Podiumsdiskussion im Bürgerhaus am Schlaatz (Quelle: rbb)
(Quelle: rbb)

- Potsdam-Schlaatz – Streit um neues Asylbewerberheim

Die Stadt Potsdam will ein neues Wohnheim für Asylbewerber schaffen. Als Standort ist Potsdam-Schlaatz angedacht. Doch die Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft macht dagegen mobil. Sie fürchtet u.a. der Wert ihrer Immobilien könne sinken.

Da sind sie wieder: Ausländer-Raus-Parolen der schlimmsten Sorte: Auf einem Flugblatt, das die rechtsextreme NPD am Wochenende in Potsdam verteilte, wird Asylbewerbern eine – Zitat – „Gute Heimreise“ gewünscht. So etwas nennt man gemeinhin Volksverhetzung – der Staatsschutz ermittelt jetzt deswegen. Anlass der rechten Umtriebe: Die erregte Debatte um den Umzug des Asylbewerberheims in Potsdam. Die Stadt will die rund 150 Asylbewerber künftig im Stadtteil Schlaatz unterbringen, was bei einigen Anwohnern heftige Gegenwehr auslöst. Indirekt angeheizt wird die ausländerfeindliche Stimmung offenbar auch von der Wohnungsgenossenschaft PBG, die mit großformatigen Anzeigen gegen das Asylbewerberheim protestiert. Ute Barthel.

Eine Bürgerversammlung im Potsdamer Stadtteil Schlaatz. Die Stimmung ist gereizt. Der Grund: 150 Asylbewerber sollen hierher umziehen, die neuen Nachbarn der Schlaatzer werden. Das löst bei vielen Ängste aus.

Bürger
„Wir haben genug mit unseren eigenen Bürgern zu tun, angefangen von Schmutz, Dreck über Kriminalität etc. und und… Müssen wir uns hier noch einen neuen Brandherd schaffen?“
„Und hier sind auch so viele Ausländer, es sind nicht alle über einen Kamm zu scheren, aber es sind hier so viele.“
„Ich bin dagegen dass es hierher kommt, ich habe Angst um meine Kinder.“


Völlig unbegründet, meint der Leiter der Polizei Potsdam, der sogar ein Sicherheitskonzept verspricht, um die Bürger zu beruhigen.

Ralf Marschall, Schutzbereichsleiter Polizei Potsdam
„Wir haben 22.000 Straftaten hier im Bereich Potsdam und Teltow im Jahr ungefähr 16.000 im Bereich Potsdam. Das sind ca. 6.000 ermittelte Tatverdächtige. Und davon entfallen im Jahr 2008 57 Straftaten auf Asylbewerber. 57.“

Angeheizt hat die ausländerfeindliche Atmosphäre nicht zuletzt die Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft PBG. Sie besitzt einige hundert Wohnungen am Schlaatz – einem Plattenbaugebiet, das noch kurz vor der Wende fertig gestellt wurde. Knapp 10.000 Menschen wohnen hier, lange Zeit galt es als sozialer Brennpunkt. Nach massiven Abwanderungen in den 90er Jahren gibt es in den modernisierten Wohnungen wieder Zuzüge zu vermelden. Das neue Flüchtlingsheim in unmittelbarer Nachbarschaft würde jetzt den Aufwärtstrend bremsen, das meint jedenfalls die Wohnungsbaugenossenschaft Potsdam.

Sie macht deshalb Front gegen das Flüchtlingsheim. In einer teuren halbseitigen Zeitungsanzeige, einem Offenen Brief, beschwört sie die angeblichen Gefahren für das Wohnungsunternehmen. Ein Asylbewerberheim käme, Zitat:
„... in seiner Auswirkung auf den Leerstand einem massiven Eingriff in die Wirtschaftlichkeit der pbg gleich.“

Der Zuzug der Asylbewerber in das Flüchtlingsheim ist in den Augen der PBG offenbar ein Wirtschaftsrikiko. Soll wohl heißen, wo in großer Zahl Asylbewerber wohnen, zieht kein Deutscher mehr hin und der Wert der Immobilien sinkt.

Und das sind die Menschen, um die es letztlich geht: Noch leben sie in einem Flüchtlingsheim am Stadtrand - zwischen Klärwerk und Kompostanlage.

Sie flohen vor Bürgerkrieg und politischer Verfolgung aus ihrer Heimat. Anne Nduta musste sechs Kinder in Kenia zurücklassen. Mit ihrer jüngsten Tochter lebt sie hier im Flüchtlingsheim. Sie hat von der Bürgerversammlung gehört und ist schockiert über die Vorurteile einiger Schlaatzer, die sich dort ausländerfeindlich geäußert haben:

Anne Nduta
„Sie sagen, sie wollen uns nicht mit uns zusammenleben. Sie sagen, wir seien schmutzig und laut, Männer würden Frauen vergewaltigen , aber das ist doch nicht wahr… Wir leben doch hier auch mit deutschen Nachbarn und es gab nie irgendwelche Beschwerden.“

Anscheinend waren die Manager der Potsdamer Wohnungsbaugesellschaft nie in diesem Flüchtlingsheim und kennen die Menschen nicht. Doch ganz offensichtlich wollen sie den Umzug der Flüchtlinge in das Wohngebiet Schlaatz verhindern. In ihrer Zeitungsanzeige, die sich gegen das Flüchtlingsheim richtet, machen sie auf wirtschaftliche Konsequenzen aufmerksam, Zitat:
„Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit wären wir gezwungen, unsere Investitionsplanungen zu überdenken.“

Atem Gad aus Kamerun ist enttäuscht. Er meint, dass die Wohnungsbaugenossenschaft damit Ängste vor den Flüchtlingen schürt.

KLARTEXT
„Wie finden Sie diese Anzeige dieser Wohnungsbaugenossenschaft?“
Atem Gad
„Einfach unbegründet, würde ich sagen. Sie kennen uns gar nicht, sie gehen von Wirtschaft aus: Ich weiß, wir leben in einer Gesellschaft, wo alle immer nur ans Geld denken. Keiner will das gute im Menschen sehen, jeder interessiert sich nur für das Geld und das gilt auch für diese Wohnungsbaugesellschaft. Ich kann nur sagen, alle Befürchtungen sind unbegründet. Denn die Asylbewerber sind Menschen, sie sind keine Tiere.“

Dennoch zeichnet die PBG ein Schreckenszenario: Die Entwicklung des sozial sensiblen Stadtteils sei durch den Zuzug der Asylbewerber bedroht. In der Anzeige heißt es, Zitat:
„Vor allem sollte das zarte Pflänzchen der sich abzeichnenden positiven Entwicklung, (…) nicht zertreten werden.“

KLARTEXT wollte erfahren, womit die PBG ihre Befürchtungen begründet. Doch auf unsere Interviewanfragen gab es keine Reaktion. Der Vorstand ist abgetaucht…

KLARTEXT
„Ute Barthel noch mal vom rbb, KLARTEXT. Ist der Herr Zellmann denn heute erreichbar….nicht erreichbar…“

Auch auf der Bürgerversammlung ließ die PBG sich nicht blicken. Doch dort bekam sie Schützenhilfe von der rechtsextremen DVU.

DVU-Mitglied
„Ich bin von der DVU…Die Deutschen ziehen hier alle weg. Ich denke, da kann man die PBG verstehen, dass sich die Wohnungsanfragen auch weiter in dem Bereich bewegen werden… bitte nicht am Schlaatz.“

Die DVU sammelt inzwischen Unterschriften gegen das Heim im Schlaatz, die NPD verteilt Flugblätter, die Rechtsextremen nutzen den Brief der PBG für ihre ausländerfeindliche Propaganda. Und auch Schmierereien auf der Fassade des künftigen Flüchtlingsheimes schüren die Angst der Anwohner vor fremdenfeindlicher Gewalt in ihrer Nachbarschaft.

Dabei gibt es auch viele positive Reaktionen auf den geplanten Umzug der Asylbewerber.

Bürger
„Wenn hier weiterhin Ausländer herkommen, dann sollten wir sie mit offenen Armen empfangen.“
„Ich wünsche mir, dass wir solidarisch sind mit diesen Menschen, die hier neu dazu kommen und sagen, jawohl: Wir kriegen das hin.”


Die Wohnungsbaugenossenschaft hat inzwischen eine zweite Anzeige veröffentlicht. Darin beteuert sie, nichts gegen Migranten zu haben. Von einer Entschuldigung bei den Asylbewerbern - keine Spur.

Vor gut zwei Stunden hat der Hauptausschuss der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung beschlossen, dass die Asylbewerber in das neue Heim in Schlaatz umziehen werden. Wir bleiben dran an dem Thema und nachsehen, wie die Menschen dann dort aufgenommen werden.

Beitrag von Ute Barthel