Sport gehörte schon immer zum Leben von Gerhard Blum: ob zu Fuß oder auf dem Rad, vorwärts musste es gehen, jeden Tag dutzende Kilometer. Über Jahrzehnte war er im Leistungssport aktiv: begeisterter Rennradfahrer, Mechaniker, Funktionär und Trainer, z.B. des Frauen Bundesligateams vom Radsport Club Charlottenburg. Seine Frau Ines half als Betreuerin. Im Moment hat er keine Daueraufgaben. Der Grund ist ein Problem, das ihn in seinen 40er Jahren erstmals wie ein Hammer traf.

Die Nieren wollten nicht mehr, versagten aus unbekanntem Grund, erzählt der heute 63-Jährige: "Das traf mich damals hart - sein Leben lang versucht man sich gesund zu ernähren, gesund zu leben und dann das - eine Gemeinheit!" Gerhard Blum musste zur Dialyse, dreimal die Woche entzog eine Maschine dem Körper das Wasser, reinigte sein Blut. Auf jeden Schluck musste er achten, Familien- und Berufsleben waren nach den Dialyseterminen getaktet.

Ehefrau Ines zeigt uns einen alten Zeitungsartikel vom Berliner Kurier aus der Zeit. Gerhard Blum ließ sich auf die Liste für ein Spenderorgan setzen - und er hatte Glück: Wo andere bis zu zehn Jahre warten, war für ihn binnen sechs Monaten eine passende Niere gefunden. 1996 folgte die Transplantation. Er habe sein Leben zurückbekommen, sagt Gerhard Blum. Und er tat alles dafür, gesund und fit zu bleiben, trainierte ausgiebig, nahm damals auch wieder an Marathons teil.

Etwa 17 Jahr hielt die Spenderniere, dann begann auch sie zu versagen. "Erst wollte ich es nicht wahr haben. Im Nachhinein bin ich deshalb zu spät wieder zur Dialyse gegangen. Aber ich wollte nicht, dass mein Leben wieder so eingeschränkt sein würde", sagt Gerhard Blum heute. Schließlich kam er aber nicht mehr drum herum: Seit drei Jahren ist er wieder dreimal in der Woche im Krankenhaus. Jedes Mal stundenlang, meist nach der Arbeit, denn der 63-Jährige ist noch voll berufstätig. Aber den Sport gibt er nicht auf! Wir begleiten ihn zum Training.

12 Kilometer weit soll es heute gehen auf der Strecke in Heidesee, im Wald direkt hinter dem Haus der Blums. Nach kurzem Einlaufen kommt ein besonders sandiger Abschnitt. "Perfekter Boden für das Warm-Up! Das schont die Gelenke", sagt Gerhard Blum.

Er beginnt mit Übungen aus dem Lauf ABC und seine Augen glänzen, als er von seinem großen Ziel erzählt: "Ich würde den Marathon gerne in unter sechs Stunden schaffen. Das hab ich zuletzt geschafft kurz nach dem die Dialyse wieder losging. Damals dachte ich: Oh Gott, ist das schlecht! Aber bisher hab ich die Zeit von da nicht mehr geschafft."

Auch deshalb trainiert er so intensiv. Manchmal, sagt er, mache er seine Frau Ines damit verrückt. "Neulich wollten wir zu Freunden, die wohnen etwa 30 Kilometer weit weg. Da hab ich gesagt: 'Fahr Du mit dem Auto, ich komme mit dem Rad nach.'" Da habe sie wieder die Augen verdreht, sagt Gerhard Blum. Er wisse schon, dass er manchmal anstrengend sei, lacht er.

Aber wenn jemand frage, warum er das alles mache, sich mehrmals die Woche kilometerweit zu quälen, dann wisse auch Ehefrau Ines wieso, sagt Gerhard Blum: "Für eine neue Spenderniere! Ich will fit sein und bereit, die Werte müssen gut sein." Und wenn die Lebensqualität mit einer neuen Niere zurückkehre, wolle er nicht bei Null anfangen, weil er sich in der Wartezeit die ganze Zeit geschont habe.

Die anderen Menschen auf der Warteliste, die er bei seinen Krankenhausbesuchen trifft, kann er zwar irgendwie verstehen, aber für Gerhard Blum kommt es nicht in Frage, sich mit seinem Schicksal abzufinden. Das Training ist für ihn auch irgendwie sein Kampf - um Gesundheit, um Lebensqualität.

Für einen Dialysepatienten kann ein Marathonlauf gefährlich sein - ohne funktionierende Nieren kann man nicht trinken, wie gesunde Menschen. Jeder Schluck verschlimmert das Problem. Gleichzeitig wird durch das Schwitzen beim Laufen Wasser verbraucht - nur wieviel? "Ich habe das mit meinem Sohn mehrfach genau ausgelotet", sagt er. Mit einer Waage und Wasserflaschen seien sie zusammen losgelaufen und haben immer wieder kontrolliert, wie viel Wasser Gerhard Blum unter welchen Bedingungen verliert - und wie viel er deshalb trinken darf.

Seine Frau Ines weiß das auch. Trotzdem macht sie sich Sorgen, wenn Gerhard Blum seine langen Runden läuft: "Durch die (nicht funktionierende, Anmerk. d. Red.) Niere ist sein Blut ja auch dünner. Wenn er sich verletzt und umkippt… Die Gefahr ist eben: man geht immer wieder an seine Grenzen, da kann auch mal was passieren", sagt Ines Blum. Am Marathontag werde sie sich wohl im Garten ablenken, wenn er dann so lange weg sei. "Aber ich weiß ja auch, dass er nicht allein ist, die Kinder werden auch dabei sein." Ihre Tochter studiert Medizin und wird wohl als medizinischer Helfer auf der Strecke arbeiten.

Gerhard Blum hält das Risiko für berechenbar. Nur: Ob die Marathonärzte vom SCC Berlin das auch so sehen? Im August wird Gerd Blum es erfahren, dann ist der Untersuchungstermin beim SCC. Wir begleiten den 63-Jährigen weiter - auf seinem Weg zum Marathon. Hoffentlich.