Die Power junger Pflanzen für die Gesundheit nutzen - diese Idee steckt wesentlich hinter dem Verzehr von Sprossen, Keimlingen oder Microgreens. Dabei wird frisch geerntet - neben dem Kochtopf. In den Jungpflanzen stecken Vitamine, Mineralien, sekundäre Pflanzenstoffe - hoch konzentriert. Einige werden als Ergänzung medizinischer Therapien erforscht. Andererseits sind Sprossen anfällig für Keimbefall. rbb Praxis liefert wichtiges Wissen Bild für Bild.

Weil der Pflanzennachwuchs auch unter widrigsten Umständen beste Startchancen für das Leben und Überleben haben soll, steckt im Saatgut eine geballte Portion Energie in chemisch komprimierter Form. Während des Keimungsprozesses werden z.B. Proteine und Kohlenhydrate zum Wachstum der Pflanze umgewandelt - diese Wandlungsprozesse machen Vitamine, Mineralien, Proteine und Kohlenhydrate auch für den Menschen besser aufnehm- und verwertbar.

Vorab: Nicht alles rund um gesunde Inhaltsstoffe in Keimlingen, Sprossen oder Microgreens ist schon in Gänze erforscht. Allerdings stecken im sprießenden Nachwuchs von z. B. Gemüsesorten oft überproportional viele Vitamine und Nährstoffe auf kleinem Raum.

Pflanzen, die Anthocyane enthalten - und deshalb intensiv rot, lila oder blau werden, wie Rotkohl oder blauer Brokkoli - enthalten allerdings nachweislich eine antioxidative Wirkung. Den Pflanzen - und uns Menschen - helfen Antioxidantien u. a. gegen Zellstress. Das kann zum Schutz vor Krebserkrankungen oder auch Herz-Kreislauferkrankungen beitragen. So eine schützende Wirkung ist z.B. auch für die Vitamine C, B2 und E bekannt.

Wer sich beispielsweise Brokkoli oder Senf zieht, profitiert - genau wie beim Essen der großen Gemüsevarianten - außerdem vom gesunden Senföl darin. Sogenannte Senfölglykoside wurden in Studien mit einem verminderten Risiko für Nierenkrebs in Verbindung gebracht. Außerdem wirken sie antientzündlich. Forschende an der Universität Heidelberg haben Brokkolisprossen auch mit geschwächtem Krebswachstum und einem vermehrten Angriff von Tumorstammzellen in Zusammenhang gebracht. Dabei ging es um das Senföl Sulphoraphan.

Zuerst einmal: Im allgemeinen Sprachgebrauch gibt es viel Wirrwarr um den Unterschied zwischen Keimlingen und Sprossen, tatsächlich geht es aber um verschiedene Wachstumsstadien.
Keimlinge sind die Babys unter den Jungpflanzen: Streng genommen ist hier nämlich wirklich nur der erste Austrieb aus dem Saatgut gemeint, samt Blättchen - und zwar die ganze Pflanze (im Gegensatz zur Sprosse, wo es um den Stängel und das erste Blattwerk darüber geht).

Für Verwirrung kann auch sorgen, dass oft auch von Grünkeimlingen die Rede ist, obwohl dabei nur die "Sprossen", also Stängel und erstes Grün, geerntet werden durch Scherenschnitt. Wer hier die klassische Kresse vor Augen hat weiß: Die Wurzeln werden in der Regel nicht mitgegessen.

Bei Sprossen geht es, wie gesagt, um den Stängel und die ersten Blätter der jungen Pflanze, die meist auch schon Wurzeln aus dem Saatgut heraus ausgebildet hat. Sprossen kann man gut auf Anzuchterde oder Pflanzmatten ziehen. Wie die jungen Keimlinge auch brauchen sie ein feuchtes, helles Umfeld - weniger sensibel werden sie später als Mikrogrün werden.

Alternative: Ein Sprossenglas (das man genau betrachtet auch Keimlingsglas nennen könnte). Hier wird das Saatgut, z. B. Bohnen oder Linsen, eingeweicht und dann in ein Glas mit Gitterdeckel gegeben, aus dem man die Feuchtigkeit gut und komplett abschütten kann. Mehrmals täglich wird dann intensiv gespült und das Glas zum Abtropfen schräg gestellt, damit Bakterien und Schimmel wenig Angriffsfläche haben.

Microgreens sind sozusagen die Teenager unter den jungen Keimlingen. Je nach Art sind das gekeimte Pflanzen, die schon 2-3 Blätter bzw. Blattpaare ausgebildet haben. Auch hier wird bei der Ernte am Stängel abgeschnitten - also nicht der ganze Keimling samt Saat verzehrt.

In der Regel sind Microgreens nach ein paar Wochen erntereif. Gute Gemüsesaaten für Microgreens sind laut Verbraucherzentralen z. B. Rote Beete, Spinat, Senf oder auch die gute alte Kresse, wenn man sie etwas wachsen lässt.

Zum Ziehen der kleinen Pflanzen aus Saatgut ist ein feuchtes Milieu gefragt - in der Regel werden auch für den privaten Hausgebrauch kleine Stücke von Kokos- oder Ziehmatten als Set mit den Samen angeboten. Die Matten werden stark durchfeuchtet und die Samen darauf platziert. Für Sprossen lässt man die Keime einweichen und schüttet sie dann in ein Sprossenglas ab. Da feuchte, warme Milieus auch für die Vermehrung Bakterien und Pilzen gut geeignet sind - und Desinfektionsmittel sich keinesfalls an zu verzehrenden Lebensmitteln anbieten - kommt es einerseits auf eine sichere Saatgutquelle und dann auf hygienischen Umgang bei der Anzucht an.

Helfen kann eine gute Durchlüftung an der Stelle, an der die Keimsets aufgestellt werden. Bei Sprossen gutes und wirklich regelmäßiges Spülen im Glas und mehrfaches Wenden, um dauerhaft feuchte Stellen zu vermeiden. Wird irgendwo Schimmel entdeckt - vernichten sie das Set und gehen kein Risiko ein.

Um kein Risiko einzugehen, muss man nicht gänzlich auf Sprossen und Keimlinge verzichten. Auch das Blanchieren kann helfen - durch die kurze, starke Hitzeeinwirkung werden Keime abgetötet. Allerdings leiden auch hitzeempfindliche Vitamine unter der Behandlung. Besondere Vorsicht ist für Kinder, Schwangere und Immungeschwächte geboten.

2011 kam es vor allem in Norddeutschland zum vermehrten Auftreten eines sogenannten hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS), das mit starken Durchfällen in Erscheinung trat. Bei diesem Syndrom werden in der Regel durch Bakteriengifte Zellen beschädigt, vor allem Blutzellen und solche in den Nieren. Als Ursache machten u.a. das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Robert Koch-Institut (RKI) Erreger durch verunreinigte Bockshornkleesamen aus, die zu Sprossen gezogen worden waren. Diese vermuteten Erreger waren enterohämorrhagische Escherichia coli, kurz EHEC genannt. Über 50 Menschen starben damals an den Folgen der Infektion.