Alexanderplatz mit Weltzeituhr (Quelle: rbb)
(Quelle: rbb)
Bild: (Quelle: rbb)

- Bausünde Alexanderplatz – Hoffen auf neue Investoren

Das Einkaufszentrum Alexa, der neue Kubus, sie gelten Berlins Stadtplanern als Vorboten eines neu gestalteten Alexanderplatzes mit attraktiven Wolkenkratzern. Doch bislang will kein Investor die hochtrabenden Pläne verwirklichen, so bleibt nur Öde und hoffen auf die Zukunft.

Der Alexanderplatz in Berlin ist nicht nur weltberühmt, einst war er auch lebendiger Mittelpunkt der Stadt- und heute? Heute ist der Alex wenig vorzeigbar, länger verweilen mag man hier kaum - vielleicht empfinden Sie das auch so. Seit 20 Jahren begegnet man auf dem Alex nur noch Baustellen und Ödnis. Aber warum wird ein solcher Platz, der es bis in die Weltliteratur geschafft hat, von den Stadtplanern derart vernachlässigt? Wie sieht die Zukunft des Alex aus? Holger Trzeczak ist diesen Fragen nachgegangen.

Die Weltzeituhr ist nicht das Problem des Alex. Im Gegenteil: Auch wegen solcher Anblicke ist der Platz weltberühmt. Sein Problem waren schon immer die Ansprüche derer, die ihn verwalten. Wie ein erhobener Zeigefinger scheint der Fernsehturm zu gebieten: Großes muss her. Schon zu DDR-Zeit ging das los mit dem Haus des Lehrers. Und mit dem Hotel ging es weiter. Bei den Touristen zieht das damals wie heute. Das Versprechen Alex – aus der Ferne ein Kracher. Und aus der Nähe? Da findet ihn kaum einer schön.

Passantin
„Es ist doch nichts mehr, ist alles zugebaut. Mein Sohn sagt gerade: ‘Ist alles zugebaut, ist nicht mehr schön der Alex‘.“
Passantin
„Fehlt das Grün und, ja ist noch nicht, wie man sich‘s wünscht.“
Passantin
„Es ist keine Atmosphäre, es ist einfach ein großer Platz und das ist alles.“

Die Straßenbahn schwenkt auf den Alex ein – noch freut sich das Auge. Doch dann, auf dem Platz, wie ernüchternd: Lungern und Lagern auf Beton. Leere, als sollten hier Aufmärsche stattfinden.

Architekturkritiker Nikolaus Bernau arbeitet am Alex. Was er seit Jahren sehen muß, wenn er dort runter schaut, entlockt ihm ein nüchternes Urteil.

Nikolaus Bernau, Architekurkritiker
„Es ist eigentlich nicht Berlins würdig.“

Dabei sollte einst alles so schön werden. Der Plan von vor über zehn Jahren schwelgt in Träumen von Hochhäusern, die den Platz einrahmen. Wer gern Bauklötzer staunt, ist hier absolut richtig.

Nikolaus Bernau, Architekturkritiker
„Das sind natürlich Pläne, die sind alle ganz schön, so auf dem Modellmaßstab, vor allem, wenn man so als Architekt von oben runter guckt, und dann 1:100 oder 1:1000, das ist ja so der normale Maßstab, das kann man so hübsch in der Gegend rumschieben. Nur, der bisherige Bebauungsplan ist eh Makulatur. Wir können jetzt weiter davon träumen, er steht in sämtlichen Plänen drin und so weiter, aber auf der aktuellen wirtschaftlichen Situation Berlins ist er vollkommen hinfällig. Es gibt keine Investoren, die ihn bauen wollen“

Trotzdem sieht nun der arme Alex dauernd aus, als würde Utopia gebaut. Kaum ist ein Loch zu, geht woanders wieder eins auf. Mal sind es Leitungen, mal sind es Straßenbahnschienen. Ständig ist Lärm. Und was entsteht? Einkaufswürfel als Platzhalter für Luftschlösser.

Das sieht die Senatsbaudirektorin freilich anders. Für sie ist wichtig, was Spekulanten wollen, wenn auch vielleicht erst in 30 Jahren. Hochhäuser gehören dazu, egal wann.

Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin
„Wenn ein Investor nach Berlin kommt, der ein Hochhaus bauen will, dann müssen wir vorgedacht haben, da müssen wir sagen, wo ist das möglich, drei Standorte, und dann kann der los legen.“

Aber kein Großinvestor nirgends. Dafür Hochhausansätze – die sehen dann so aus. Eine übergeordnete Idee sei bei solchen Bauten nicht zu erkennen, kritisieren Berliner Nachwuchsarchitekten. Im Gegenteil: Gewachsene Sichtachsen würden einfach zubetoniert.

Theresa Keilhacker, Plattform Nachwuchsarchitekten
„Schon vor zehn Jahren, als der Masterplan hier von Hans Kolhoff, dem Architekten, entwickelt wurde, war eigentlich abzusehen, dass sich Berlin nicht in diese Richtung entwickeln wird, insofern hat die Senatsverwaltung hier eindeutig eine ganz grobe Fehleinschätzung geliefert.“

Hochhausstümpfe statt Hochhaustrümpfe. Und Warten. Weiterwursteln bis für private Hochhausmöchtegerne die Renditeaussichten wieder stimmen. Aber braucht Berlin überhaupt Hochhäuser?

Nikolaus Bernau, Architekturkritiker
„Hochhäuser haben in Berlin überhaupt gar keinen Sinn, und das ist das Hauptproblem bei der ganzen Planung für den Alexanderplatz, und es gibt auch gar keine Platznot, im Gegenteil, Berlin hat ja viel zu viel Platz“

Denn nur wenn der Platz knapp ist, wie einst in New York, muß hoch gebaut werden.
In Berlin dagegen werden Tiefgaragen gebaut. Die kriegt man voll. Hochhäuser kriegt man hier nicht voll. Um ihre Grundflächen wird chirurgisch herumgebastelt. Der Alex als ewiger Buddelkasten – dagegen gibt es nur ein Rezept,

Theresa Keilhacker, Plattform Nachwuchsarchitekten
„Dass man den Bebauungsplan ändert, dass man ihn an die Bedürfnisse dieser Stadt anpasst und sich von diesen Hochhausplänen verabschiedet.“

Das aber hieße, endlich das Machbare zu bauen, ohne ständig mit Budenzauber den Alex füllen zu müssen. Doch: abgelehnt von der Senats-Traumfabrik. Es könnte ja die architektonische Langeweile am Alex auf dem Spiel stehen.

Nikolaus Bernau, Architekturkritiker
„Ich meine, darüber macht sich nun wirklich inzwischen die ganze Welt lustig. Die Berliner Städtebau- und Architekturpolitik ist ausgesprochen kleinmütig. Wir machen kaum Architekturen, die wirklich dramatisch sind, die Pop haben, und ‚ne Stadt wie Berlin braucht das. München braucht das nicht, Wien braucht das überhaupt nicht, Köln auch nicht und Hamburg auch nicht. Aber Berlin lebt ja nur von dem Ruhm, wir sind ein Ort des Neuen, wir sind ein Ort des Verrückten.“

Fazit: Investoren? Keine. Hochhäuser? Sind gar nicht nötig. Doch gewiss, der Berliner träumt tapfer weiter von Großraumbüros in den Wolken, trotz 1,5 Millionen Quadratmeter Bürofläche, die leer stehen in der Hauptstadt. Am Brunnen der Völkerfreundschaft plätschern bei schönem Wetter alle Zweifel am Alex davon. Aber nur bei Sonne. Egal: Berlin hatte ja schon immer alle Zeit der Welt.


Holger Trzeczak