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Bereits zum 60. Mal fragt das Berliner Theatertreffen, welche Antworten das Theater auf die großen Fragen unserer Zeit zu bieten hat. Die 10 "bemerkenswertesten" Produktionen des Jahres im deutschsprachigen Raum werden dafür nach Berlin eingeladen. In diesem Jahr mit gleich zwei Berliner Produktionen, vom Deutschen Theater und der Volksbühne.
Mit "Das Vermächtnis", einem temporeichen Gesellschafts- und Beziehungsdrama aus der New Yorker Schwulenszene ist der Berliner Regisseur Phillip Stölzl eingeladen. Er ist bekannt durch Musikvideos für Rammstein und Madonna, für Opern und Filme.
Letzte Proben auf der großen Bühne. Mit dieser Produktion des Münchner Residenztheaters eröffnet er nun das Theatertreffen.
Philipp Stölzl, Regisseur
"Es geht um viel Liebesdinge, Abschied, Schmerz, Sterben, es geht um Verantwortung unteinander. Es geht auch um sehr politische Dinge, Trump kommt an die Macht.”
Und es geht um die Erinnerung an die Aids-Epidemie in den Achtzigerjahren mit ihren furchtbaren gesellschaftlichen Ausgrenzungen. Und das - Achtung! - fast 7 Stunden lang!
Philipp Stölzl, Regisseur
"Es gibt ja den Begriff von "bingen" das bedeutet, du fängst den Piloten an zu gucken und bist so gefesselt, dass du erst am nächsten Morgen aufhörst überhaupt weiterzugucken. Und n bischen so funktioniert das Vermächtnis, also es ist einfach so, es ist eigentlich ein Triumph des guten Plotings und des guten Narrativs, weil die Geschichte dich einfach sieben Stunden lang wirklich dran hält."
Ein gigantisches Spektakel erlebt man an der Volksbühne. "Ophelia‘s got Talent" von der angesagten Choreographen Florentina Holzinger- die Bühne wird zum Schwimmbad, nackte Frauen treten zu einer kuriosen Talentshow an. Mit dabei die Performerin Saioa Alvarez Ruiz.
Saioa Alvarez Ruiz, Performerin
"Ich bin Klemptner, Stripper, Meerjungfrau, schwanger, Pilotin, es geht um die individuellen Talente, es geht vielleicht darum, wer ist die schrägste Person oder wer hat das schrägste Talent am Ende landen wir eh alle im Desaster."
Die für ihre verstörenden Choreografien bekannte Florentina Holzinger feiert die weibliche Sexualität, mit allerlei Spezialeffekten. An diesem Stück kommt niemand vorbei beim diesjährigen Theatertreffen.
Saioa Alvarez Ruiz, Performerin
"Es ist ein Stück aus dem vergangenen Jahr, das irgendwie heraussticht und das ist schon ein schöner Titel und es ist ein bisschen lustig, die Talentshow in der Talentshow zu haben."
Auch dabei - der gefeierte Regisseur Sebastian Hartmann. Am Deutschen Theater hat er mit dem Musiker PC Nackt "der Einzige und sein Eigentum" inszeniert. Es geht um Texte des Philosophen Max Stirner - der Verfechter eines radikalen Egoismus.
Das klingt nach einem kopflastigen Abend - aber die beiden machen daraus unterhaltsames Musiktheater.
Sebastian Hartmann, Regisseur
"Man erlebt den Abend, man braucht keine intellektuellen Überlichter aber es ist ein sehr gefühlsmässigerAabend geworden."
Patrick Christensen, alias PC Nackt Komponist und Musiker
"Dadurch, dass die Musik den Raum bekommen hat in dem Stück, dann finde ich eben nicht, dass die Leute über die Sachen nachdenken müssen, sondern sie können es eigentlich spüren, das finde ich eigentlich so cool an dem Abend."
Ein Spiel mit starken Gedanken, Bildern und viel Musik.
Was also macht Theater heute aus?
Sebastian Hartmann, Regisseur
"Ich bin der absoluten Überzeugung, dass Shakespeare heute andere Stücke geschrieben hätte, als die die wir fossil immer widerspiegeln, immer wieder neu inszenieren, ob da nun jemand ne Badehose anhat oder n Geweih auf n Kopf hat oder ob er sich in seinen Geschlechtern hin und her tauscht, innerhalb so eines fossilen Stoffes, davon bin ich nicht überzeugt. Theater ja, muss sich neu erfinden."
Saioa Alvarez Ruiz, Performerin
"Sehgwohnheit erweitern, das ist das Stichwort. Vielleicht je nach Optimismusgrad und Tagesform würde ich sagen, ja Theater kann auch das Publikum verändern."
Philipp Stölzl, Regisseur
"Dass, was du beim Theater urtümlich hast, dass sich die Dinge eigentlich in diesem Moment vor deinen Augen ereignen. Es ist das, was keine KI kann, sondern es sind richtige Menschen mit richtigen Gefühlen und du bist mit ihnen in einem gedanklichen Raum. Das ist halt wunderbar."
Drei Stücke. Drei unterschiedliche Ansätze. Und alle fordern das Publikum heraus - bis hin zur Reizüberflutung.
Autorin: Theresa Majerowitsch