Symbolbild für Schwindel: Treppe in der IHK in München (Quelle: imago/Falk Heller)
Bild: imago/Falk Heller

Ursachen, Auslöser, Begleiterscheinung - Schwindel – was steckt dahinter?

Viele Menschen leiden unter Schwindel. Die Symptome reichen vom plötzlichen Blackout bis zu anhaltendem Drehschwindel oder Lagerungsschwindel bei bestimmten Körperhaltungen. Eine präzise Diagnose ist im Einzelfall oft schwierig - aber es gibt Hilfe.

Der Boden schwankt unter den Füßen, Schwindel nimmt die Bodenhaftung und macht im Raum orientierungslos. Die Welt von Millionen Menschen dreht sich – in völlig harmlosen Alltagssituationen oder nachts in der Horizontalen. Neben Kopf- und Rückenschmerzen gehört das Symptom Schwindel zu den häufigsten Beschwerden, die Menschen zum Arzt führen: Über zehn Prozent der Patienten beim Hausarzt klagen über Schwindelgefühle.

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Wie funktioniert unser Gleichgewichtssystem?

Schwindel gilt als Alarmzeichen des Gehirns; er ist ein Hinweis darauf, dass etwas in dem System, das unser Gleichgewicht regelt, gestört ist. Normalerweise bezieht das Gehirn seine Informationen für das Gleichgewicht aus drei Quellen:
 
· dem Gleichgewichtsorgan im Ohr,
· den Augen und
· den Bewegungsmeldern in Muskeln, Gelenken und Haut, der so genannten Tiefensensibilität.
 
Damit sie reibungslos funktionieren, müssen alle Teile des Gleichgewichtssystems und das Gehirn insgesamt gut mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt sein. Schaltzentrale für alle Wahrnehmungen ist ein Kerngebiet im Hirnstamm, zu dem auch das verlängerte Rückenmark gehört. Das Gehirn verarbeitet die Informationen und setzt sie so um, dass alle Bewegungen aufeinander abgestimmt sind und wir uns ganz selbstverständlich im Alltag bewegen. Dazu speichert es die notwendigen Bewegungsabläufe, die wir dann meist völlig unbewusst ausführen.

So entsteht Schwindel

Schwindel entsteht, wenn die Sinne widersprüchliche Informationen über unsere Position im Raum an das Gehirn liefern. Eine solche Diskrepanz entsteht beispielsweise, wenn die Augen registrieren, dass sich die Umgebung bewegt, die Nerven der Muskeln jedoch Stillstand vermitteln.
 
Häufig passiert das bei der Seefahrt: Wenn die Signale an das Gehirn nicht mit denen der Augen zusammenpassen, funkt das Gehirn SOS und legt den Körper mit Schwindel, Übelkeit oder Erbrechen lahm.

Schwindel hat viele (gute) Gründe

Insgesamt sind mehr als 100 Ursachen für Schwindel bekannt. Untersuchung und Diagnose sollten darum durch einen möglichst auf Schwindel spezialisierten HNO-Arzt, Neurologen oder Internisten erfolgen.
 
Schwindel ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Anzeichen ganz verschiedener organischer Erkrankungen. Dazu gehören:
 
· Störungen des Gleichgewichtsorgans im Innenohr,
· ein zu hoher oder zu niedriger Blutdruck,
· Herzrhythmusstörungen und Diabetes,
· seltene Hirntumoren,
· psychische Ursachen,
· manchmal auch Alkoholmissbrauch.
 
Selbst Infektionen, z.B. mit Herpesviren, können Auslöser sein. Beim so genannten Morbus Menière sammelt sich Flüssigkeit im Innenohr (Endolymphhydrops).
Schwindel begleitet auch Erkrankungen wie Diabetes oder Herzkreislaufstörungen. Oft gerät die Welt auch ohne handfeste Gründe aus den Fugen.

Frühe Behandlung notwendig

Damit Schwindel nicht chronisch wird, sollte er so früh wie möglich behandelt werden: je nach Ursache mit Medikamenten, physikalischen oder psychotherapeutischen Verfahren, manchmal auch operativ.
Je länger eine organisch bedingte Schwindelerkrankung nicht behandelt wird, desto größer ist die Gefahr, dass sich daraus ein psychogener Schwindel entwickelt. Meist in Form des so genannten phobischen Schwindels, typischerweise gepaart mit Ängsten und deren Folgen: Herzrasen, Übelkeit, Schweißausbrüchen.

Lagerungsschwindel – überreizte Sinneszellen durch "verrückte Steinchen"

Am besten bekannt ist der sogenannte gutartige Lagerungsschwindel: Er entsteht, wenn kleine Ohrsteine in einem der drei Bogengänge des Innenohrs verrutschen und die Sinneszellen des Gleichgewichtsorgans irritieren – beispielweise durch ein Schleudertrauma oder nach längerer Bettlägerigkeit. Die "verrückten Steinchen" verursachen Schwindel und Übelkeit.
 
Der Dreh- oder Lagerungsschwindel ist einfach zu beheben: Der Arzt bringt die kleinen Steinchen durch gezielte Bewegungen innerhalb weniger Minuten wieder in die richtige Position. Je nachdem welcher Bogengang betroffen ist, dreht er den Kopf des Patienten beherzt um 45 Grad, legt ihn seitlich hin oder bittet Betroffene, sich schnell aufzurichten. Bei zwei Dritteln der Patienten reicht schon der erste Versuch und der Lagerungsschwindel verschwindet.

Anhaltender Drehschwindel

Diese Form des Schwindels tritt überwiegend zwischen 50 und 60 Jahren auf, eher bei Frauen als bei Männern. Betroffene leiden unter einem heftigen Drehgefühl, starker Übelkeit mit Erbrechen, Nystagmus und dem ständigen Gefühl zu fallen. Wenn sie sich schnell bewegen oder ihre Position ändern, verstärkt das ihre Beschwerden. Ruhe und eine liegende Position bessern Schwindel und Übelkeit nicht.
 
Bei dieser Form des Schwindels ist häufig der Gleichgewichtsnerv entzündet, beispielsweise durch Herpesviren. Durch die Entzündung schwillt der Nerv an und kann die aus dem Sinnesorgan empfangenen Informationen nicht mehr oder nur noch unvollständig weiterleiten.
 
Der Arzt diagnostiziert die Nervenentzündung mittels Ohrspülung. Dafür gibt er dem Patienten im Wechsel kaltes und warmes Wasser ins Ohr. Das Wasser gelangt in die Nähe des Innenohrbereiches, der über feine Sinneshärchen verfügt. Je nach der Temperatur des Wassers werden die Sinneshärchen in unterschiedliche Richtungen gelenkt. Über den Gleichgewichtsreflex bewegen sich die Augen in typischer Weise dadurch gleichmäßig in die eine oder andere Richtung. Bei einer Entzündung des Gleichgewichtsnervs dagegen bewegen sich die Augen unregelmäßig.
 
In der Regel klingen die Beschwerden nach 1 - 2 Wochen wieder ab. Linderung schaffen Kortison, das die Entzündung unterdrückt, und Medikamente, die die Viren bekämpfen.

Buchtipp

Prof. Dr. med. Dagny Holle-Lee - Die Schwindel-Ambulanz: Formen und Ursachen des Schwindels

F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung 2019
ISBN-13 : 978-3776628258

Preis: 18,00 Euro

Anfallsartiger Drehschwindel (Morbus Menière)

Der anfallsartige Drehschwindel setzt akut von einem Moment auf den anderen ein und hält in der Regel nur Sekunden bis wenige Minuten an. Betroffene haben ein starkes Drehgefühl, das oft von Übelkeit begleitet wird. Sie neigen dazu hinzufallen.
 
Eine mögliche Ursache für diese Schwindelform ist die sogenannte Menière-Krankheit (Morbus Menière). Hierbei ist das Gleichgewichtsorgan geschädigt: Aus unbekannter Ursache staut sich die Lymphflüssigkeit, so dass in der Gehörschnecke Überdruck entsteht. Dadurch reißen feine Membranen ein, die die verschiedenen Räume des Innenohrs voneinander abtrennen. Die Flüssigkeiten im Innenohr verlagern sich, so dass das Gehirn Falschmeldungen erhält.
 
Typisch für den Morbus Menière sind drei Symptome, die gemeinsam auftreten:
 
· Schwindel,
· einseitiger Hörverlust und
· Tinnitus.
 
Möglich sind auch Schweißausbrüche, Erbrechen und Druck auf dem erkrankten Ohr. Typischerweise leiden Frauen zwischen 45 und 60 Jahren unter der Menière-Krankheit. Oft heilt sie innerhalb von fünf Jahren spontan ab.
 
Solange erhalten Patienten Medikamente, welche die Übelkeit lindern oder den Druck im Ohr senken. Treten trotz Behandlung erneut Anfälle auf, kann de Arzt ihnen das Antibiotikum Gentamicin ins Mittelohr spritzen. Es betäubt das gestörte Gleichgewichtsorgan dauerhaft. Andere Möglichkeiten sind operative Eingriffe oder eine so genannte Labyrinth-Anästhesie, bei der das Gleichgewichtsorgan durch Betäubungsmittel ruhig gestellt wird.

Psychogener Schwindel

Schwindel kann aber auch psychisch bedingt sein, also unter Stress in bestimmten Situationen auftreten, die Menschen als unangenehm empfinden. Einige Patienten entwickeln Schwindel aus Krisen und Belastungssituationen heraus. Der Schwindel hält auch dann an, wenn die Krise längst ausgestanden ist.
 
Auch Angsterkrankungen kommen im Zusammenhang mit Schwindel vor. Diese Patienten schwindelt es in Kaufhäusern, beim Gehen über hohe Brücken oder in öffentlichen Räumen. Der Angstschwindel kann sich zur Phobie auswachsen. Es entsteht ein Teufelskreis. Bereits die Angst vor dem Schwindel sorgt dann für Schwindel.

Zwischen Angst und Realität

Typisch für den psychogenen Schwindel ist die Diskrepanz zwischen dem eigenen Erleben und der Realität: Obwohl Betroffenen ständig schwindelig ist und sie Angst haben zu fallen, absolvieren sie Gleichgewichtstests ohne Fehler. Kein Wunder, die Gleichgewichtsorgane funktionieren ja.
 
Die Behandlung konzentriert sich auf den Auslöser des psychogenen Schwindels. Bei manchen Patienten reicht es schon, wenn der Arzt körperliche Ursachen ausschließt. Patienten mit psychiatrischen Störungen, Angsterkrankungen und Phobien brauchen häufig eine Psychotherapie. Ergänzend kann ein Gleichgewichtstraining helfen. Es stärkt das Gefühl, auch mit wackligen Untergründen und Situationen fertig zu werden.

Sonderfall: Migräneschwindel (Vestibuläre Migräne)

Bei der sogenannten vestibulären Migräne hängt der Kopfschmerz – wie der Name übersetzt verrät – mit dem Gleichgewichtsorgan zusammen. Das Schwierige dabei: Bei der vestibulären Migräne oder dem "Migräneschwindel" können die migränetypischen, extremen Kopfschmerzattacken fehlen oder zeitversetzt auftreten.
Dafür überlappen die Symptome von Morbus Menière und Migräneschwindel: Gleichgewichtsstörungen, Drehschwindel, Übelkeit, Gangunsicherheit und Tinnitus. Die Kunst besteht darin, beide Krankheiten voneinander abzugrenzen und damit auch verschiedene Therapiekonzepte anzubieten.
 
Typischerweise treten die Migräneattacken mit Schwindelerscheinungen verstärkt in Erscheinung
 
· in Stress- und Belastungsphasen,
· bei Schlafmangel,
· bei unregelmäßigem Essen oder
· Flüssigkeitsmangel.

Die Hilfe setzt am Lifestyle an

In der Therapie geht es daher in erster Linie darum, bestimmte Belastungen zu vermeiden oder Belastungserscheinungen zu lindern. Betroffenen helfen Entspannungsverfahren oder Verhaltenstherapie, bei der sie lernen, bestimmte Anforderungen abzuwehren. Ausdauersport kann die Migräneattacken verringern.
 
Patienten, die sehr heftige akute Attacken mit Übelkeit oder Erbrechen haben, können ein schwindeldämpfendes Medikament nehmen. Bei häufigen Attacken ergibt eine Prophylaxe mit bestimmten Medikamenten Sinn. Bekannte Auslöser wie Alkohol sollten vermieden werden.

Wirksame Therapien bei Schwindel

So vielfältig die Ursachen, so unterschiedlich sind auch die Behandlungsmöglichkeiten von Schwindel. Sie reichen von medikamentösen Therapien über physio- und psychotherapeutische Behandlungen bis zu chirurgischen Eingriffen. Begleitend können Betroffene selbst viel tun, indem sie sich in Bewegung halten. Aktivität reizt das Gleichgewichtsorgan und hält es in Schwung. Je mehr sich die Patienten hingegen schonen, desto größer wird ihre Unsicherheit.

Beitrag von Constanze Löffler

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