

In Erinnerung an Jean-Luc Godard (1930-2022) -
Brigitte Bardot, Michel Piccoli und Fritz Lang in dem zeitlosen Meisterwerk von Regie-Legende Jean-Luc Godard.
Der amerikanische Filmproduzent Jeremy Prokosch kontaktiert Drehbuchautor Paul Javal, damit dieser dem Regisseur Fritz Lang bei seinem "Odysseus"-Projekt zur Seite steht. Lang dreht zurzeit in Italien, kommt aber mit dem Film nicht voran. Nicht zuletzt deshalb, weil sich der mächtige Prokosch immer wieder in die Produktion einmischt.
Nach Sichtung der ersten Muster lädt Prokosch Javal und dessen Frau Camille in seine Villa ein. In seinem Cabrio ist nur ein Platz frei, den Camille ungern einnimmt, weil Prokosch ihr Avancen macht. Aber Paul lässt Camille mit Prokosch fahren, nimmt selbst ein Taxi und verspätet sich dann noch, fadenscheinige Entschuldigung inklusive.
Camille ist beleidigt und macht Paul zu Hause eine Szene. Das scheinbar so banale Ereignis wird zum Beginn einer schmerzhaften Trennung. Camille glaubt, dass Paul sie an Prokosch verkaufen wolle, damit er den Job bekommt: Sie empfindet Verachtung für ihn.
Basierend auf dem gleichnamigen Roman des italienischen Schriftstellers Alberto Moravia (1907-1990), erzählt "Die Verachtung" die Geschichte einer scheiternden Liebesbeziehung und zugleich das Scheitern eines Filmprojekts ("Die Odyssee"). Godards Film mit Brigitte Bardot und Michel Piccoli in den Hauptrollen ist eine raffinierte, vielschichtige Satire auf das Filmgeschäft mit dem legendären deutschen Regisseur Fritz Lang in der Rolle des Regisseurs Fritz Lang, der von seinen Geldgebern zu künstlerischen Kompromissen gezwungen wird.
In der Realität erging es dem Film ähnlich: Godard musste auf Drängen der Produzenten Ponti und Levine eine Nacktszene mit Brigitte Bardot einschneiden, um die kommerziellen Chancen des Films zu erhöhen. Es war Godards erster hochbudgetierter Film mit amerikanischem Geld. So, wie er die Szene eingeschnitten hat, war es ein Affront. Denn statt den weiblichen Körper als Lustobjekt in Szene zu setzen, hat er ihn fragmentiert. Zusätzlich ertönt die Stimme Bardots aus dem Off: "Und meinen Po? Magst Du meinen Po?" Diese Szene ist eine der berühmtesten der Filmgeschichte.
Das rbb Fernsehen sendet „Die Verachtung“ in Erinnerung an Jean-Luc Godard. Der französisch-schweizerische Regisseur und Drehbauchautor starb vor einem Jahr, am 13. September 2022, im Alter von 91 Jahren.
Jean-Luc Godard war einer der bedeutendsten und einflussreichsten zeitgenössischen Regisseure und veränderte mit seinem filmischen Werk das Kino und die Sehgewohnheiten wie nur wenige andere es taten. Am 3. Dezember 1930 in Paris geboren, kam er über die Pariser Ciné-Clubs und die Cinémathèque Française Anfang der 1950er Jahre mit dem Film in Berührung und in Kontakt zu François Truffaut, Claude Chabrol, Éric Rohmer und Jacques Rivette. Zusammen mit dem Filmkritiker und Herausgeber der Filmzeitschrift „Cahiers du cinéma“, André Bazin, entwickelten sie in ihren Schriften einen filmtheoretischen Ansatz zum Autorenfilm, die Auteur-Theorie. Diese übersetzten sie in die Praxis und begründeten mit der „Nouvelle Vague“ eine revolutionäre, völlig neue Art des Kinos.
1960, mit gerade einmal 30 Jahren, wurde Godard zum Meister und Geburtshelfer dieser neuen Stilrichtung des französischen Films. „Außer Atem“ („À bout de souffle“) machte ihn mit einem Schlag berühmt und verhalf ebenso seinem Hauptdarsteller Jean-Paul Belmondo zum Durchbruch. Für einen seiner nächsten Filme „Die Geschichte der Nana S.“ („Vivre sa vie“), mit Anna Karina in der Hauptrolle, erhielt er bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig einen Sonderpreis der Jury und den Kritikerpreis. 1963 drehte er mit den Stars Brigitte Bardot, Michel Piccoli und Fritz Lang (der sich als Regisseur selbst spielt) „Die Verachtung“ („Le Mépris“), einen Film über das Kino an sich. Schließlich dekonstruierte er mit „Elf Uhr nachts“ („Pierrot le fou“), erneut mit Jean-Paul Belmondo, vollständig die Sehgewohnheiten, die mit dem klassischen Hollywood-Kino einhergingen.
In seiner siebzig Jahre umfassenden Karriere erfand sich Godard immer wieder neu und versuchte stets das Kino und den Film in den Blick zu bekommen. So entstand mit seiner „Histoire(s) du Cinéma“ eine monumentale Reflexion auf das Kino. Aber auch auf andere Fragen bot der Regisseur wundervolle wie sehenswerte Antworten. Zum Beispiel, wie schnell man durch den Louvre rennen kann und wie ein Song der Rockband Rolling Stones komponiert wird: so in „Die Außenseiterbande“ („Bande à part“) bzw. „Eins plus Eins“ („Sympathy for the Devil“), die beide in den Sechzigerjahren entstanden.
Jean-Luc Godard wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, darunter zweimal mit dem Goldenen Löwen von Venedig, dem Silbernen und dem Goldenen Bären der Berlinale, zweimal mit dem französischen Filmpreis César, einem Ehrenoscar für sein Lebenswerk und mit zwei Preisen bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes.
Ein Zitat aus seinem Film „Der kleine Soldat“ („Le petit soldat“, 1960) gibt wohl am anschaulichsten Godards Sicht auf das Kino wieder: „Fotografie ist Wahrheit. Kino, das ist Wahrheit, 24 Mal in der Sekunde.“
Die Verachtung
(LE MÉPRIS)
Spielfilm Frankreich/Italien 1963
Camille Javal (Brigitte Bardot)
Paul Javal (Michel Piccoli)
Jeremy Prokosch (Jack Palance)
Fritz Lang (Fritz Lang)
Francesca Vanini (Giorgia Moll) u.a.
Musik: Georges Delerue
Kamera: Raoul Coutard
Buch und Regie: Jean-Luc Godard