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Taschkent. Samarkand. Bukhara. Schon die Namen usbekischer Städte klingen nach Mythos und Abenteuer. Das Neue Museum und die James Simon Galerie tauchen jetzt ein in diese Welt und zeigen "Archäologische Schätze aus Usbekistan" - Kunstgegenstände aus der Zeit zwischen dem 4. Jahrhundert vor und dem 4. Jahrhundert nach Christus. Hunderte der Artefakte sind zum ersten Mal in Deutschland zu sehen.
Edler Schmuck, feine Statuen – es sind die Zeugnisse einer versunkenen Welt, die einst in Usbekistan blühte. Eine Kultur, die schon in der Antike Ost und West verband. Dass diese Kunstschätze jetzt erstmals in Berlin sind, ist selbst für aus Usbekistan angereiste Journalisten eine Sensation.
Gayane Umerova, Stiftung Kunst und Kultur Usbekistan
"Es war eine Wiege für verschiedene Kulturen mit unterschiedlichen Religionen. Es ist ein sehr besonderer Ort in Usbekistan."
Manfred Nawroth, Ausstellungskurator, Museum für Vor- und Frühgeschichte
"Das ist eine neue Welt sowohl für die Kunst des Buddhismus, wie auch als Schmelztiegel der Kulturen."
Das ist das Bild, das die meisten Deutschen von Usbekistan haben: eine Welt aus 1001er Nacht - Samarkand und Buchara, an der Seidenstraße gelegen, mit fantastischen Moscheen, die an den märchenhaften Orient des Mittelalters erinnern.
Die mitreißende Ausstellung, die jetzt in der James-Simon-Galerie und im neuen Museum eröffnet, entführt uns jedoch in eine viel frühere Epoche - in die Antike. Es ist der mazedonische Eroberer Alexander der Große, der uns auf seinem Feldzug mit nach Osten nimmt. Wo der Feldherr hinkommt, hellenisiert er die neuen Untertanen.
Er beginnt damit auch in Baktrien, seiner östlichsten Eroberung, auf dem Gebiet des heutigen Usbekistan. Er bringt Münzen, setzt Statthalter ein, heiratet die Prinzessin Roxane - und kann sich trotzdem nicht lange an der Macht halten. Aber auch nach seinem Rückzug bleibt sein Einfluss.
Manfred Nawroth, Ausstellungskurator, Museum für Vor- und Frühgeschichte
"Alexander ist derjenige, der den langen Weg gefunden hat, diese Regionen aus europäischer Sicht und Wahrnehmung getroffen und gefasst hat. Dadurch dass sich in der Nachfolge Alexanders, der doch sehr jung in Babylon gestorben ist, die griechischen Machtverhältnisse im dritten und zweiten Jahrhundert konsolidiert haben, hat sich diese hellenistische Welt in vielerlei Hinsicht verfestigt."
In die Welt, die Alexander hinterlässt, wandern chinesische Nomadenvölker ein - am prägendsten: die Kuschàn. Das Besondere: Sie sind ein religiös liberales Volk, geben auch dem Buddhismus Platz, der aus dem Gebiet Indiens kommt. Kunst und Staatswesen sind aber fortan hellenistisch geprägt.
Manfred Nawroth, Ausstellungskurator, Museum für Vor- und Frühgeschichte
"Das hatte alles Einfluss auf die städtische Kultur, die sich unter den Kuschán entwickelt hat, die dann ein Reich aufgebaut haben, das von Usbekistan bis Indien reichte und eines der größten Reiche neben dem römischen und dem chinesischen dargestellt hatte. Was sich dort auch ausgebildet hat, war: Menschenfiguren, wie man bei mir im Hintergrund sehen kann - eine der wunderbarsten Kompositionen aus dem zweiten Jahrhundert einer Klosteranlage. Wir sehen einen Buddha, flankiert von zwei Mönchen, der unter einem Bogen sitzt, wie eine friedvolle Komposition - wunderbar in Ruhe gefasst, der Buddha, ganz herrlich. Und das grieichische Element kommt noch einmal stärker zum Tragen, wie man die beiden Kapitellen sieht, die griechisch geprägt sind, die links und rechts die Säulen flankieren."
Erst zum zweiten Mal überhaupt sind die Kunstschätze im Ausland zu sehen, die Berliner Ausstellung übertrifft die des Louvre bei weiten. Die usbekische Kuratorin Gayane Umerova hat fünf Jahre für das Projekt gekämpft - sie will ein Signal an den Westen senden: Wir sollen die klischeehaften Vorstellungen von Usbekistan hinter uns lassen.
Gayane Umerova, Stiftung Kunst und Kultur Usbekistan
"Für Usbekistan ist es sehr wichtig zu zeigen, dass es auch eine Zeit vor der islamischen Periode gab. Wir werden oft als islamischer Staat wahrgenommen, was falsch ist: Wir sind ein säkularer Staat. Es gab ein riesiges Reich vor der islamischen Epoche. Und es war auch sehr wichtig, dass wir mit deutschen Spezialisten zusammengearbeitet haben, um die meisten Stücke zu restaurieren. Wir bringen nicht einfach nur unsere Schätze in diese Ausstellung, es ist eine Kollaboration."
Die kulturelle Brücke nach Deutschland will die Westorientierung stärken, nachdem das Land über sechs Jahrzehnte zur Sowjetunion gehörte. Dem sozialistischen Brudervolk rief einst Erich Honecker beim Staatsbesuch in der usbekischen Hauptstadt Taschkent "Freundschaft" zu.
Archivausschnitt, Erich Honecker, 1983
"Druschba!"
Nun ist die deutsch-usbekische Kulturfreundschaft im Heute angekommen. Dabei geht es auch darum, sich von den Interessen der aktuellen Imperien China und Russland abzugrenzen.
Manfred Nawroth, Ausstellungskurator, Museum für Vor- und Frühgeschichte
"Taschkent liegt auf halber Flugstrecke zwischen Frankfurt und Peking. Und diese strategische wichtige Rolle hat diese Region auch heute. Ich glaube, die hat sie damals gehabt, und die wurde immer wieder genutzt zu verstehen, zwischen östlichen und westlichen Kulturen eine Brücke zu schlagen, und dass das wichtige Orte sind, wo wir uns auch suchen und finden sollten."
Diese wunderbare Ausstellung bringt uns die alte Kultur mit ihren Plastiken und Schmuckstücken wirklich ganz nah. Eine Inspiration für alle Sinne.
Gayane Umerova, Stiftung Kunst und Kultur Usbekistan
"Es ist so ein feiner Schmuck. Er sieht geradezu wie von heute aus. Ziemlich modisch."
Welche Entdeckung, dieses Kulturland. Mit seinen antiken Schätzen und seinen heutigen Menschen. In der James-Simon-Galerie beginnt nun die Reise.
Autor: Norbert Kron