Welche Mythen über Gemüse sind wahr und welche falsch? Sind rohe Bohnen gefährlich? Wirkt Spargel harntreibend? Und kann Brokkoli vor Krebs schützen?

Auf Instagram, Pinterest & Co. wurde der Saft aus den grünen Stangen spätestens 2019 zum großen Hype: Ein bis zwei Gläser pro Tag sollen vielen Posts zufolge nicht nur Verdauungsprobleme lösen, sondern sogar Krankheiten bekämpfen können. Häufig genannt: Autoimmunerkrankungen wie Rheuma oder sogar Krebs. Also einfach gesund trinken? Geht leider nicht, so der Stand der Wissenschaft. Zwar steckt im Sellerie z.B. der Farbstoff Apigenin, der in Laboruntersuchungen schon das Absterben von Krebszellen fördern konnte und auch Entzündungsprozessen entgegen wirken kann. Allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass ähnliche Effekte auch außerhalb des Labors und über die Nahrungsaufnahme funktioniert. Studien aus dem Jahr 2009 konnten das sogar am Beispiel von Eierstockkrebs widerlegen. Sellerie ist zwar gesund und beinhaltet z.B. viel Kalium, Vitamin C und B und schützt den Magen vor zu viel Säureproduktion - eine Wunderpflanze ist er aber nicht.

Spargel ist nicht nur kalorienarm und lecker - in den Stangen steckt auch viel Vitamin C, E und Folsäure, außerdem aber vor allem: Wasser, zu über 90 Prozent. Aber liegt es nur daran, dass er als harntreibend gilt? Nein, denn tatsächlich ist was dran am Mythos vom harntreibenden Spargel: Die darin enthaltene Asparagusinsäure kann harntreibend wirken und die Nieren anregen. 
Asparagusinsäure ist eine schwefelhaltige Carbonsäure. Beim Abbau durch Enzyme nach dem Verzehr kommt es auch zu manchmal stark riechenden Verbindungen, die mancher durch den Begriff "Spargel-Pipi" kennt. Der Geruch kann - je nach Konzentration - strenger oder schwächer ausfallen.

Etwa von April bis Juni ist er für viele das Highlight: Rhabarber. Der hat nicht nur wenig Kalorien, sondern es steckt z.B. auch eine gute Portion Kalium, Eisen oder Kalzium drin. Nur von diesen Stoffen kommt wenig bis nichts im Körper an - denn so viel stimmt in Sachen Mythos: im Rhabarber steckt auch viel Oxalsäure und die bindet Mineralstoffe. Am bekanntesten ist das Phänomen in Sachen Kalzium. Die Oxalsäure trägt übrigens außerdem zum fruchtig-sauren Geschmack dieses Sauerampferverwandten bei. Folge der Oxalsäure: Die Darmschleimhaut kann die durch sie gebundenen Mineralien, wie Kalzium, schlecht oder gar nicht mehr aufnehmen. Besonders viel Oxalsäure findet sich übrigens in den grünen Blätterteilen, die also besser weglassen. Unserem Körper an sich entzieht der "Kalziumräuber Rhabarber" aber keine Mineralien.

Der Brokkoli und seine Verwandten, wie z.B. Blumenkohl, haben in der Tat interessante medizinische Fähigkeiten: Sulforaphan kann daraus durch Darmbakterien freigesetzt und in den Körper aufgenommen werden. Basis sind die Glucosinolate im Brokkoli - sie schützen die Pflanze vor Stress durch Schädlinge oder andere Umwelteinflüsse. Für den Menschen wirken sie krebsprotektiv. Einige Forscher aus den USA, aber auch vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenanbau in Großbeeren gehen davon aus, dass drei bis fünf Portionen pro Woche schon den Effekt einleiten könnten. Es wird aber auch daran geforscht, Darmbakterien zu einer effizienteren Aufnahme zu bringen. Studien aus Heidelberg  konnten außerdem zeigen, dass der Stoff aus Brokkoli und seinen Verwandten auch Effekte der Chemotherapie verstärken kann.

Ab einer bestimmten Menge ja: Also Vorsicht beim Naschen aus dem Beet. Schon sieben rohe Bohnen können zu Bauchschmerz, Kopfschmerz oder Durchfallerkrankungen führen. In extremen Fällen und bei größeren Mengen drohen Darmschäden. Der Grund ist eine giftige Eiweißverbindung, Phasin, das die Pflanzen als Abwehrstoff gegen Fressfeine bilden. Durch Hitze bei der Zubereitung wird es unschädlich gemacht. Ähnliche ungesunde Nebenwirkungen wie die grüne Bohne entfalten übrigens Bitterstoffe, die Kürbisgewächse wie die Zucchini zur Verteidigung einsetzen: die Cucurbitacine. 

Sie geben dem leuchtend orangefarbenen Möhrchen die Farbe: Carotinoide, zu denen auch Beta-Carotin gehört. Der Körper kann es in Vitamin A wandeln - daher der Ruf der Karotte gut fürs Auge zu sein. In Leber, Fett und Haut werden nicht benötigte Carotinoide eingelagert. Viel kann also zu einem leicht orangenen Hautton führen. Aber was kann die Karotte in Sachen Sonnenschutz? Leider weniger, als oft angepriesen: Auch wenn der in der Haut gelagerte Stoff leicht ähnliche Eigenschaften wie das schützende Melatonin hat, kann es auch in noch so hohen Dosen keine Sonnenmilch ersetzen. Einige Hautärzte gehen maximal von einem Lichtschutzfaktor 2 bis 3 aus, den man sich "anfuttern" kann. Nur wäre dieser schützende Färbeeffekt selbst beim Verzehr von einem Kilo roher Karotten nicht zu schaffen - und das Bundesinstitut für Risikobewertung, wie auch die Bundesverbraucherzentrale  warnen aus gesundheitlichen Gründen vor der Einnahme großer Mengen Beta-Carotins in Kapselform.

Der rote Blutfarbstoff Hämoglobin ist extrem wichtig für uns: Der eisenhaltige Proteinkomplex ist zentraler Bauteil der roten Blutkörperchen, die Sauerstoff in den Körper und Kohlendioxid aus dem Körper heraus transportieren. Wie die Farbe andeutet, steckt auch in der Roten Bete viel Eisen: ca. 1 mg auf 100 g. Das entspricht etwa dem, was ein Erwachsener pro Tag braucht - doch aus der Nahrung kann der Darm nur 10-15 Prozent aufnehmen. Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) darum: 10-15 mg pro Erwachsenem am Tag. Hilft Rote Bete dann wenigstens in großer Menge bei der Blutbildung? Jein, denn es gibt noch einen Haken: Eisen aus Pflanzen muss im Darm erst gewandelt werden - so geht noch mehr vom wichtigen Stoff verloren. Die besten Eisenlieferanten sind laut vielen Ernährungsforschern Fisch und Fleisch.

"Wehe, wenn er wieder aufgewärmt" warnt ein Sprichwort und dieser Spinatmythos hält sich hartnäckig - ist aber falsch. Wurde der Spinat z.B. am Vortag rasch runtergekühlt und wird dann wieder aufgewärmt, gibt es in der Regel kein Problem beim Verzehr. Und falls doch, hat das nichts mit angeblichen Giften im grünen Gemüse zu tun, sondern - wie bei allem anderen Lebensmitteln auch - gilt einfach ein sorgsamer Umgang mit dem Schutz vor Keimen, die sich nun mal gern in feucht-warmer Umgebung vermehren. Also: Wer die Portion Spinat nicht mehr schafft - nicht lange rumstehen lassen, sondern Topf abdecken und kühl stellen, dann gibt der Spinat noch eine leckere zweite Mahlzeit ab.