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Der Spielfilm von Ronald Vietz erzählt, wie der erfolgreiche aber sinnsuchende Werber Matthias aus Ost-Berlin den letzten Wunsch seiner Mutter erfüllt. Ihre Asche soll auf der Ernst-Thälmann-Insel auf Kuba im Meer verstreut werden. Auf Kuba verbrachte sie in den 1970er Jahren als Partei-Kader die schönste Zeit ihres Lebens, von dort stammt auch der Vater von Matthias. Die Reise durch Kuba wird zum halbdokumentarischen Roadmovie, mit lakonischen Einblicken in den real existierenden karibischen Sozialismus. Die Thälmann Insel gibt es wirklich, ein unbewohntes Mini-Eiland im Süden Kubas. Fidel Castro hatte sie einst Erich Honecker "geschenkt" und ihren Strand nach der DDR benannt.
Max Riemelt spielt darin Matthias. Der nennt sich einen "schillernden" Einwohner der Hauptstadt. Mit allem, was dazu gehört: Eigentumswohnung, cooler Job und "immer Kohle in der Tasche". Kontakt zu seiner Mutter hat er schon lange nicht mehr, als er plötzlich ein Paket mit ihrer Asche erhält und dem Wunsch sie auf der kubanischen Insel zu verstreuen.
Seine Mutter, eine leidenschaftliche Kommunistin, verliebte sich irgendwann in den Kubaner Ernesto, der sein Vater wurde. Matthias verlässt sein westliches Single-Dasein und macht sich auf den Weg in eine fremde Heimat.
Ronald Vietz, Regisseur
"Er ist wirklich so ein ganz moderner Vertreter, wonach wir gerade streben. Ich glaube, wenn man sich sozusagen glücklich schätzen kann, alles erreicht zu haben, merkt man dann doch, vielleicht fehlt etwas. Da wir auch über Heimat reden ist ein ganz großer Bestandteil davon auch Identität: Kann ich das Leben, was ich bin? Und wollen Leute das auch haben? Also kann ich in der Gesellschaft ein Teil sein mit dem, was ich eigentlich zu geben habe."
Auf der Suche nach der Insel begegnet er Sofia.
Filmausschnitt, Ernesto's Island, Regie: Ronald Vietz
"Hallo, ich bin Matthias. Du sprichst Deutsch? Nein? Hallo?"
- "Hallo!"
"Wie gehts?"
Matthias bittet Sofia ihm bei seiner Suche zu helfen und bietet kostbare Devisen. So bereist er Kuba, eine der letzten Bastionen einer sozialistischen Utopie.
Ronald Vietz, Regisseur
"Der Film ist ja dokumentarisch entstanden. Und dabei haben wir natürlich auch die Leute und die anderen Protagonisten und ihre Geschichten kennengelernt."
Max Riemelt, Schauspieler
"Es war auch der spannendste Aspekt, also dass man dort hinfährt und nicht perfektionistisch, ganz konventionell ein Drehbuch abarbeitet, sondern, dass wir die Geschichte von den Leuten erst einmal kennenlernen und dementsprechend auch das Drehbuch dann wiederum anpassen."
Matthias trifft auf die Familie seines Vaters, auf seine Halbgeschwister, die er nur einmal als Kind bei einem Besuch auf Kuba kennengelernt hatte.
Filmausschnitt, Ernesto's Island, Regie: Ronald Vietz
"Das bin ich, du und Oskar. Hast Du Familie?"
- "Ich hatte keine… Ich weiß es nicht… Ich arbeite viel. Ich bin viel beschäftigt und manchmal vergesse ich…"
"Okay, das macht nichts. Jetzt hast Du eine Familie."
So lernt er einen Vater kennen, den er nie wirklich hatte. Und dessen Ideale. Er begreift sie als Teil seiner Herkunft. Matthias erfährt eine menschliche Nähe, die sein eigenes Leben in Frage stellt. Für Sofia bleibt er ein Fremder, der keine Ahnung hat, wie verloren die Ideale seines Vaters in diesem Land längst sind.
Filmausschnitt, Ernesto's Island, Regie: Ronald Vietz
"Was ist los mit Dir? Warum haust du ab, ohne etwas zu sagen."
- "Weil ich nichts mehr hören will, von dieser dummen Revolution!"
"Dein Vater profitiert von diesen dummen Ideen, für die mein Vater gekämpft hat."
- "Du weißt gar nichts. Schon gar nichts über meinen Vater. Und du kennst deinen nicht, weißt du warum? Weil diese dummen Ideen waren für ihn wichtiger als du."
"Ich habe dich für klüger gehalten. Aber du bist einfach zu jung, um das zu verstehen."
- "Genieß es, Du Idiot!"
Max Riemelt, Schauspieler
"Die Reise ist nicht nur ein Roadtrip, um Leute zu treffen, sondern auch eine innere Reise, um seine Identität noch einmal festzustellen beziehungsweise zu reflektieren, was es mit der Vergangenheit auf sich hat. Und das wiederum bringt ihn dazu zu verstehen, was jetzt sein Platz in der Welt ist und was er vielleicht auch in Zukunft möchte."
Filmausschnitt, Ernesto's Island, Regie: Ronald Vietz
"Träumt nicht jeder davon, sich auf den Weg zu machen? Den Ort selber zu bauen, den man braucht? Sie hatten diese große Lust auf Aufbruch, gemeinsam etwas wollen. Sie waren wie Freunde und teilten einen Traum. Das ist jetzt fast 50 Jahr her."
Die Insel "Ernst Thälmann" wird für Matthias zu "Ernesto’s Island", zur Insel seines Vaters, seiner Eltern. Der Weg dorthin ist eine Reise zu sich selbst. Das klingt vielleicht kitschig. Dieser Film ist es nicht.
Autor: Lutz Pehnert