Essen & Trinken | Beitrag | Lesedauer etwa 3 Minuten - Verbraucherzentralen: "Wildwuchs an Klimaaussagen"

Warum Produkte "klimaneutral" sein sollen, ist so gut wie nie nachvollziehbar für Kundinnen und Kunden, erklären die Verbraucherzentralen in ihrem aktuellen Marktcheck.

Wodurch wird ein Produkt "klimaneutral"? Was macht es "Co2-positiv"? In ihrem aktuellen bundesweiten Marktcheck zu "Zeichen und Werbeaussagen rund ums Klima" fanden die Verbraucherzentralen kaum Erklärungen für diese Begriffe. Sie kritisieren einen "unüberschaubaren Wildwuchs an Klimaaussagen". Insgesamt 87 Produkte haben sich die Lebensmittelexpert:innen angesehen.

Viele Produkte angeblich voll "klimaneutral"

Klimafreundliche Wurst, CO2-neutrale Milch, klimapositiver Eistee: Mit sogenannten Green Claims werden immer mehr Produkte als besonders klimaschonend angepriesen. Viele dieser Aussagen sind allerdings irreführend und falsche Werbeversprechen der Hersteller. Das zeigt der Marktcheck der Verbraucherzentralen.
 
So wurden etwa 53 der 87 getesteten Produkte als "klimaneutral" beworben. Andere als "klima- oder CO2-positiv". "Wir haben allein das Klimaneutral-Zeichen eines privaten Siegelgebers in sieben verschiedenen Varianten gefunden", erklärt Dr. Britta Schautz, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Berlin.

Versprechen schwer nachvollziehbar

Häufig findet man auf Lebensmittelprodukten Werbeversprechen wie "24 Prozent CO2-Reduzierung". Unklar bleibt laut Verbraucherzentralen oft, ob damit die Verpackung, die Herstellung oder das gesamte Produkt gemeint ist. Ebenso ergänzende Erklärungen, zur besseren Einordnung von Klima- und CO2-Aussagen, fehlten bei einem Drittel der unter die Lupe genommenen Produkte. Unternehmen verweisen stattdessen häufig auf weiterführende Informationen im Internet.
 
"Aus Sicht der Verbraucherzentralen lassen sich solche Angaben nicht belegen", erklärt Schautz. "Sie sind für Verbraucherinnen und Verbraucher keine Hilfe. Meist stecken dahinter Ausgleichszahlungen in Kompensationsprojekte, deren Berechnungsgrundlagen durchaus fragwürdig sein können. Lebensmittelhersteller sollten diese daher grundsätzlich nicht mehr verwenden."
 
So werden beispielsweise bestimmte Klimaschutzprojekte wie Wasserkraftwerke aus wirtschaftlichen Gründen gebaut, um Strom zu verkaufen. Der Verkauf von Emissionszertifikaten ist ein Zusatz, aber nicht der Hauptgrund für den Bau des Kraftwerks, so die Verbraucherschützer:innen.

Der eigene Umgang mit Klima-Werbung

Was eine Aussage nun wert ist, können Käuferinnen und Käufer im Supermarkt schwer beurteilen. Im Bereich Klima-Werbung gebe es derzeit keine anerkannten Siegel, so die Verbraucherzentralen. Selbst bei genauerer Prüfung der Hintergrundinformationen der Unternehmen seien die Angaben auf den Lebensmitteln schwer zu durchschauen.
 
"Die Werbung mit Klimaaussagen darf nicht dazu führen, dass Unternehmen Produkte besser darstellen als sie sind und Verbraucher:innen dadurch täuschen", sagt Annett Reinke, Lebensmittelexpertin der Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB).
 
Aber was tun? Die Verbraucherzentralen empfehlen, den Fokus daher weniger auf Unternehmensversprechen, sondern mehr auf eine tatsächlich nachhaltige Ernährung zu legen. So etwa das Reduzieren tierischer Produkte, die Minimierung von Lebensmittelabfällen zu Hause sowie den bevorzugten Kauf von Bioerzeugnissen sowie regionalen und saisonalen Produkten.

Forderung nach Regelungen - und ein Appell an die Unternehmen

Daneben fordern die Verbraucherzentralen, dass der Einsatz solcher Marketing-Sprüche klar geregelt wird - und dass er auch regelmäßig überprüft wird. Zwei Richtlinien zu solchen Umweltaussagen, die die Europäische Kommission derzeit bearbeitet, seien hier vielversprechend. Allerdings werde es bis zur Umsetzung noch viele Jahre dauern. Daher, so der Appell der Verbraucherzentralen an die Unternehmen, sollten diese "schon jetzt transparent und verständlich kommunizieren".

Ein Beitrag von SUPER.MARKT mit Material von DPA und den VZ Berlin und Brandenburg, 08.11.2023.