Nahaufnahme einer Konservendose (Quelle: imago images / Panthermedia)
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Fr 07.07.2023 | Beitrag | Lesedauer etwa 4 Minuten - Dosentomaten: Zu große Dosen Chemie?

In Dosentomaten steckt zu viel Bisphenol A heißt es bei Ökotest. Aber wo wird bei dieser Chemikalie die Grenze gezogen - und von wem?

Was gibt es einfacheres im Leben als eine Dose geschälter Tomaten? Kaufen, aufbewahren bis zum Sankt-Nimmerleinstag - und in dem Moment, in dem Sie gerade wirklich denken, nichts Essbares mehr im Haus zu haben, finden Sie diese Dose Tomaten hinten im Schrank und zaubern eine wunderbare Sauce für Ihre Pasta.
 
Denkste! Die Zeitschrift Ökotest hat 20 Sorten geschälter Tomaten getestet, zwei davon im Glas, alle anderen in der Dose. In allen Dosentomaten konnte die Chemikalie Bisphenol A (BPA) gefunden werden. Die Produkte überschritten laut der Verbraucherschützer von Ökotest jene Tagesdosis BPA, die nach neuesten EU-Erkenntnissen als unkritisch gilt. Allerdings hat auch kein Produkt die aktuell in der EU und Deutschland geltenden BPA-Grenzwerte überstiegen. Die Tomaten aus dem Glas waren erfreulicherweise sauber, die Pomodorini Pelati der Bio-Marke La Selva im Glas erhielten als einziges Produkt das Gesamturteil "gut".
 
Das Hormongift BPA gilt bei Menschen - über einen langen Zeitraum aufgenommen - als reproduktionstoxisch, sprich: Die Fruchtbarkeit kann beeinträchtigt werden.

Das Test-Ergebnis im Gesamtüberblick

• 1 x geschälte Tomaten mit der Gesamtnote "gut", davon 1 "bio",
 
• 10 x geschälte Tomaten mit der Gesamtnote "befriedigend", davon 4 "bio",
 
• 8 x geschälte Tomaten mit der Gesamtnote "ausreichend", davon 3 "bio",
 
• 1 x geschälte Tomaten mit der Gesamtnote "mangelhaft".

Wie viel BPA darf es denn nun sein?

In Deutschland und EU-weit liegt die tolerier­bare tägliche Aufnahme­menge (Tolerable Daily Intake, TDI) laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) derzeit bei 4.000 Nanogramm BPA pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Diesen Wert hatte die Europäische Behörde für Lebens­mittel­sicherheit (Efsa) 2015 als unbedenklich eingestuft, die deutschen Behörden hatten sich an dem Wert orientiert.
 
Im April dieses Jahres hat die Behörde allerdings neue Untersuchungen vorgestellt, die davon ausgehen, dass der Wert von 2015 um ein Vielfaches zu hoch liegt: Nach Efsa-Erkenntnissen dürften wir nur noch 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag aufnehmen. Der Neubewertung von Bisphenol A durch die Efsa liegen neue Erkenntnisse zu den immunologischen Effekten von BPA zugrunde. Die maßgebliche Studie für die Erkenntnisse wurde an Mäusen durchgeführt. Dieser neue Wert ist gesetzlich nicht festgelegt, aktuell handelt es sich um - umstrittene - wissenschaftliche Erkenntnisse.
 
Umstritten ist der neue Efsa-Wert deshalb, weil etwa das BfR ihm aufgrund mehrerer wissenschaftlicher und methodischer Unstimmigkeiten nicht zustimmt. Eine konkrete Kritik des BfR lautet, dass wissenschaftlich noch nicht geklärt sei, inwieweit sich Daten an Mäusen auf den Menschen übertragen lassen.
 
Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat als Reaktion auf den Efsa-Wert im April einen neuen TDI-Wert vorgeschlagen, der auf den Daten von über 600 Studien basiert. Dieser vorgeschlagene Wert liegt bei 200 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Allerdings heißt es beim BfR auch, dass keine aktuellen Expositionsabschätzungen für die Bevölkerung in Deutschland und Europa vorliegen, weshalb eine zuverlässige und umfassende Risikobewertung von BPA derzeit nicht durchgeführt werden könne. Expositionsabschätzung bedeutet, dass untersucht wird, inwieweit die Bürgerinnen und Bürger einem Stoff - in diesem Fall BPA - ausgesetzt sind. Das BfR empfiehlt daher, zusätzliche und aktuellere Expositionsdaten zu erheben.

Dosentomaten (Quelle: imago images /Westend61)
Wo steckt die Chemikalie?

Die Anbieter der geschälten Tomaten, die Ökotest untersucht hat, gaben an, Dosen zu verwenden, für deren Innenlacke kein Bisphenol A zugefügt werde. Teilweise lagen dazu sogar Zertifikate vor. Die Autorinnen des Tests halten es deshalb für plausibel, dass eine Kontamination der Dosen mit BPA im Laufe des Produktionsprozesses stattfindet. Ökotest fordert daher, dass Produktionsprozesse nicht auf Kosten von Verbraucherinnen und Verbrauchern weiterlaufen. "Alternativen wie Glas gibt es bereits", so Ökotest-Chefredakteurin Kerstin Scheidecker.

Was kann ich als Verbraucher:in tun, um BPA zu vermeiden?

Eine schwierige Frage! Denn komplett ohne die Verwendung von Produkten, die Epoxidharze enthalten, zu leben, wird schwer. Zudem kann BPA etwa auch durch beschichtete, alte Leitungen in unser Trinkwasser gelangen. Aber natürlich: Konservendosen zu meiden, ist eine Möglichkeit, einer etwaigen Aufnahme entgegenzuwirken. Da Hersteller nicht kennzeichnen müssen, ob ihre Dosen mit Epoxidharzen beschichtet sind, können Sie auf Produkte im Glas umschwenken.
 
• Grundsätzlich können Sie BPA umgehen, wenn Sie möglichst frische Lebensmittel benutzen.
 
• Außerdem können Sie bei Produkten wie etwa Kunststoffdosen darauf achten, BPA-freie Ware zu kaufen. Dies ist meist gekennzeichnet.
 
• Bei älteren Plastikbehältern kann es laut Umwelbundesamt dazu kommen, dass es durch die durchs Alter aufgerauhte Oberfläche des Behälters eher zu einer Abgabe von BPA kommen kann, tauschen Sie diese Behälter aus.
 
• Auch eine Erhitzung von BPA-haltigen Essensboxen kann laut der Verbraucherschützenden zu einer erhöhten Abgabe von BPA führen, benutzen Sie also für Mikrowelle und Ofen lieber andere Materialien.
 
• Generell gilt: Glas, Metall und Keramikbehältnisse sind die sichere Alternative.
 
• Und: Möchten Sie Leitungswasser trinken, lassen Sie das Wasser kurz laufen, bevor Sie Ihr Glas füllen.

Ein Beitrag von DEM.