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Es sollte ein Happy End werden. Die ersten 20 der viel diskutierten Benin Bronzen wurden an Nigeria zurückgegeben. Alles war genau geplant: ein Teil der Kunstschätze bleibt im Humboldt Forum noch für 10 Jahre zu sehen und auch in Nigeria sollten die Statuen dann ein Museum bekommen. Doch jetzt hat die scheidende nigerianische Regierung die Bronzen weitergereicht, an den Oba von Benin, dem Erben des ehemaligen Königreichs. Damit sind sie jetzt in privaten Händen. Er allein entscheidet. In Deutschland wird das jetzt heftig diskutiert: was bedeutet das zukünftig für die Rückführung von Raubkunst?
Am 18. Dezember 2022 landet in Nigeria die Regierungsmaschine aus Berlin – im Gepäck, die ersten 20 von Hunderten wertvollen Benin Bronzen aus Deutschland. Die Rückgabe der Raubkunst durch Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth - das sollte eigentlich das Happy End der jahrelang heftig geführten Debatte sein. Jetzt aber sind die Bronzen gar nicht mehr in Besitz des Staates Nigeria, sondern per Dekret an den Oba Ewuare II gegangen und Berlin wurde nicht mal informiert. Claudia Roth verteidigt die Rückgabe trotzdem.
Claudia Roth, Kulturstaatsministerin
"Vor allem gehört es nicht uns. Und weil es nicht uns gehört, ist es nicht an uns zu entscheiden, was damit passiert, sondern erstmal geben wir etwas zurück. Ob die in den Besitz der alten Königsfamilie in Benin zurückgeführt werden, das ist eine innernigerianische Auseinandersetzung."
Naiv und schlecht verhandelt, meint dagegen die Opposition im Bundestag bei einer aktuellen Stunde zum Thema in der vergangenen Woche: Die Rückgabe sei ein Desaster.
Marc Jongen, Bundestagsabgeordneter AfD
"Wovor wir immer gewarnt haben, dass die Bronzen in private Hand gelangen könnten, das ist jetzt bereits eingetreten. Das war ein Skandal mit Ansage."
Dorothee Bär, Bundestagsabgeordnete CDU/CSU
"Bei einem solch kostbaren Kunstschatz, bei einem Welterbe, bei einem Menschheitskulturerbe, sag ich ganz offen, eben nicht Rückgabe bedingungslos und auch nicht um jeden Preis."
Darum geht es im aktuellen Streit: Dürfen die Europäer Bedingungen stellen, wenn sie doch nur zurückgeben, was sie gestohlen haben? Und das ist eindeutig bei den Benin Bronzen: sie sind Raubkunst. 1897 von britischen Truppen im Königspalast von Benin City geplündert und in alle Welt verscherbelt. Und der Oba Ewuare II ist der rechtmäßige Nachfahre des untergegangenen Königreichs. Hermann Parzinger hatte damals als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Rückgabe für die Bundesregierung mitverhandelt und kennt auch den Oba.
Hermann Parzinger, Präsident Stiftung Preußischer Kulturbesitz
"Zunächst mal, denke ich, ist schon klar, dass der König von Benin in irgendeiner Form der Oba einbezogen werden muss. Das war immer klar. Aber dass man damit automatisch gleichsetzt, wenn der tatsächlich der alleinige Eigentümer sein sollte, dann sind die Objekte so gut wie verschwunden. Dann werden sie in dunkle Kanäle verkauft und stehen nicht mehr der öffentlichen Präsentation zur Verfügung. Das halte ich für eine ziemlich gewagte Unterstellung."
Die emeritierte Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin befürchtet genau das, mit einem Zeitungsartikel hat sie die aktuelle Diskussion ausgelöst: das Kulturgut sei jetzt in Privatbesitz und der Oba könne so alleine entscheiden, ob überhaupt und wie die Bronzen ausgestellt werden.
Brigitta Hauser-Schäublin, Emeritierte Ethnologin
"Er bestimmt über die Auswahl. Er bestimmt, ob überhaupt ausgestellt wird, wo ausgestellt wird, was damit gesagt werden will oder werden soll. Und ja, natürlich wird es auch in einer, wie soll ich sagen, Hochstilisierung von ihm selbst. Das sind Machtinstrumente. Dazu wird das dienen."
Eigentlich war es anders geplant, die Bronzen sollten in einem neuen Museum in Benin City ausgestellt werden. Dieses Edo-Museum ist im Bau – Richtfest im Herbst geplant - und die Bundesregierung bezuschusst das Haus mit rund 5 Millionen Euro. Der Oba heißt es, will jetzt sein eigenes Museum bauen. Per Dekret hatte der scheidende nigerianische Präsident die Bronzen übertragen – alles weitere ist noch völlig unklar.
Claudia Roth
"Der Sinn dieses Museums ist, dass eine Museums-Kooperation auf Augenhöhe passiert. Und ich gehe sehr davon aus, dass diese innernigerianischen Auseinandersetzungen, die auch mit einem Regierungswechsel etwas zu tun haben, in Richtung, klar wollen wir die Bronzen zeigen, ausgehen wird."
Wenig diskutiert bisher: das Königreich Benin war am Sklavenhandel beteiligt: sie jagten damals in den Nachbarregionen Menschen und verkauften sie dann an die Europäer. Bezahlt wurden sie mit den sogenannten Manillen – und daraus entstanden dann die Bronzen. In den USA fordert eine Gruppe von Nachfahren der Sklaven eine Beteiligung an den Bronzen. Sie sehen die Übergabe an den Oba aber tatsächlich positiv.
Deidria Farmer-Paellmann, Restitution Study Group
"Der Oba hatte einen Berater geschickt, der sich mit uns zusammengesetzt und unseren legitimen Anspruch als Miteigentümer anerkannt hat. Die nigerianische Regierung hat uns nicht anerkannt und nicht reagiert."
In Philadelphia in den USA stehen auch Benin Bronzen – doch hier wird die Geschichte des Sklavenhandels erzählt. Rückgabe ist kein Thema.
Hermann Parzinger, Präsident Stiftung Preußischer Kulturbesitz
"Der Sklavenhandel hat natürlich auch mit den Europäern zu tun. Das war eben der große Bedarf an Arbeitskräften der Neuen Welt. Also auch hier sind europäische und afrikanische Geschichte verflochten und es zeigt nur, wie schwierig es ist, hier diese einfachen Schwarz-Weiß-Schemata aufzumachen. Aber aus diesem Grunde und aufgrund dieser historischen Begebenheiten jetzt zu sagen, obwohl es Europäer, in dem Fall die Briten gestohlen haben, eine Militäraktion geraubt haben, weiterverkauft haben, `wir müssen das nicht zurückgeben´. Das wär für uns doch eine billige Ausrede."
Im Humboldt Forum sind die Benin Bronzen auf jeden Fall noch 10 Jahre ausgestellt: sie sind eine Leihgabe, auch wenn jetzt nicht mehr klar ist, wem sie in Nigeria gehören. Ihre Rückgaben haben Großbritannien und auch Sachsen erstmal gestoppt. Viel Neues in der vermeintlich geklärten Debatte um koloniale Raubkunst.
Autorin: Nathalie Daiber