Gesundheit | Beitrag | Lesedauer etwa 6 Minuten - Abgelehnt: Krankenkassen und ihre Tricks
Immer wieder verweigern Krankenkassen Leistungen und wehren Widersprüche ab. Das spart Geld - und stellt Kund:innen vor Probleme.
Ob mit freundlichen Überredungsversuchen per Telefon oder fehlenden Belehrungen über Rechtsmittel: Immer wieder versuchen einige deutsche Krankenkassen, Widersprüche, die ihre Kund:innen gegen Leistungsablehnungen einreichen, abzuwehren. Mit so vielen Tricks und Tücken, dass man dahinter fast ein System vermuten könnte.
Dieses System eröffnet sich einem, wenn man den Tätigkeitsbericht des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) für das 2022 liest. Das Bundesamt beaufsichtigt 63 gesetzliche Krankenkassen in Deutschland, die 45 Millionen Versicherte betreuen. Insgesamt gibt es in Deutschland 96 gesetzliche Kassen. In dem Bericht erläutert das BAS ausführlich, wie elf Krankenkassen und zwei Pflegekassen mit irreführenden Schreiben oder Anrufen Widersprüche von Mitgliedern verhindert haben oder unwirksam machten - um Geld zu sparen.
Patientenschützer:innen reagierten auf den Bericht empört: "Ich bin schockiert über das Vorgehen einiger Krankenkassen, durch Fehlinformationen und Täuschung ihre Versicherten davon abzuhalten, ihre Rechte wahrzunehmen", so formulierte es etwa der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, der Bundestagsabgeordnete Stefan Schwartze.
Aber leider sind das noch nicht einmal die einzigen Tricks, mit denen Krankenkassen versuchen, Zahlungen abzuwehren. Und leider ist es auch nicht der erste Bericht des BAS, in dem diese Taktiken gerügt werden, schon 2018 und 2020 hagelte es ähnliche Kritik.
Mangelndes Tempo bei der Bearbeitung
Das Bundesamt hat nach eigenen Angaben festgestellt, dass bei einigen Krankenkassen Arbeitsanweisungen zur Widerspruchsbearbeitung gänzlich fehlen. Kommt ein Widerspruch, landet er erst einmal also - wo auch immer. Ein Umstand, der zu enormen Zeitverzögerungen führen kann, und Versicherte im Zweifelsfall mürbe macht. "Irgendwann geben die schon auf" scheint das Motto hinter dieser Maßnahme zu sein.
Doch wie das BAS (damals noch unter dem Namen Bundesversicherungsamt) 2018 feststellte, sollen die Krankenkassen die Bearbeitungsdauer einhalten - "drei Monate nach Einlegung des Widerspruchs" sollte über den Widerspruch entschieden sein.
Einschüchternde Nachfragen
Ganz fies: Der Anruf beim Versicherten. Ein Großteil der durch das BAS geprüften Arbeitsanweisungen, die den Mitarbeiter:innen der Krankenkassen vorliegen, sah eine oder mehrere telefonische Kontaktaufnahmen der Krankenkassen mit den Versicherten vor.
Diese hätten das Ziel, die Versicherten dazu zu motivieren, ihren Widespruch zurückzunehmen, so das BAS. Selbst eine leichte Verunsicherung der Versicherten kann aber schon zu Verzögerungen in ganzen Prozess führen - was den Kassen entgegenkommt. Eine Rücknahme des Widerspruchs ist natürlich noch willkommener.
Doch Anrufe ohne relevanten Anlass sind nicht zulässig. Das BAS ist deshalb ins Gespräch mit den betreffenden Kassen gegangen - laut dem Tätigkeitsbericht gibt es nun das Einvernehmen, dass das Beratungsersuchen künftig vom Versicherten ausgehen soll.
Irreführende Schreiben
Vielfach gingen Schreiben der Krankenkassen an die Versicherten raus, die den Eindruck erweckten, der Widerspruch habe kaum Chancen auf Erfolg, oder die Ablehnung des Widerspruchs sei bereits beschlossen. Ziel dieser Briefe: Die Versicherten sollten doch den Widerspruch einfach zurücknehmen. Warum der Widerspruch erfolglos bleiben würde, dafür gab es nicht immer Erklärungen.
Fehlende Rechtsbelehrung
Zuletzt wurden Versicherte in vielen Fällen nicht umfassend über die Rechtsfolge einer Rücknahme des Widerspruchs informiert, wie das BAS in seinem Bericht schreibt. Ein großes Problem, denn wird der Widerspruch einmal zurückgenommen, ob unwissentlich oder nicht, verzichten Patient:innen auf alle Rechtsmittel. Eine Klage vor dem Sozialgericht ist dann beispielsweise nicht mehr möglich.
Widerspruch abgelehnt - und dann?
Wird ein Widerspruch von der Kasse abgelehnt, bleiben den Versicherten fast nur die Wahl, vor das Sozialgericht zu ziehen. Die entsprechende Klage muss innerhalb eines Monats nach Erhalt des Widerspruchsbescheids beim für den Fall zuständigen Sozialgericht eingehen. In der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids wird das jeweils zuständige Gericht ausgewiesen.
Bei allen Querelen: Immerhin ist das Verfahren vor dem Sozialgericht grundsätzlich kostenfrei. Sollten Sie verlieren, müssen Sie auch keine Verfahrenskosten an die Krankenkasse zurückzahlen. Auch ist es nicht notwendig, sich durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen.
Wo Sie Beratung und Unterstützung in diesem - eventuell langen - Verfahren erhalten, hat das Portal Gesund.Bund des Bundesgesundheitsministeriums zusammengefasst.
Ein Beitrag von SUPER.MARKT.