren, Madeira und den Kanarischen Inseln (jedoch nicht die Färöer) oder in Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Serbien und Kosovo befindet. In einem Urteil vom Juni 2023 wurde außerdem vom Bundesgerichtshof entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch dann eine Ausgleichszahlung bei Verspätungen zu zahlen ist, wenn der betroffene Flug nicht in einem EU-Land gestartet ist.
 
Eine genaue Auflistung gibt es auf einer Seite der EU, über diese können Sie Ansprüche auch geltend machen.
 
Die schlechte Nachricht: All das gilt nicht, wenn der Grund für die Probleme außergewöhnliche Umstände sind. Dazu zählt neben schlechtem Wetter beispielsweise auch Streik von Lotsen oder vom Sicherheitspersonal.

Klimaproteste ein "besonderer Umstand"?

Zum Beginn der Sommerreisezeit hatten sich Aktivisten der "Letzten Generation" auf die Rollfelder der Flughäfen Hamburg und Düsseldorf geklebt. Das hatte zu deutlichen Verzögerungen im Ablauf geführt. Der Flugverkehr kam für Stunden zum erliegen. Keine schöne Situation für Flugreisende, denn trotz der Verzögerungen greifen die Fluggastrechte hier nicht. "Bei den Protesten der Klimaaktivist:innen der 'Letzten Generation' an den Flughäfen Hamburg und Düsseldorf handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen außergewöhnlichen Umstand, da die Fluggesellschaften daraus entstehende Flugausfälle nicht selbst verschuldet haben", erklärte Claudia Brosche, Fluggastrechtsexpertin beim Fluggastrecht-Portal Flightright, nach der Aktion.
 
Hat die Airline allerdings im Zuge der Proteste den Flug selbst gestrichen, haben Flugreisende trotzdem ein Recht auf Entschädigung. Sie können dann entscheiden, ob sie anderweitig am Ziel ankommen wollen, oder das Ticket zurückerstattet bekommen möchten.

Entschädigung oder Ersatz?

Bei einer kurzfristigen Absage eines Flugs - das heißt weniger als 14 Tage vor dem Abflug - können Passagiere laut Expert:innen des ADAC grundsätzlich eine pauschale Ausgleichszahlung, also Entschädigung verlangen. Die Höhe richtet sich laut EU-Verordnung nach der Flugstrecke: 250 Euro bei Flügen bis 1.500 Kilometer, 400 Euro bis zu 3.500 Kilometer und 600 Euro ab einer Flugstrecke von über 3.500 Kilometern.
 
Außerdem muss die Fluggesellschaft sogenannte Unterstützungsleistungen anbieten - die Flugpreiserstattung oder einen Ersatzflug. Beides darf für Passagiere keine zusätzlichen Kosten verursachen.

Habe ich Anspruch auf Verpflegung?

Verspätet sich der Flug um zwei Stunden, haben Sie Anrecht auf sogenannte Betreuungsleistungen, also Getränke, Essen und - wenn erwünscht - Telefonate. Findet der Flug erst am nächsten Tag statt, besteht zudem Recht auf ein Hotelzimmer. Sollte die Fluglinie das nicht anbieten, bewahren Sie unbedingt sämtliche Belege auf, um sie später einzureichen.

Hilfe, der Koffer ist weg!

Geht ihr Gepäck komplett verloren oder wird es beschädigt, können Sie bis zu 1.500 Euro Entschädigung verlangen. Betroffene sollten sich den Verlust sofort bestätigen lassen, eine Packliste machen - wenn möglich mit Kaufbelegen - sowie Ausgaben (etwa für Noteinkäufe) dokumentieren. Schäden am Gepäck sollten Passagiere so schnell wie möglich melden. Vorgeschrieben ist eine Frist von sieben Tagen.

Alles klar - oder nicht?

Wenn Ihnen jetzt einige Punkte noch unklar sind - gibt es zahlreiche seriöse Hilfsangebote. Die kostenlose App "Flugärger" der Verbraucherzentralen hilft bei Berechnung der Ansprüche. Die App erzeugt außerdem eine E-Mail mit den Forderungen an die betreffende Airline. Zudem gibt es eine ausführliche Seite mit FAQs.
 
Auch die Stiftung Warentest bietet eine Anleitung, wie Sie an eine Entschädigung kommen.
 
Wer nicht selbst mit der Fluggesellschaft streiten will, kann einen Rechtsdienstleister beauftragen, das saarländische Verbraucherschutzministerium etwa empfiehlt EU Flight oder Compensation 2 go. Das Unternehmen kauft bei Erfolgsaussicht die Forderung ab und zahlt sofort eine Entschädigung. Dafür behält es einen Teil davon als Provision ein.
 
Wenn die Airline Ansprüche ablehnt, können sich Passagiere an die Schlichtungsstelle SÖP oder die Schlichtungsstelle beim Bundesamt für Justiz wenden - die Zuständigkeit richtet sich nach der Airline.

Behörden können Airlines zur Entschädigung verpflichten

Wenn ein Flug sehr große Verspätung hat, kann nun auch eine nationale Behörde die Airline dazu verpflichten, betroffenen Fluggästen eine Entschädigung zu zahlen. Ein weiterer Gerichtsbeschluss ist dafür nicht nötig. Die Behörde muss allerdings von dem entsprechenden EU-Staat vorher dazu ermächtigt werden. Außerdem müssen Airline und Passagiere gegen die Entscheidung vor Gericht gehen dürfen. Das ergeht aus einem Urteil des Europäische Gerichtshofs (EuGH) vom 29. September 2022. In Deutschland ist das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) in Braunschweig die offizielle Durchsetzungs- und Beschwerdestelle.
 
Hintergrund ist ein Fall aus Ungarn. Fluggäste wandten sich an die ungarische Behörde, die Fluggastrechte durchsetzt, nachdem ihr Flug über drei Stunden Verspätung hatte. Die Airline wurde angewiesen jedem Passagier 600 Euro Entschädigung zu zahlen. Dagegen ging die Airline vor Gericht und argumentierte, dass nur Gerichte so etwas anordnen dürften.

Beitrag von DB mit Material von AFP und DPA.