Illustration eines Gehrins mit Alzheimer- oder Demenzerkrankung (Quelle: imago/Science Photo Library)
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Ernährung und Alzheimer - Alzheimer - Können B-Vitamine im Kampf helfen?

Der Verlust von Erinnerung, Kontrolle über Geist und Körper, am Ende der Persönlichkeit - Demenz ist ein Horrorszenario. Und: Medizinisch ist die Demenz zur Zeit nicht heilbar. Doch durch den eigenen Lebensstil können Betroffene und gefährdete Menschen viel tun, um dem Auftreten und Fortschritt von Demenz entgegen zu wirken: Mehrere Studien kommen zum Beispiel in Sachen B-Vitamine zu spannenden Ergebnissen. Vor allem das Vitamin B12 könnte dem Untergang von Nervenzellen entgegen wirken.

Demenz gilt als eine der größten medizinischen Herausforderungen für unsere Gesellschaft. Betroffene und Angehörige hoffen auf Heilung und Studien gehen immer wieder neuen Behandlungssmethoden auf den Grund. Bisher allerdings mit nur kleinen Erfolgen. Demenzerkrankungen wie Alzheimer sind weiterhin nicht heilbar. Allerdings versprechen einige Zahlen Hoffnung: Zum Beispiel aktuelle Studien, die belegen, dass die Zahl der Neuerkrankungen bei Demenz deutlich geringer steigt, als Prognosen noch vor gut fünf Jahren voraussagten. Da ging z.B. die Deutsche Alzheimergesellschaft noch davon aus, dass es in Deutschland 2050 rund drei Millionen Demenzpatienten geben würde - doppelt so viele wie es heute tatsächlich sind.

Experten gehen davon aus, dass das ein Zeichen dafür ist, dass viele Schritte für die Vorbeugung von Demenz schon greifen und funktionieren - und die finden sich vor allem in einer Änderung des Lebensstils. So kann körperliche Bewegung das Risiko an Demenz zu erkranken verringern. Eine wichtige Rolle spielt aber auch die Ernährung. Hier wird seit Jahren weltweit und auch von renommierten Instituten besonders im Zusammenhang mit B-Vitaminen geforscht. Ansatzpunkt sind zum Beispiel Homocystein-Werte im Blut von Alzheimer-Patienten in einem frühen Stadium: Tritt die Aminosäure im Blutspiegel erhöht auf, kann das auf Dauer zum Beispiel zur Schädigung von Gefäßen führen und auch mit dem Sterben von Nervenzellen wird ein hoher Homocystein-Spiegel in Zusammenhang gebracht. Insbesondere durch Vitamin B12 lässt er sich allerdings senken.

Gefährlicher B-Vitamin-Mangel

B-Vitamine und z.B. auch Folsäure (früher als Vitamin B9 bezeichnet) erfüllen wichtige Stoffwechselfunktionen in unserem Körper. Sie sorgen für Energiegewinnung durch die Verwertung von Fett, Eiweißen oder Kohlenhydraten und spielen besonders so auch eine wichtige Rolle für die Gesundheit von Herz-Kreislauf- und Nervensystem. Die meisten B-Vitamine können vom Körper nicht gespeichert werden - anders Vitamin B12. Es kommt aber vor allem in tierischen Lebensmitteln vor, also Fleisch, Fisch, Milch und Milchprodukten oder Eiern. Obwohl es in der Nahrung von Mischkost-Essern und Vegetariern also reichlich vorkommt, ist der Vitamin B12-Mangel gerade für ältere Menschen ein echtes Risiko: Studien gehen davon aus, dass 10-30 Prozent der Senioren über 75 Jahre einen Vitamin B12-Mangel haben. 
 
Für Demenzerkrankungen wie Alzheimer ein echtes Risikopotential, denn ein Coenzym von Vitamin B12 -  das Methylcobalamin - ist wesentlicher Teil der Homocystein-Umwandlung im Körper. Wo Vitamin B12, aber auch das ähnlich wirkende Vitamin B6 fehlen, bleibt die Aminosäure Homocystein sozusagen öfter "unbearbeitet liegen" und kann nachweislich Blutgefäße schädigen - Risikofaktoren für z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall, aber eben auch Alzheimer.

Schutz durch B-Vitamine

Besonders 2010 und 2011 sorgten einige Studien von renommierten Instituten - zum Beispiel der Oxford University in England oder dem Karolinska-Institut in Schweden - für Aufsehen, denn in Beobachtungen von Probanden über mehrere Jahre stellten sie nicht nur fest, dass ein Vitamin B-12-Mangel mit zunehmendem Alter ein unterschätztes Problem und häufiger Auslöser für nachlassende kognitive Fähigkeiten ist, sondern auch, dass in der Tat das vor Homocystein schützende Vitamin B12 tendenziell vor Alzheimer schützen bzw. dessen Verlauf verlangsamen kann.
 
So zeigte eine Studie aus Stockholm 2010, dass durch die Gabe von verschiedenen B-Vitaminen (vor allem B12 und B6) und Folsäure bei Patienten mit leichten kognitiven Einschränkungen der Abbau von Nervenzellen um rund ein Drittel verlangsamt werden konnte. Mediziner nennen den Abbau von Nervenzellen, also Schwund von Hirnsubstanz, auch Hirnatrophie. Die schützende Wirkung vor allem von Vitamin B12 durch Homocystein-Abbau wurde auch von einer Forschergruppe zu Gedächtnisstörungen der Oxford University bestätigt: Sie werteten die Langzeitdaten von 271 Patienten aus, die zu Beginn gesund waren und konnten nach sieben Jahren feststellen, dass die 17 Patienten, die inzwischen an Morbus Alzheimer erkrankt waren auch schon zu Beginn der Studie niedrige Vitamin B12-Spiegel und hohe Homocystein-Werte aufgewiesen hatten.
 

B12 & Co sind keine Wundermittel

Klingt erst einmal nach einem effektiven und kostengünstigen Schutz vor Alzheimer: Einfach regelmäßig B-Vitamine als Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Doch so einfach ist es nicht - einerseits, weil Alzheimer neben der Homocystein-Verwertung viele Ursachen und verstärkende Elemente hat. Andererseits ist es seit über zehn Jahren strittig, inwiefern B-Vitamine und Folsäure mit besagtem Homocystein-Effekt im Frühstadium einer Demenz auch in der Lage wären kognitive Fähigkeiten wieder zu verbessern: Eine bis heute viel zitierte Studie im Journal of the American Medical Association konnte genau das 2008 nicht nachweisen.
 
Die hochdosierte Kombination mit Vitamin B12, B6 und Folsäure über 18 Monate bei über 400 Alzheimer-Patienten mit leicht- bis mittelgradiger Demenz senkte zwar die Homocystein-Werte, aber im Vergleich zu der Placebogruppe verbesserte sich die kognitive Leistung nicht und hatte auch keinen Einfluss auf das Fortschreiten der Symptome. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. kam nach Veröffentlichung der Studie zum Schluss: "Zusammenfassend kann die Einnahme von hochdosierten Vitaminen gegenwärtig nicht zur Behandlung oder Vorbeugung der Alzheimer-Krankheit empfohlen werden. Vitamine sollten nur bei nachgewiesenen Mangelzuständen als Nahrungsergänzung und in keiner höheren als der empfohlenen Dosierung eingenommen werden."

Aber: Es steckt Potential in den B-Vitaminen

In einer neueren Studie von 2017 ging ein europäisches Forscherkonsortium mit über 300 Patienten an elf europäischen Kliniken über zwei Jahre einer ähnlichen Frage nach: Auch Sie untersuchten Probanden in einem frühen Alzheimerstadium mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und wie sich eine Behandlung mit einem Nährstoffgemisch aus u.a. essenziellen Fettsäuren, Vitamin B12, 6, C, E und Folsäure und Selen auf deren Zustand auswirkte. Binnen der zwei Jahre der Untersuchung stellten auch diese Forscher keine Verbesserung in klassischen Erinnerungstests, wie dem Merken und Erkennen von Wörtern, fest. Allerdings wurde bei den Probanden mit diesem Nährstoffgemisch beobachtet, dass die klinische Einschätzung der Demenz sich bei 45 Prozent weniger verschlechterte - vor allem, weil diese Probanden im Alltag besser zurechtkamen und sich z.B. wichtige Ereignisse besser merken konnten oder mit Zwischenfällen im Haushalt selbstständiger umgehen konnten.
 
MRT-Bilder zeigten geringere Schrumpfungen von Hirnregionen, wie dem Hippocampus - um 26 Prozent, als bei der Gruppe ohne den Nährstoffmix. Viele Forscher auf der ganzen Welt sind überzeugt: Heilung steckt vielleicht nicht in den B-Vitaminen, aber viele Chancen auf Verlangsamung einiger Demenzkrankheiten und sie können dabei helfen kognitive Fähigkeiten zu erhalten und zu schützen. Den B-Vitamin-Spiegel beim Bluttest überprüfen zu lassen, um bei einem Mangel mit dem Arzt gegenzusteuern lohnt sich also.

Beitrag von Lucia Hennerici

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