-
Es ist ein toxischer Konflikt, der Die Linke lange quält und seit der Verkündung des Bündnis Sahra Wagenknecht eine wohl finale Eskalationsstufe erreicht. Autorin Birgit Wärnke hat Wagenknecht, aber auch Linke wie Elke Breitenbach und Thomas Nord filmisch begleitet. Sie zeichnet das Bild eines tiefen Zerwürfnisses und unüberbrückbarer Gegensätze, die selbst Gregor Gysi nicht mehr kitten kann.
Es ist der Moment, an dem eigentlich alles klar ist. Drei Tage nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen, am 8. Oktober 2023, im Büro von Sahra Wagenknecht: Behält sie ihr Mandat, wenn sie eine neue Partei gründet?
„Natürlich“ sagt sie auf die Frage von ARD-Filmemacherin Birgit Wärnke. Viele hätten Die Linke ja ihretwegen gewählt. „Deswegen finde ich, dass ich auch alles moralische Recht habe, mein Mandat mitzunehmen. Also ich meine, ich bin Bundestagsabgeordnete, ich bin gewählt und selbstverständlich gebe ich das nicht zurück.“ Auf den Einwand, dass dann die Fraktion zerbreche, endet sie mit den Worten: „Vermutlich“. Dann gebe es verschiedene Gruppen. „Aber das ist dann nicht mehr mein Ding“.
Birgit Wärnke hat für den Film, eine NDR/rbb-Koproduktion, verschiedene Politikerinnen und Politiker der Partei über ein knappes Jahr begleitet. Auf der einen Seite Sahra Wagenknecht und ihren Ehemann und Linke-Mitgründer Oskar Lafontaine, auf der anderen ihre erbitterten Gegnerinnen und Gegner - Vertreter der sogenannten Progressiven Linken, etwa die ehemalige Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach und ihren Ehemann, den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Thomas Nord. Außerdem die Parteivorsitzende Janine Wissler sowie Gregor Gysi, der lange versucht hat, den Streit zu schlichten.
Es ist ein toxischer Konflikt, der Die Linke seit Monaten quält und der am 23. Oktober 2023 in eine wohl finale Eskalationsstufe geht: In der Bundespressekonferenz stellt Sahra Wagenknecht einen Verein zur Neugründung einer Partei vor – das Bündnis Sahra Wagenknecht. Und sie hat dort erklärt, dass sie aus der Partei Die Linke ausgetreten ist. Ihre neue Partei soll schon bei der Europawahl im nächsten Jahr antreten.
Filmemacherin Wärnke zeichnet das Bild eines tiefen Zerwürfnisses und unüberbrückbarer Gegensätze, die selbst Urgestein Gregor Gysi nicht mehr kitten kann. Die „ARD Story: Der Bruch. Sahra Wagenknecht und Die Linke” ist eine Chronik des Auseinanderfallens einer Partei.
Elke Breitenbach und Thomas Nord hatten schon 2022 das Netzwerk Progressiver Linker gegründet. Auf diesem Gründungstreffen im Dezember forderten mehr als einhundert Genossinnen und Genossen, dass Sahra Wagenknecht keine öffentliche Funktion für die Partei mehr ausüben solle, weil sie nicht mehr die Grundwerte und Beschlüsse der Partei vertrete.
Sahra Wagenknecht und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer kritisieren hingegen genau solche „progressiven“ Genossinnen und Genossen in ihrer Partei heftig, etwa als „Lifestyle-Linke“ und „Linksliberale“, die sich vor allem um Großstadtprobleme wie Genderfragen und Bioprodukte kümmern, aber die eigentlichen Interessen der Arbeiter, das Kernklientel der Linken, nicht mehr im Blick hätten. Das sei das Hauptproblem der Linken, so der ehemalige Parteivorsitzende und Ehemann von Sahra Wagenknecht Oskar Lafontaine.
Lafontaine ist 2022 aus der Linken ausgetreten und attestiert seiner ehemaligen Partei und dem Vorstand, eine „falsche Politik“ zu betreiben. Lafontaine sieht wie Sahra Wagenknecht eine Leerstelle im politischen System, die Die Linke nicht mehr ausfülle. Für das Polit-Ehepaar Wagenknecht/Lafontaine ist klar: Die schlechten Wahlergebnisse, der Mitgliederschwund und die miesen Umfragewerte der Partei sind Ausdruck des Versagens des Parteivorstandes und einer falschen Zielsetzung.
Für Elke Breitenbach und Thomas Nord sind sie dagegen Ausdruck der andauernden innerparteilichen Querelen, des nicht erkennbaren Profils der Partei und der ständigen Drohung Wagenknechts, eine Konkurrenzpartei gründen zu wollen.
Diese Drohung wird Sahra Wagenknecht nun in die Tat umsetzen. Der zerstörerische Streit wird damit aber sicher noch nicht zu Ende sein. Im Gegenteil.
Film von Birgit Wärnke
Erstsendung: 23.10.2023/Das Erste