Neues vom Hauptstadtkongress Gesundheit - Schöne neue Medizinwelt

Die Digitalisierung der Medizin ist nicht mehr aufzuhalten: elektronische Gesundheitskarte, digitale Patientenakte, telemedizinische Überwachung von Risikopatienten - das sind nur einige Beispiele. Auch auf dem diesjährigen Hauptstadtkongress Gesundheit sind eHealth und Big Data Schwerpunkte zahlreicher Veranstaltungen.

Der Begriff eHealth ist ein Kunstbegriff, der "Elektronik" und "Gesundheit" zusammenfassen will. Hinter diesem schillernden Wort verbergen sich verschiedene Anwendungen, die manche gar nicht unbedingt mit eHealth in Verbindung bringen. So etwa Apps für das Smartphone, mit denen man sein persönliches Risikoprofil durch den Pollenflug abrufen kann. Oder die telemedizinische Fernüberwachung von Risikopatienten mit Herzschwäche. Auch die Übersetzung von Arztbriefen durch Medizinstudenten auf der Webseite www.washabich.de gehört letztlich zu diesem Themenkomplex. Generell hat das Internet dazu beigetragen, dass Informationen über Gesundheit allgemein zugänglicher geworden sind. Patienten sind informierter und nehmen daher auch vermehrt Einfluss auf ihre eigene Behandlung.

Die WHO hat 2005 definiert, dass "eHealth den kostengünstigen und sicheren Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien beschreibt, um die allgemeine Gesundheit zu fördern." eHealth meint zudem die Verbreitung von Patientendaten an die beteiligten Akteure des Gesundheitswesens. Mit elektronischen Patientenakten und Notfalldaten auf der Versichertenkarte sollen Informationen leichter zugänglich sein – zur besseren Versorgung der Patienten. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hat hierzu einen Gesetzesentwurf formuliert. Konkret heißt er "Gesetzesentwurf für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen" (eHealth-Gesetz). Am 27.Mai 2015 wurde dieser Gesetzesentwurf beschlossen und geht damit in die parlamentarische Abstimmung.

Elektronische Gesundheitskarte

Herzstück des eHealth-Gesetzes ist die elektronische Gesundheitskarte, die seit 1. Januar 2015 für alle Versicherten verpflichtend ist. Bislang werden auf ihr nur die sogenannten Stammdaten gespeichert. Das sind Name, Geburtsdatum, Anschrift, Geschlecht, Krankenversicherung, Krankenversicherungsnummer und Versichertenstatus. Jedes Quartal werden diese Stammdaten beim Arzt abgeglichen. Adressänderungen können so zum Beispiel abgespeichert werden, ohne dass man eine neue Versicherungskarte braucht. Die Rückseite der elektronischen Versicherungskarte kann als "Europäische Krankenversicherungskarte" genutzt werden.
Diese Stammdaten sind verpflichtend auf der Versichertenkarte abgespeichert. In Zukunft sollen aber noch weitere Patientendaten auf der Karte abgespeichert werden können – das allerdings freiwillig. Das heißt, jeder Versicherte entscheidet selbst, welche Daten auf die Karte kommen; er kann jederzeit auch Daten löschen lassen. Zunächst ist dabei an Daten gedacht, die bei einer Notfallversorgung wichtig sind, wie etwa bestehende Allergien oder Vorerkrankungen. Diese Daten sollen ab 2018 auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden können. Auf sie hat der behandelnde Arzt im Notfall Zugriff, ohne dass er eine PIN eingeben muss. Ansonsten werden alle Daten auf der Karte nur lesbar sein, wenn der Patient vor der Behandlung eine PIN eingibt und der Arzt seinen so genannten Heilberufsausweis in das Kartenlesegerät gibt.

Bereits ab Oktober 2016 haben alle Patienten, die mehr als drei Medikamente einnehmen, einen Anspruch auf einen sogenannten Medikationsplan, der für mehr Sicherheit in der Arzneimitteltherapie sorgen soll. Auch diese Daten sollen mittelfristig auf der elektronischen Gesundheitskarte abgespeichert werden. Andere Informationen, die auf der Karte zukünftig abzulesen sind, wären die Bereitschaft zur Organspende und letztendlich auch die gesamte Patientenakte. Ab 2016 sollen Arztbriefe und Entlassungsbriefe ebenfalls elektronisch verschickt werden. Zwei Jahre lang gibt es dafür einen finanziellen Anreiz für die Ärzte: für jeden elektronisch verschickten Arztbrief 55 Cent, für jeden Entlassungsbrief einen Euro. Damit soll ein Anreiz für Ärzte und Krankenhäuser geschaffen werden, die neuen Strukturen auch zu nutzen.

Für die Übermittlung der Daten wird - unabhängig vom Internet - ein eigenes Datennetz aufgebaut, die sogenannte Telematik-Infrastruktur. Wie ein Straßennetz soll sie alle Beteiligten im Gesundheitswesen verbinden, damit der Datenaustausch schnell und sicher erfolgen kann. Diese Infrastruktur existiert allerdings noch nicht. So lange wird versucht, die Standards der verschiedenen IT-Systeme im Gesundheitsbereich transparenter zu machen und für mehr Standardisierung zu sorgen (Interoperabilitätsverzeichnis).

Bevor die Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte an den Start gehen kann, wird sie ab Herbst 2015 in der Praxis erprobt werden. Beteiligt sind 100 Ärzte und zehn Krankenhäuser in Sachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Versicherte, die eine diese Praxen oder Krankenhäuser aufsuchen, nehmen automatisch am Test Teil.

In dem geplanten eHealth Gesetz werden klare Termine gesetzt, damit die Umsetzung nicht weiter aufgeschoben wird. Bis zum 30. Juni 2016 müssen alle Arztpraxen und gesetzlichen Krankenkassen die Versicherten-Stammdaten elektronisch austauschen, mit Ausnahme der Zahnärzte. Passiert das nicht, droht Ärzten und Krankenkassen eine Kürzung ihrer Vergütung bzw. ihres Verwaltungshaushaltes um ein Prozent. Ab dem 1. Januar 2018 müssen alle Ärzte in der Lage sein, Notfalldaten auf der elektronischen Versichertenkarte einzutragen. Die Verantwortung dafür trägt der Hausarzt der Versicherten, bei ihm wird auch das Backup für den Fall eines Kartenverlustes hinterlegt.

Kritiker: Die Daten sind nicht sicher

Das neue eHealth Gesetz hat auch Kritiker. So bemängelt die Bundesärztekammer, dass elektronische Arztbriefe zukünftig nicht mit einer rechtssicheren Signatur des Arztes versehen werden. Auch der Zugriff auf die Notfalldaten durch Berufsgruppen wie Masseure und Diätassistenten, wandele nach Meinung der Bundesärztekammer den Notfalldatensatz zu einer "kleinen Patientenakte" um, die nicht allein den Ärzten vorbehalten ist. Dass medizinische Daten hochsensibel sind und etwa Versicherungen daran interessiert sein könnten, ist klar. So wird von Kritikern immer wieder in Zweifel gezogen, dass die Daten wirklich sicher sind. Auch die Kosten sind Wasser auf die Mühlen der Gegner. So wird die Mehrbelastung der gesetzlichen Krankenversicherung durch das eHealth-Gesetz für 2016 auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt; 2018 sogar auf einen unteren dreistelligen Millionenbetrag. 

Telemedizin - der digitale Check

Telemedizin ist neben der elektronischen Gesundheitskarte ein weiterer Schwerpunkt des eHealth-Gesetzes. Sie soll gestärkt werden, um vor allem in ländlichen Regionen die medizinische Versorgung zu verbessern. Telemedizin ermöglicht es, mit Hilfe audiovisueller Kommunikationstechnologie, auch über räumliche Distanzen hinweg, Patientendaten zu übermitteln. Ein Beispiel ist die neurologische Begutachtung von Notfallpatienten. In ländlichen Krankenhäusern ist nicht 24 Stunden lang ein Neurologe im Dienst. Das gilt auch für das Sana Krankenhaus in Templin. Dort besteht eine Kooperation mit dem Unfallkrankenhaus Berlin. Wird in Templin ein Patient zum Beispiel mit einem Schlaganfall eingeliefert, stellt der behandelnde Arzt eine Videoverbindung zu einem Neurologen im Unfallkrankenhaus her. Der kann auf diesem Wege den Patienten sogar mit Hilfe einfacher Tests beurteilen und sich natürlich auch die CT-Bilder ansehen. So kann entschieden werden, ob etwa eine Thrombektomie, ein spezielles Verfahren zur Entfernung von Blutgerinnseln im Gehirn gemacht werden muss. Hierfür müsste der Patient dann in ein spezielles Krankenhaus eingeliefert werden, das diesen Eingriff auch durchführen kann.

Ein anderes Beispiel ist die Versorgung von Patienten mit Herzschwäche. Seit 2013 gibt es eine große Telemedizinstudie in Berlin und Brandenburg, in deren Rahmen rund 1500 Patienten mit Herzschwäche betreut werden. Sie erheben täglich selbst von zu Hause aus Daten zu ihrer Gesundheit, wie Gewicht, Blutdruck und EKG und schicken es an das telemedizinische Zentrum der Charité Mitte. Dort werden die Daten analysiert und im Bedarfsfall der Notarzt alarmiert. In den meisten Fällen reicht aber die telefonische Beratung durch speziell geschulte Schwestern, die zum Beispiel die Medikation anpassen können. Die Studie will klären, inwieweit die Patienten der Telemedizinstudie ebenso gut versorgt sind, wie Herzschwäche-Patienten im Ballungsraum Berlin mit einer hohen Dichte an Fachärzten.

Seit 2012 gibt es im Rahmen der eHealth-Initiative auch ein so genanntes Deutsches Telemedizinportal. Dort werden Informationen bereitgestellt, die an Telemedizin Interessierten zum Beispiel Aufschluss darüber geben, welche Projekte in Deutschland bereits existieren. So soll doppelte Arbeit vermieden werden; außerdem will man auch die Entwicklungszeiten für telemedizinische Projekte verkürzen.

Beitrag von Ursula Stamm