Patient bei der MRT-Untersuchung (Quelle: imago/Westend61)
Bild: imago/Westend61

Interview | Neue Untersuchungsmethode mit mpMRT - Prostatakrebs besser erkennen

Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Ab 45 wird daher eine jährliche Vorsorgeuntersuchung empfohlen, bei der der sogenannte PSA-Wert auf eine Erkrankung im Frühstadium hinweisen soll. Doch der PSA-Wert kann auch zu falschen Rückschlüssen führen. Urologen in Berlin prüfen daher eine neue Untersuchungsmethode.

Privatdozent Dr. Frank König ist Urologe aus Berlin-Wilmersdorf und einer der Leiter der sogenannten PROKOMB-Studie. Mit ihr soll jetzt die Zuverlässigkeit einer MRT-Untersuchung und die damit einhergehende Diagnosesicherheit besser eingeschätzt werden.  

Herr Dr. König, was war der Anlass für die PROKOMB-Studie?

Wir haben derzeit ein Problem mit der Prostata-Früherkennung. Besonders in der Diskussion ist der sogenannte PSA-Wert, ein Marker im Blut, der auf Prostatakrebs hinweisen kann. Das Problem ist, dass der PSA-Wert oftmals ansteigt, obwohl keine Krebserkrankung vorliegt. Bei einem erhöhten PSA-Wert wird bei den betreffenden Männern in der Regel eine Gewebeentnahme (Biopsie) von der Prostata vorgenommen. Bei rund 70 bis 90 Prozent dieser Biopsien stellt sich allerdings heraus, dass die Patienten entweder keinen Tumor haben oder dieser Tumor eher nicht behandlungsbedürftig ist.
 
Daraus sollte man aber nicht den Schluss ziehen, dass der PSA-Wert überflüssig ist oder eine Früherkennung von Prostatakrebs nichts nützt. Denn es gibt auch zu spät entdeckte Prostatakarzinome, an denen man versterben kann. Ziel der PROKOMB-Studie ist es daher, eine Untersuchungsmethode zu testen, die bei Männern mit einem erhöhten PSA-Wert genauer feststellen kann, ob sie ein behandlungsbedürftiges Prostatakarzinom haben oder nicht.

Warum ist die Biopsie nur unzureichend geeignet?

Ab einem PSA-Wert über 4 ng/ml wird nach den aktuellen Leitlinien empfohlen, eine Biopsie durchführen zu lassen. 50 Prozent der Patienten, bei denen Gewebe aus der Prostata entnommen wird, haben keinen bösartigen Befund, bei rund 30 Prozent der Männer gibt es bösartige Veränderungen, die man aber nicht sofort behandeln, sondern aktiv überwachen (Active Surveillance) kann, und nur bei 10 bis 20 Prozent der Patienten muss das Prostatakarzinom unverzüglich durch eine Operation oder Bestrahlung behandelt werden. Diejenigen, die aktiv überwacht werden, leben aber mit einer Krebsdiagnose und haben oft nicht die Geduld abzuwarten.

Das betrifft im Übrigen auch oft den betreuenden Urologen. Es kommt dann zur Behandlung der Prostata, die nicht unbedingt notwendig gewesen wäre und die Folgeprobleme wie Inkontinenz und Impotenz nach sich ziehen. Hinzu kommt, dass die Methode der Biopsie nicht immer zuverlässig ist. Bei einer Biopsie werden mit Hilfe des Ultraschalls über den Mastdarm (transrektal) etwa zwölf Gewebeproben entnommen. Dabei kann es durchaus passieren, dass bösartige Stellen nicht erfasst werden, denn in der Prostata existieren oftmals Tumore mit unterschiedlichen Stadien nebeneinander. So bleiben 20-40 Prozent der aggressiven, behandlungspflichtigen Karzinome durch die Standardbiopsie unentdeckt.

Wie ist die PROKOMB-Studie genau aufgebaut?

Wenn in einer der Studien-Praxen bei einem Mann der Verdacht auf ein Prostatakarzinom besteht, sei es durch Tastuntersuchung, PSA-Wert oder Ultraschall, kann er in die Studie eingeschlossen werden. Normalerweise würde jetzt eine Biopsie erfolgen, im Rahmen der Studie bekommen aber alle Teilnehmer zunächst ein multiparametrisches MRT. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist dann ein aus mehreren MRT-spezifischen Messgrößen bestimmter Risikofaktor (PI-RADS Score). Die Genauigkeit dieses Scores ist abhängig von der Erfahrung der Radiologen und wird immer gemeinsam mit mindestens zwei Kollegen festgelegt.
 
Das Ergebnis des mpMRT mit der PI-RADS Klassifikation und dem genauen Sitz und der Größe des Tumors bekommt der behandelnde Urologe dann zurück. Hat ein Patient den PI-RADS Score 1 bis 2, bekommt er keine Biopsie, wird aber über einen Zeitraum von drei Jahren engmaschig im Rahmen der Studie beobachtet. Findet sich ein PI-RADS Score zwischen 3 und 5 führt der niedergelassene Urologe eine normale Standardbiopsie durch, bei der er aber die im MRT verdächtigen Areale mit in seine Untersuchung einbezieht. Wird dabei ein behandlungsbedürftiges Karzinom entdeckt, wird das entweder "überwacht", bestrahlt oder die Prostata entfernt. Kann der Urologe bei der Biopsie kein bösartiges Gewebe finden, wird bei einem PIRADS Score 4 und 5 eine weitere spezielle Biopsie angeschlossen, bei der die Gewebeentnahme unter direkter MRT- gesteuerter Ultraschallkontrolle (Fusionsbiopsie) stattfindet. Das ist aber nicht mehr Gegenstand der PROKOMB-Studie, sondern eine weiterführende Studie, die gerade in der Planung ist. 

Mehr zum Thema

RSS-Feed
Welche Konsequenzen für die Behandlung der Patienten könnten die Ergebnisse der PROKOMB-Studie haben?

Was wir heute wissen ist, dass die herkömmliche Biopsie beim Urologen wenig effektiv ist, um ein Prostatakarzinom sicher festzustellen. In Ergänzung mit dem mpMRT sieht das aber wahrscheinlich ganz anders aus. Zum einen, weil der Urologe nicht mehr alle Patienten mit Krebsverdacht biopsieren muss und zum anderen, weil die Ergebnisse der MRT-Untersuchung ihm bei der Biopsie helfen können.

Schon zum jetzigen Zeitpunkt können wir sagen, dass mit dem Einsatz des mpMRT etwa 50 Prozent der Biopsien vermieden werden können. Außerdem gehen wir davon aus, dass durch die Kombination beider Untersuchungsverfahren in Zukunft deutlich weniger nichtbehandlungsbedürftige Prostatakarzinome entdeckt werden. Dadurch könnte die Zahl unnötiger Operationen und Bestrahlungen erheblich gesenkt werden – also Therapien, die für die Männer ja immer mit entsprechenden Nebenwirkungen verbunden sind. Wir hoffen auch, dass mit dem Abschluss der PROKOMB-Studie in drei Jahren, wenn alle Ergebnisse ausgewertet sind, auch bundesweit mehr mpMRT- Untersuchungen angeboten werden. Sollten die Daten der Studie überzeugen, gehen wir davon aus, dass das MRT vor der Prostatabiopsie dann zukünftig auch Bestandteil der gesetzlichen Krankenversicherung sein wird.

Wie lange läuft die Studie noch und werden noch Teilnehmer gesucht?

Wir haben im Oktober letzten Jahres mit der Studie angefangen und haben bis jetzt bereits 446 Patienten eingeschlossen, 600 Teilnehmer sind das Ziel. Interessierte Patienten können sich an die teilnehmenden urologischen Praxen wenden, einige Studienpraxen suchen durchaus noch Teilnehmer. Eingeschlossen werden können alle Männer mit Verdacht auf Prostatakrebs zwischen 18 und 75 Jahren. Sie dürfen allerdings keine Schrittmacher oder andere metallene Implantate wie Insulin- oder Schmerzpumpen oder auch Cochlea-Implantate tragen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr König.

Das Interview führte Ursula Stamm

Weitere Beiträge

Krebszellen (Quelle: imago/Science Photo Library)
imago/Science Photo Library

Europäisches Metastasenzentrum in Berlin eröffnet - Letzte Hoffnung für Tumorpatienten?

Es ist das Erste seiner Art in Deutschland und soll für Tumorpatienten, ihre Angehörigen und Ärzte eine Anlaufstelle sein, wenn nichts mehr zu helfen scheint: das Europäische Metastasenzentrum der Charité. Es bietet die Chance auf eine Zweitmeinung durch eine Gruppe unterschiedlicher Spezialisten. Wie das genau funktioniert - das hat die rbb Praxis den geschäftsführenden Oberarzt und Chirurgen Dr. Robert Öllinger gefragt.

"So normal wie möglich weiterleben"

Es ist der Hochzeitstag ihrer Cousine, als Helena Grabowizki ihre Diagnose erhält: Brustkrebs. Sie entwickelt ihre ganz eigene "persönliche Überlebensstrategie", um der Krankheit zu begegnen. Beim Cancer Suvivors Day 2015 machte sie auch anderen Betroffenen Mut. rbb Praxis sprach mit einer Frau, die auf bemerkenswerte Weise mit ihrer Krankheit umgegangen ist.