Lange Schlange von Wartenden am Flughafen (Quelle: imago images/Panama Pictures)
Bild: imago images/Panama Pictures

Mobilität | Beitrag | Lesedauer etwa 3 Minuten - Flugüberbuchungen: Warum ist es so voll hier?

Das kann ja wohl nicht wahr sein! Der Flieger ist überbucht, Sie fliegen erst am nächsten Tag. Steckt hinter den Flugüberbuchungen etwa ein System?

Eine Flugreise ist meist mit unzähligen Unwägbarkeiten verbunden: Wird der Bordkaffee schmecken? Kennt sich die Person neben mir in der Armlehnen-Etikette aus? Kommen wir pünktlich am Zielflughafen an? Und kann ich überhaupt mitfliegen? Denn oft sind Flieger überbucht - und ein Teil der Passagiere muss zu Hause bleiben. Oder besser gesagt: Wird auf andere Flüge umgebucht.
 
Das kommt teilweise so häufig vor, dass man dahinter ein System vermuten könnte. Ist dem denn so? Wir haben die Frage weitergeben - an die, die es angeht.

Überbuchungen sind üblich, aber nicht bei allen Airlines

Acht Fluggesellschaften, die alle ab dem Flughafen Berlin Brandenburg fliegen, hat SUPER.MARKT die gleiche Frage gestellt: Überbuchen Sie Flüge generell?
 
Genau zwei Antworten kamen zurück - die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Billiganbieter Ryanair schreibt uns: "Ryanair überbucht grundsätzlich keine Flüge." Die Lufthansa-Tochter Eurowings antwortet hingegen gegensätzlich: "Die teilweise Überbuchung von Flügen ist eine gängige Praxis im Airline-Business, um wettbewerbsfähige Preise anbieten und hohe Auslastungen erreichen zu können."
 
Auch ein Sprecher des Luftfahrt-Bundesamts (LBA) schreibt, dass es sich bei Überbuchungen um ein gängiges Mittel der Luftfahrtunternehmen zur Optimierung der Auslastung ihrer Flugzeuge und, damit verbunden, der Reduzierung von Leerkosten gehe.
 
Eine alltägliche Praxis also - die uns Passagiere trotzdem oft an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringt.

Die Mechanismen hinter den Überbuchungen

Bei Eurowings erläutert man auch gleich, mit welchem System dabei vorgegangen wird. Eine systemseitige Sammlung historischer Daten erlaube eine Berechnung der Zahl möglicher Passagiere, die nicht zu ihrem gebuchten Flug erscheinen - sogenannte "No Shows", erläutert ein Eurowings-Sprecher gegenüber SUPER.MARKT.
 
"Aufgrund dieses Wissens werden anhand einer Prognose Flüge partiell zu einem gewissen Grad überbucht. Die Höhe der Überbuchung ist dabei abhängig von einer Vielzahl an streckenspezifischen Parametern." Ausnahmen gebe es etwa für Zeiträume oder Strecken, für die erwartet werde, dass alle Passagiere zum Abflug erscheinen - beispielsweise der Ferienbeginn, Messen und Kongresse, Feiertage oder andere Faktoren. Bei solchen Flügen soll es laut Eurowings nicht zu Überbuchungen kommen.

Überbucht, umgebucht - und dann?

Eurowings gibt an, dass Passagieren, die aufgrund einer Überbuchung auf dem gewünschten Flug nicht mitgenommen werden können, sofort Unterstützungsleistungen angeboten bekämen, also etwa die Umbuchung auf einen Alternativflug, Erfrischungen, Hotelübernachtungen oder eine monetäre Entschädigung.
 
Diese Entschädigung ist ein pauschaler Schadensersatzanspruch, der abhängig von der Flugstrecke 250, 400 oder 600 EUR beträgt. "Dieser Anspruch steht Passagieren bei einer unverschuldeten Nichtbeförderung, wie sie im Falle der Überbuchung vorliegt, definitiv zu", sagt Fluggastrechtsexpertin Claudia Brosche des Legal Techs Flightright gegenüber SUPER.MARKT.
 
Die Betreuungsleistungen seitens der Airline seien auch keine Kulanz, sondern gesetzlich vorgegeben, komme es zu einer Nichtbeförderung seitens des Fluganbieters. Auch Brosche ist bekannt, dass die Überbuchung von Flügen eine durchaus gängige Praxis bei den Fluggesellschaften ist.
 
Grundsätzlich gilt, dass der Fluggast entscheiden kann, ob er entweder das Geld für sein Ticket zurückverlangen will, ohne weiter befördert zu werden oder ihn die Fluggesellschaft frühestmöglich mit einem anderen Flug an sein Ziel bringen soll. Dabei ist es rechtlich so, dass die Airline nicht nur eigene spätere Flugverbindungen berücksichtigen darf. "Um zu gewährleisten, dass die Passagiere frühestmöglich an ihr Ziel gelangen, muss sie auch bei anderen Fluggesellschaften direkte und indirekte Verbindungen prüfen", so Brosche. Dies müsse die Fluggesellschaft kostenlos tun.
 
• Laut der Rechtsexpertin kommt es immer wieder vor, dass ein Fall einer Überbuchung vorliegt, die Fluggesellschaft sich jedoch anschließend weigert, die Entschädigung zu zahlen. Deshalb rät sie Passagieren, die beim Boarding wegen einer Überbuchung abgewiesen werden, "sich von der Fluggesellschaft noch am Flughafen schriftlich bestätigen zu lassen, dass eine Nichtbeförderung wegen der Überbuchung vorliegt."
 
• Sollten Sie sich selbst um Essen und Getränke beim Warten auf den nächsten Flug kümmern müsssen, sei es wichtig, dass Sie die Belege für eine selbstbezahlte Verpflegung aufheben und die Kosten im Nachgang bei der Fluggesellschaft geltend machen.
 
• "Wenn ein Passagier die Hotelunterkunft selbst organisieren und zahlen muss, sollte man ebenfalls die Belege aufheben und bei der Fluggesellschaft im Anschluss einreichen", rät Brosche.
 
• Der Sprecher des LBA, empfiehlt betroffenen Fluggästen, sich zur Durchsetzung möglicher zivilrechtlicher Ansprüche an eine der Schlichtungsstellen im Luftverkehr (SÖP oder Bundesamt für Justiz) zu wenden. "Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Verstöße gegen die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 beim Luftfahrt-Bundesamt als Beschwerde- und Durchsetzungsstelle für diese Verordnung anzuzeigen."

Sonderfall Easyjet

Die größte Herausforderung besteht laut der Flightright-Rechtsexpertin allerdings darin, dass viele Fluggesellschaften die EuGH-Rechtsprechung zur frühestmöglichen Ersatzbeförderung nicht ausreichend umsetzen könnten oder - aus wirtschaftlichen Gründen - wollten. Hier sieht man bei Flightright vor allem bei den Blilligfliegern noch gravierende Probleme. Allen voran Easyjet.
 
Laut Vorgaben reicht es nämlich nicht aus, dass die Fluggesellschaft nur eigene Ersatzflüge prüft oder dass sich der Fluggast selbstständig über die Website oder die App der Fluggesellschaft einen Flug aussuchen muss, erläutert Fluggast-Vertreterin Brosche.
 
Doch genau das tue Easyjet in großem Stil. Der Billigflieger böte seinen Kunden nicht selbst die Ersatzbeförderung an. Stattdessen würden Passagiere auf die Easyjet-Seite geführt, auf der die Fluggäste sich dann um einen Flug kümmern müssten - "wobei lediglich weitere EasyJet Flüge zur Auswahl stehen".
 
"Dass diese Art der Umbuchung weder den Anforderungen des EuGH, noch denen der Fluggastrechteverordnung entspricht, scheint bei EasyJet jedoch keinen zu kümmern, sagt Brosche. Auf eine entsprechende Anfrage von SUPER.MARKT reagierte die Airline nicht.

Ein Beitrag von DEM, 17.10.2023