Luftrettung landet beim Einsatz auf Straße (Bild: imago images/vmd-images)
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Interview l Rettung mit dem Hubschrauber - Hilfe von oben: Was einen Luftretter ausmacht

Ronald Müller ist Luftretter: Mit dem Helikopter fliegt sein Team dahin, wo der Krankenwagen nicht hinkommt – oder zu langsam wäre. Ein Gespräch über die Kunst, im Notfall Ruhe zu bewahren, den Umgang mit traurigen Einsätzen und darüber, was wirklich wichtig ist.

Herr Müller, warum wollten Sie unbedingt zur Luftrettung?
 
Ich fand Fliegen schon immer toll! Damals in der DDR wollte ich Agrar-Pilot werden. Durch Zufall bin ich dann in die Rettung gekommen, war erst beim Deutschen Roten Kreuz und mit viel Engagement und Eigeninitiative bin ich später zur Luftrettung gekommen – und das war auch mein Ziel.

Welche Ausbildung brauche ich heute als LuftretterIn?
 
Ganz korrekt bin ich HEMS-TC Notfallsanitäter (Anmerk. d. R.: Die Abkürzung steht für ‚Helicopter Emergency Medical Services Technical Crew Member’) . Das heißt: Ich bin Notfallsanitäter mit einer Zusatzausbildung im Bereich Navigation, Flug, Funk und Technik. Bei den Einsätzen übernehme ich auch die Rolle als Co-Pilot.

Welche Eigenschaften muss ich für den Job mitbringen - und welchen Charakter?
 
Oft werden wir zu besonders schwierigen Fällen hinzugezogen. Daher sollten Sie fachlich sehr fit sein – egal, ob Sie in dem Dreier-Luftrettungsteam in der Rolle als Notfallsanitäterin, als Helikopter-Pilotin oder als Notärztin einsteigen wollen.
 
Erfahrung ist auch wichtig: Alle Notfallsanitäter, die bei der DRF Luftrettung arbeiten, haben schon mehrjährige Berufserfahrung im bodengebundenen Rettungsdienst.

 
In der Luftrettung brauchen wir Menschen, die belastbar sind, viele Informationen in kurzer Zeit verarbeiten können, die teamfähig sind und auch in hektischen Situationen ruhig bleiben.

Warum ist es so wichtig, dass ein Rettungsteam Ruhe ausstrahlt?  
 
Wenn Sie in eine hektische Situation kommen und strahlen Ruhe aus, dann merkt jeder ‚Wow! Die sind ruhig, die wissen was sie machen’ und dadurch werden auch die ganz Hektischen ruhiger. Mit Ruhe kann man alle einfangen. Das ist die Basis, um klare Anweisungen zu geben, was zu machen ist und die Situation wieder in die Bahn zu lenken.

Wenn Sie an vergangene Rettungseinsätze denken, gibt es einen den Sie nie vergessen werden?
 
Da gibt es einige. Als erstes denke ich an einen Einsatz in diesem Jahr zu Ostern: Ein ertrunkenes Kleinkind. Meine Notärztin und ich waren die ersten am Unfallort. Die Eltern hatten das Kind schon aus dem Wasser geholt, auf die Terrasse gelegt und mit Hilfe der Leitstelle eine Telefonreanimation durchgeführt. Allerdings lag das Kind schon so lange leblos im Wasser, dass dadurch nicht mehr zu reparierende Hirnschäden entstanden sind. Solche Einsätze bleiben natürlich hängen.

Wie gehen Sie nach so einem traurigen Einsatz als Team mit der Situation um?
 
Das wichtigste ist, anschließend zusammen im Team zu reden und das machen wir auch immer. Wir gehen den Einsatz noch einmal gemeinsam durch und fragen uns: Nach jetzigem Stand der Medizin, haben wir alles gemacht, was wir präklinisch machen konnten? Das konnten wir in diesem Fall mit ja beantworten. Ein Zeichen dafür war auch, dass zumindest der Kreislauf des hirntoten Kindes wieder in Gang kam.
 
Trotzdem bleibt es ein Drama und für die Eltern wird Ostern nie wieder so sein wie vorher, das ist uns allen bewusst. Aber wenn wir für uns abhaken können, dass wir fachlich alles richtig gemacht haben, dann müssen wir auch den Einsatz abhaken. Der nächste Einsatz wartet schon, daher haben wir keine Zeit, mit den Gedanken noch hinterherzuhängen.

Das klingt nach einer sehr professionellen Einstellung – aber was ist, wenn es mit Abhaken mal nicht so gut funktioniert?
 
Es gibt bei uns die sogenannten Peers, die man kontaktieren kann. Wenn es nötig ist, können wir auch externe Hilfe dazuholen. Zusätzlich spielt der Umgang mit Belastungssituationen eine Rolle bei den jährlichen Fortbildungen.
 
Natürlich kommen manchmal wieder Gedanken an bestimmte Einsätze hoch, zum Beispiel wenn man eine ruhige Minute hat und seine eigenen Kinder im Garten spielen sieht. Aber da muss man Profi sein und lernen, solche Erfahrungen zu verarbeiten. Wer das nicht kann, wird seelisch daran kaputt gehen – und sollte besser den Beruf wechseln.
 
Gab es Momente, in denen Sie den Job wechseln wollten?
 
Nein, nie! Ich wollte unbedingt zur Luftrettung und ich bin heute noch gerne da – inzwischen auch in einer Leitungsfunktion im Stationdverbund Nordost.

In Ihrem Berufsalltag sind Sie mit viel Leid und dem Tod konfrontiert – ich kann mir vorstellen, dass man dadurch auch dankbarer wird...
 
Wenn du in deinem Beruf immer wieder vor Augen geführt bekommst, wie schnell ein glückliches Familienleben vorbei sein kann, dann bringt es dich jeden Abend wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
Da sitzt du in deinem Garten auf deinem Stuhl und sagst dir: Es ist toll hier zu leben und zu arbeiten – egal, ob das Kind in der Schule eine drei oder vier bekommen hat, oder auch mal eine fünf. Ob man groß, klein, dick oder dünn ist – das ist alles vollkommen egal.
 
Wichtig ist, gesund zu sein und das Leben ein bisschen zu genießen. Man sollte nicht immer nur der Arbeit hinterherrennen oder irgendwelchen Dingen, die man nicht erreicht hat. Also kurz: Ja, dieser Beruf macht einen auch ein bisschen dankbarer für das Leben – das eigene und generell für das Leben.

Und ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Das Interview führte Ariane Böhm

Beitrag von Ariane Böhm

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