Mann starrt aus dem Bett auf Wecker (Quelle: Colourbox)
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Interview l Schlafstörungen - Machen Z-Präparate abhängig?

Wer nicht einschlafen oder durchschlafen kann, der leidet. Menschen mit Schlafproblemen wünschen sich nichts mehr, als einzuschlafen, unbedingt und sofort. Warum genau das kontraproduktiv ist und warum Medikamente nicht das Mittel der Wahl sind, erklärt Dr. Darius Tabatabei, Chefarzt der Entwöhnungstherapie-Hartmut-Spittler-Fachklinik im Interview.

rbb Praxis: Herr Dr. Tabatabai, es gibt ja verschiedene Arten von Schlafmitteln - die klassischen Tranquilizer aus der Gruppe der Benzodiazepine und die sogenannten Z-Präparate. Wie unterscheiden die sich voneinander?
 
Benzodiazepinen sind sehr tückisch. Allein in Deutschland gibt es vermutlich fast zwei Millionen Medikamentenabhängige, die von Benzodiazepine abhängig sind. Die Z-Substanzen waren vor rund 20 Jahren ein Hoffnungsschimmer. Als Z-Substanzen werden verschiedene Substanzen zusammengefasst, die alle mit dem Buchstaben Z beginnen, wie beispielsweise Zolpidem.
 
Man dachte, dass man eine Alternative entwickelt hätte, die sich positiv auf das Schlafverhalten auswirkt. In der klinischen Praxis hat sich jedoch herausgestellt, dass der physiologische Schlaf beeinflusst wird - ähnlich wie bei den Benzodiazepinen - und, dass diese Substanzen auch abhängig machen. Das war also letztlich ein Trugschluss.

In Sachen Wirkweise: Wo setzen diese beiden Schlafmitteltypen genau an?
 
Wir haben im Gehirn ein Wechselspiel von verschiedenen Botenstoffen, die auf der einen Seite anregen beziehungsweise erregen können und auf der anderen Seite aber auch beruhigen können. Wir brauchen ein ausgeglichenes Wechselspiel zwischen diesen verschiedenen Botenstoffen, die dann zu einer Aktivität oder Inaktivität von Nervenzellen führen.
 
Wenn Menschen unter Schlaflosigkeit leiden, dann kann man vereinfacht sagen, dass erregende Substanzen im Gehirn überwiegen und die neuronale Aktivität zu hoch ist, um in den Schlaf zu finden und dass die Fähigkeit zur Selbstberuhigung geschwächt ist. Die Tranquilizer greifen in dieses Gleichgewicht ein, indem sie künstlich von außen - herbeigeführt durch den Wirkstoff - für eine künstliche Beruhigung im Gehirn sorgen.

Warum machen diese Präparate so stark abhängig?
 
Die Abhängigkeit entwickelt sich dadurch, dass unter Fernbleiben des Stoffes, also Benzodiazepine oder Z-Substanz, im Gehirn wieder erregende Substanzen überwiegen und sich dadurch wieder massive Schlafstörungen entwickeln – hinzu kommt eine massive Unruhe auch am Tag. Diese Entzugssymptome von Benzodiazepin können sogar bis zu epileptischen Anfällen führen.
 
Bei Z-Substanzen ist das nicht so häufig beobachtet worden, aber auch hier kommt es beim Absetzen der Medikamente zu heftigen Entzugserscheinungen unter anderem mit starker Unruhe, Verwirrung und Schlaflosigkeit. Dadurch entsteht dann der Drang, die Medikamente weiter einzunehmen, damit sich das Befinden wieder reguliert.
 
 

Gibt es noch andere medikamentöse Alternativen zur Behandlung von Schlafstörungen?
 
Nicht als erste Maßnahme. Bei Schlafstörungen ist es wichtig in erster Linie herauszufinden, was die Ursache ist. Diese können sehr vielfältig sein. Eine Schlafstörung ist zunächst nichts, wogegen man unbedingt ankämpfen muss. Es ist in bestimmten Situationen im Leben ganz normal, dass man nicht gut schläft. Aber dadurch, dass wir Menschen uns dann unerholt fühlen, werden wir unruhig und haben den Eindruck, dass wir jetzt schlafen können müssen. Wenn ich dann mit Druck versuche einzuschlafen, wird es nicht funktionieren.

Wann spricht man überhaupt von einer Schlafstörung?
 
Es ist in dem Augenblick eine Schlafstörung, wo ich mich nachhaltig im Alltag beeinträchtigt fühle dadurch, dass ich nicht gut schlafen kann. Es hängt weniger von der tatsächlichen Schlafdauer ab. Denn wie viel Schlaf ein Mensch braucht, ist individuell erstaunlich unterschiedlich: Die einen benötigen nur sechs bis sieben Stunden, um ausgeschlafen zu sein - bei den meisten sind es eher acht Stunden. Es gibt aber auch Menschen, deren Schlafbedürfnis sehr stark ausgeprägt ist und die sich erst nach rund neun bis zehn Stunden erholt fühlen.

Was hilft jenseits von Medikamenten, um besser einzuschlafen?
 
Es gibt Empfehlungen für einen gesunden Schlaf, die in Schlafhygiene-Protokollen zusammengefasst sind. Die kann man zu Rate ziehen und schauen, ob die Grundvoraussetzungen für einen erholsamen Schlaf gegeben sind. Zum Beispiel, ob auch der eigene Lebensrhythmus kontraproduktiv für den Schlaf ist. Das sind oft ganz einfache Sachen: Wann hat man den letzten Kaffee getrunken? Hat man kurz vor dem Schlafengehen noch intensiv Sport getrieben? Meist kann auf dieser Handlungs- und Anpassungsebene schon geholfen werden.

Welche Möglichkeiten gibt es in schwereren Fällen von Schlafstörungen?
 
Es gibt die Möglichkeit in sogenannten Schlaflaboren den Ursachen näher auf den Grund zu gehen, hier kann man dann auch fachlichen Rat einholen, gegebenenfalls kann auch darüber nachgedacht werden, Substanzen zur Hilfe zu nehmen. Neben pflanzlichen Präparaten, wie beispielsweise beruhigende Tees, können auch sedierende Antidepressiva eingesetzt werden, die keine Abhängigkeit erzeugen.
 
Der Nachteil  daran ist, dass man dem Menschen wieder das Gefühl vermittelt, dass es ein Stoff ist, der den Zustand der Beruhigung herstellt – und das möchte man eigentlich vermeiden.

Herr Dr. Tabatabai, vielen Dank für das Gespräch.
 
Das Interview führte Ariane Böhm

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