Blaue Pille mit Schriftzug PREP (Quelle: imago / blickwinkel)
Bild: imago / blickwinkel

HIV-Prohpylaxe ist Kassenleistung - 'Die PrEP ist ein Gesamtpaket'

Ab 1. September 2019 zahlen die Krankenkassen für die sogenannte HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP), auf Deutsch "Vorsorge vor Risiko-Kontakt". Männer und Frauen nehmen die Pille ein, um sich beim Sex ohne Kondom nicht mit HIV anzustecken. Die rbb Praxis hat mit Frau Dr. med. Annette Haberl vom HIV-Center Frankfurt über die neue Prävention gesprochen.

Frau Dr. Haberl, was ist PrEP genau und wie wirkt es?

Die PrEP, also die Tablette, kombiniert zwei antiretrovirale Wirkstoffe, Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil. Zuverlässig eingenommen verhindert sie eine HIV-Infektion, indem sie die Vermehrung der HI-Viren unterbindet. Die Wirkstoffe werden seit vielen Jahren in der HIV-Therapie eingesetzt. Wir wissen also gut, dass die Leute sie auch auf Dauer vertragen.

 
 
Sie betreuen seit über 20 Jahren HIV-Patient*innen - und sehen in der neuen HIV-Prophylaxe eine große Chance?
 
Bei der PrEP sprechen wir bisher viel zu oft nur von der Pille, die vor HIV schützt. Die PrEP ist aber ein Gesamtpaket in der HIV-Prävention. Die Tablette ist eingebettet in ein Konzept, zu dem neben der Indikationsstellung, den Eingangsuntersuchungen und einem engmaschigen Monitoring auch die intensive individuelle Beratung gehört.

Warum betonen Sie das so?

Weil manchmal der Eindruck entsteht, wir würden in der Sprechstunde nur ein Rezept ausstellen und der PrEP-Nutzer geht nach Hause, schluckt jeden Tag eine Tablette und das war´s. So einfach ist es aber nicht.

Wie kam es zur PrEP?

Studien mit HIV-negativen Teilnehmer*innen haben gezeigt, dass HIV-Medikamente sie vor einer Infektion schützen. Als Konsequenz dieser Studien hat man 2012 in den USA und 2016 in Europa die Medikamentenkombination Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil (FTC/TDF) zur HIV-Prävention zugelassen.
Danach brauchte es einen Rahmen für die Umsetzung: Für wen ist eine PrEP sinnvoll, wie sieht die medizinische Begleitung aus und wer soll die Kosten tragen? Hierzulande hat die Deutsche AIDS-Gesellschaft mit ihrer Leitlinie zur PrEP einen wichtigen Beitrag für die Regulierung geleistet.

Die PrEP wurde recht schnell zur Kassenleistung.

Daran sieht man, dass die PrEP von den Akteuren im HIV-Bereich gewollt ist. Sie ist ein Meilenstein in der HIV-Prävention.

Soll das jetzt jeder nehmen?

Nein! Nicht jeder Mensch, der sexuell aktiv ist, muss jetzt eine PrEP nehmen! Die PrEP ist wirklich nur für diejenigen sinnvoll, die ein hohes Risiko haben, sich mit HIV zu infizieren – und damit für eine relativ kleine Gruppe von Menschen.

Wer ist das genau?

Männer, die Sex mit Männern haben sowie Transgender-Personen, die in den letzten Monaten analen Sex ohne Kondom praktiziert haben oder die in diesem Zeitraum eine sexuell übertragbare Erkrankung hatten. Auch Partner*innen von HIV-Positiven, die noch keine oder keine erfolgreiche Therapie haben, sind potenzielle PrEP-Nutzende. Für wen die Behandlung am Ende sinnvoll ist, klärt der Arzt am besten im Beratungsgespräch.

Würden nicht auch Kondome sicher vor HIV schützen?

Die PrEP ist ja gerade ein Angebot für diejenigen, die es nicht schaffen, konsequent Kondome zu benutzen. Sie würden also ohne PrEP kondomlosen Sex haben und sich gefährden. Jetzt können sie sich vor HIV schützen.

Lues, Gonokokken, Chlamydien – andere sexuell übertragbare Krankheiten lassen sich damit nicht verhindern.

Die sexuell übertragbaren Erkrankungen nehmen unter PrEP-Nutzern tatsächlich zu, wie eine australische Studie gerade gezeigt hat. Aber die Studie hat auch offenbart, dass der Großteil der Erkrankungen eine relativ kleine Gruppe betrifft. Wir müssen also neue Strategien entwickeln, um diese Menschen zukünftig besser vor Geschlechtskrankheiten zu schützen, vielleicht bald auch durch Impfungen.
 
Die gute Nachricht ist: Wir erkennen diese Erkrankungen durch das engmaschige Monitoring der PrEP-Nutzenden frühzeitig, auch Infektionen, die zu dem Zeitpunkt noch keine Symptome machen. Eine Syphilis zum Beispiel kann ansonsten sehr lange unentdeckt bleiben. Mit der frühen Therapie durchbrechen wir Infektionsketten.

Aber nur, wenn die Nutzer zu den Monitorings kommen.

Der Großteil der PrEP-Nutzenden nimmt die Begleituntersuchungen wahr. Sie brauchen ohnehin ein neues Rezept und kommen deshalb in die Sprechstunde. Den Menschen ist ihre Gesundheit nicht egal. Sie möchten keine Geschlechtskrankheiten haben, sondern eine frühe Diagnostik und Therapie.

Kann ich das Mittel auch notfallmäßig nach dem Sex einnehmen?

Nein, dafür gibt es die sogenannte Postexpositionsprophylaxe oder PEP: Nach einem Risikokontakt bekommen die Betroffenen innerhalb von Stunden eine vollständige HIV-Therapie, die sie vier Wochen lang einnehmen. Nach Risikokontakten folgt die Nach-Risiko-Vorsorge mit PEP. Vor Risikokontakten: Wird die PrEP über den notwendigen Zeitraum eingenommen.

Wie stark sind die Nebenwirkungen der medikamentösen Risikoprävention?

Die Nutzenden sind normalerweise gesunde junge Menschen – und das bleiben sie in der Regel auch. Gleichwohl kann die PrEP bei einigen wenigen die Nierenwerte oder die Knochendichte verändern. Zur Eingangsuntersuchung gehört deshalb ein Nierenfunktionstest. Menschen nehmen die PrEP übrigens nicht ein Leben lang. Sexualität verändert sich im Laufe der Zeit. Wenn heute ein schwuler Mann wechselnde Sexualpartner hat, heißt das ja nicht, dass das in zehn Jahren auch noch so sein wird.

Woher bekomme ich das Mittel? Und welche Kosten entstehen für mich?

Ab 1. September ist das Mittel Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Nutzer müssen abhängig von der Packungsgröße lediglich fünf oder zehn Euro dazu bezahlen. Auch die Kosten der dazugehörigen Begleituntersuchungen übernehmen die Kassen. Aktuell können das Mittel nur Ärztinnen und Ärzte verschreiben, die bereits auf die Behandlung von HIV-Patienten spezialisiert sind. Zukünftig sollen nicht nur HIV-Schwerpunktzentren, sondern beispielsweise auch Hausärzt*innen, Gynäkolog*innen und Kinderärzt*innen die Prophylaxe verordnen können. Dafür werden diese Facharztgruppen aber zunächst geschult.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Haberl!
Das Interview führte Constanze Löffler.

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