Füße gucken unter einer Decke hervor. (Quelle: imago/Gerhard Leber)
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Audio: rbb Praxis im Inforadio | 05.08.2017 | Nadine Bader | Bild: imago/Gerhard Leber

Ursachen und Therapien bei schlechtem Schlaf - Wie schlafen die Berliner?

Etwa jeder vierte Deutsche leidet an regelmäßigen oder gelegentlichen Schlafstörungen. Doch was machen, wenn es mit dem Einschlafen zu lange dauert oder das Durchschlafen nicht klappen will? rbb Praxis gibt Tipps und neuste Informationen aus Wissenschaft und Forschung. Zum Beispiel was wirklich gegen Schnarchen hilft, neuste Entspannungsmethoden und warum die modernen Schlafmittel nicht mehr abhängig machen.

Ein Wecker klingelt.
 
Bei diesem Geräusch sind wohl die wenigstens erfreut.
Vor allem die nicht, die bei einer heißen Sommernacht wach gelegen und kein Auge zugetan haben.
 
Umfrage:
 
"Man wacht dann ja Nachts auf, merkt dass man geschwitzt hat und ist dann irgendwie gerädert."
 
"Ich schlaf‘ bei Hitze auch schlechter. Warum? Das ist eine gute Frage. Weil man schwitzt! Und weil man die Decke hin und her wälzt, und dann ist einem zu warm und dann hat man schwitzende Beine und Füße – so geht es mir jedenfalls immer."
 
"Man muss die Bettdecke wegnehmen, dass ist das Geheimnis bei Hitze. Man muss mit einem Laken schlafen."

"Ich glaube, dass man im Sommer schlechter schläft, weil man die Kühlfunktionen im Körper am Laufen halten muss."

 
Das stimmt. Das gehört zum Energiesparmodell während des Schlafs.
Die Körpertemperatur sinkt dabei ab. Um etwa ein Grad.

Hitze, grelles Licht oder Lärm von der Straße, viele äußere Faktoren können also den erholsamen Schlaf beeinträchtigen.
 
Ganz anders bei Elke Müller-Weidt. Bei ihr sind es die Gedanken, die einen erholsamen Schlaf manchmal unmöglich machen. Sie liegt nachts oft wach und grübelt, um Probleme zu lösen. Dann, wenn sie eigentlich Kraft im Schlaf sammeln sollte. Die Selbstständige setzt auf Entspannung. Und zwar auf eine ganz spezielle Methode: das Sounder Sleep System. Das sind Atemübungen, kombiniert mit kleinsten Fingerbewegungen. Die Brandenburgerin demonstriert eine der Übungen.
 
 
 
Elke Müller-Weidt:
"Beim Einatmen gehen die Daumen bisschen auseinander, beim Ausatmen wieder zusammen.
Also die letzten zwei Wochen bin ich also super eingeschlafen, hätte ich nicht gedacht, also die Gedanken waren irgendwie weg."


Die Atemübungen kombiniert mit den Mikrobewegungen sprechen das parasympathische Nervensystem an. Das ist unter anderem für Ruhe und Erholung zuständig. Deshalb helfen die Übungen besonders, wenn Stress Auslöser für die Schlafprobleme ist, sagt Bernhard Mumm, Sounder Sleep-Trainer.
 
Bernhard Mumm (Sounder Sleep-Trainer):
"Am Tag regiert uns ein anderer Teil unseres autonomen Nervensystems, nämlich der sympathische Teil und in der Nacht, genauso wie für Verdauungsprzesse, brauchen wir mehr den anderen autonomen Zweig, das ist der parasympatische Teil, der quasi alles bereit stellt, was dem Einschlafen dienlich oder förderlich ist. Und das ist für viele, die das kennen lernen, sehr frappierend, dass schon nach sehr wenigen Tagen, manchmal Stunden, diese Mikrobewegungen Wirkung zeigen."
 
Für Elke Müller-Weidt ist es ein mittlerweile ein guter Weg, nachts besser zu schlafen. Aber viele haben diesen Weg noch nicht gefunden:
 
Umfrage:
 
"Ich wache sehr oft auf in der Nacht, weil mir viele Gedanken vom Arbeitsplatz durch den Kopf gehen."
 
"Ich brauche eine Stunde, manchmal anderthalb um einzuschlafen – wälze mich dann rum, bis ich die richtige Position gefunden habe."
 
"Ich glaube, dass die Leute unheimlich viel Gepäck mit ins Bett nehmen – also total viel nachdenken."
 
"Wenn mein Zimmer gut abgedunkelt ist, dann kannst Du einen Panzer durch mein Zimmer fahren, ich schlaf weiter!"

Bei vielen ist das anders. Immer mehr Menschen haben gelegentlich Schlafstörungen.
Zu dem Ergebnis kommen repräsentative Umfragen deutscher Krankenkassen.
Während 2009 noch mehr als 50 Prozent der Deutschen angaben, gut zu schlafen, waren es 2016 nur noch rund 20 Prozent.
 
Den Schlafmediziner, Prof. Dr. Ingo Fietze von der Charité Berlin erschrickt vor allem, dass seine Patienten immer jünger werden. Gründe dafür sind ständige Erreichbarkeit via Smartphone, sozialer Stress und unregelmäßige Schlafzeiten.
Dafür gibt es sogar einen neuen Fachbegriff: "Sozialer Jetlag"
 
Prof. Dr. Ingo Fietze:
"Soziales Jetlag heißt, dass die jungen Leute heute viel zu spät ins Bett gehen. Dann müssen sie ja zeitig raus, weil die Schule zeitig beginnt, also unter der Woche einfach viel zu kurz schlafen und auch zu spät. Und am Wochenende dann den Schlaf nachholen und einfach lange schlafen, aber tatsächlich auch noch später ins Bett gehen, weil es ist ja Party angesagt. Und diese Diskrepanz nennt man eben Jetlag, der Körper muss sich, was den Schlaf-Wachrythmus betrifft, ja immer umstellen."

Eine Herausforderung für den Biorhythmus und ein Problem, das Max Alban gut kennt. Er ist Mitte 20. Tagsüber arbeitet er in einer Musikagentur, nachts als DJ in Clubs. Bis 5 Uhr morgens legt er dann auf für andere Nachtschwärmer.
Ob ihn da nicht zwischendurch die Müdigkeit überkommt?
 
Max Alban:
"Nö, eigentlich nicht . Dadurch, dass die Musik so ein bisschen mich wieder aufweckt, ist das dann meistens vergessen, wenn ich hier stehe und meine Platten auspacke."
 
Aber neben seinen Jobs tagsüber und nachts ist da noch etwas.
 
Max Alban:
"Morgen früh um 8.30 Uhr, da muss ich mit meinem Sohn in die Kita und da gehe ich mit ihm zur Eingewöhnung und da bin ich dann bis elf Uhr und dann gehe ich zur Arbeit."

Wenn es hochkommt, hat Max Alban phasenweise also nur 3 bis 4 Stunden Schlaf pro Nacht.
 
Warum aber können manche Menschen das besser wegstecken als andere?
Warum tun sich einige schwer, überhaupt in den Schlaf zu finden?
Und ab wann gilt eine Schlafstörung als chronisch?
 
Als Faustregel gilt: "enn jemand 3 Monate lang schlecht schläft, sprechen Mediziner von einer chronischen Schlafstörung. Oftmals gehen körperliche Erkrankungen mit einer Schlafstörung einher. Zum Beispiel eine Schilddrüsenstörung, chronische Schmerzen oder das sogenannte „Restless-Legs-Syndrom“. Wenn das nicht der Fall ist, sprechen Schlafmediziner von einer sogenannten primären Schlafstörung - ohne andere Erkrankungen als Ursache. Etwa jeder 10. ist davon betroffen.
 
Dann ist das Nicht-Schlafenkönnen wahrscheinlich durch genetische Faktoren bedingt. Die Zusammenhänge dabei sind noch nicht vollständig geklärt, sagt Prof. Fietze von der Charité.

Prof. Dr. Ingo Fietze:
"Wir kennen ja heute Clock-Genes, also Uhren-Gene, die machen unseren 24-Stunden-Rhythmus. Und genauso gibt es Gene, die uns wach halten und für den Schlaf verantwortlich sind. Nur hat man die noch nicht gefunden, deswegen haben die auch noch keinen Namen, aber die wird es geben."

Darauf deutet auch eine kürzlich im Fachjournal "Nature Genetics" veröffentlichte, internationale Studie hin. Die Wissenschaftler haben darin den Einfluss unserer Gene auf den Schlaf untersucht. Dafür haben sie das Erbgut von mehr als 100.000 Menschen untersucht. Mithilfe der sogenannten UK Biobank, die Gesundheitsdaten von freiwilligen Teilnehmern aus Großbritannien enthält. Bei Menschen, die unter Schlafstörungen litten, sind den Forschern 5 Bereiche im Erbgut aufgefallen.

Was aber bedeutet das für die Betroffenen?
Eine davon ist Natalie Engel. Seit über 20 Jahren leidet die Sozialarbeiterin unter Schlafstörungen. Mittlerweile fürchtet sich die Anfang 40-Jährige regelrecht vor schlaflosen Nächten.
 
Natalie Engel:
"Das ist tatsächlich so, wenn man schon lange Schlafstörungen hat, dass man manchmal schon Angst vor der nächsten Nacht, also man ist ja abends total kaputt und kaum ist man im Bett, ist man hellwach, das kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man das nicht hat. Den ganzen Tag freut man sich aufs schlafen und dann liegt man mit einem viel zu schnellen Herzschlag im Bett, ist putzmunter. Und ist so fit wie den ganzen Tag nicht."

Schlaflose Nächte, jahrelang. Natalie Engel macht sich Sorgen.
Zu Recht. Denn wir brauchen regelmäßigen Schlaf, um uns körperlich und geistig zu erholen. Wenn wir schlafen, beginnen Wachstumshormone ihre Arbeit. Diese Botenstoffe sind vor allem nachts aktiv. Sie verbessern die Immunabwehr und fördern die Zell-Regeneration.
 
Dauerhafter Schlafmangel führt also nicht nur zu Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Depressionen.
Chronische Schlafstörungen können sogar die Lebenszeit verkürzen.
Das ergab eine Langzeitstudie in den USA mit über 1400 Teilnehmern.
Veröffentlicht im American Journal of Medicine. Mit dem Ergebnis, dass schlechter Schlaf das Herzkreislaufsystem beeinträchtigt. Zum Beispiel zu Bluthochdruck oder Diabetes führt, sagt Prof. Fietze.
Und nicht nur das:
 
Prof. Dr. Ingo Fietze:
"Wir wissen heute, wenn man dauerhaft schlecht schläft, dann stresst das nachts vor allem das Immunsystem. Und wenn das Immunsystem jede Nacht gestresst wird, dann leidet nicht nur die Infektabwehr, sondern auch die Tumorabwehr. Schlechte Schläfer haben eine höhere Wahrscheinlichkeit eine Krebserkrankung zu entwickeln. Also das ist sozusagen ein Auslöser für eine Krebserkrankung oder kann einer sein."

Natalie Engel will endlich einen Weg zu finden, ihre Schlafprobleme in den Griff zu bekommen. Sie hat schon viel ausprobiert. Zum Beispiel hochdosierte Pflanzenpräparate mit Hopfen, Baldrian und Melisse. Aber die haben ihr nicht geholfen.
 
Schließlich lässt sie sich im Schlaflabor der Charité untersuchen.
Eine Nacht lang messen die Ärzte ihre Gehirnströme, Atmung und Puls. Auch ihre Bewegungen werden registriert. Mit dem Ergebnis, dass sie sehr lange zum Einschlafen braucht, 2 bis 2einhalb Stunden, den Tiefschlaf erreicht sie nur einmal kurz für circa 20 Minuten und sie ist morgens um halb fünf wieder wach.
Für die Schlafmediziner ein typisches Bild für eine Ein- und Durchschlafstörung.
 
Natalie Engel bekommt nach der Auswertung ein sogenanntes Z-Präparat verschrieben. Diese Präparate wirken unmittelbar im Schlafzentrum im Gehirn.
Sie docken an Reizempfängern im Gehirn an, dämpfen deren Aktivität und fördern so den Schlaf.
 
Im Vergleich zu früheren Schlafmitteln wie den Benzodiazepinen wirken sie kürzer und können schneller wieder abgebaut werden. Zolpidem sorgt für das Einschlafen, Zaleplon und Zoplicon fördern das Durchschlafen.

Viele Patienten machen sich Sorgen, auf Dauer davon abhängig zu werden.
Schlafmediziner sind sich aber einig, dass diese Furcht unnötig ist.
Dr. Dieter Kunz von der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin am Alexianer St. Hedwig Krankenhaus Berlin.

Dieter Kunz:
"Die heute üblichen Schlafmittel, das heißt die Benzodiazepine oder die so genannten Z- Substanzen, die darf man nur nicht in einen Topf werfen, das wird leider gerne gemacht. Die alten, wie Faustan, Valium, Diazepam usw, die sollte man wirklich zum Schlafen nicht mehr einsetzen. Die machen auch eine körperliche Anhängigkeit, die Z-Substanzen, obwohl sie am gleichen Rezeptor wirken, wirken völlig anders und machen diese Form der Anhängigkeit – sehr klar - nicht. Das heißt, die Verteufelung der so genannten Z-Substanzen zum heutigen Zeitpunkt ist sicherlich nicht gut für den Patienten."
 
 
 
Für Natalie Engel ist das Z-Präparat derzeit der einzige Weg, endlich, nach mehr als 20 Jahren, wieder zu einem erholsamen Schlaf zu finden.
Dann gibt es aber noch dieses Problem:

Geräusch Schnarchen
 
Umfrage:

"Ich hasse es, wenn jemand neben mir schnarcht."
 
"Also ich werde dann handgreiflich. Schnarchen ist der absolute Schlafkiller für mich."
 
"Also, ich hör das nicht, wenn andere schnarchen, weil ich selbst schnarche."
 
"Ich glaube, bei uns ist es auch familiär bedingt, weil mein Vater – meine Mutter sagt, sägt wie ein kanadischer Holzfäller – also ist vielleicht auch in den Genen."
 
"Wenn es wirklich richtig laut ist, dann stört es mich, ja."

Nachvollziehbar. Denn Schnarcher können so laut sein wie ein startendes Auto.
Und viele haben dieses Problem. Etwa jeder zweite Deutsche über 50 Jahre schnarcht. 60 Prozent davon sind Männer, 40 Prozent Frauen.

Aber warum Schnarchen Menschen überhaupt?
Die Ursache liegt im Gehirn. Die Nerven, die die Muskeln im Rachen ansteuern, schlafen ein, erklärt Prof. Fietze.
 
Prof. Fietze:
"Wenn diese speziellen Nervenstränge, die zu den Muskeln gehen aus dem Gehirn, wenn die eben nicht mehr tätig sind, dann erschlafft die Muskulatur. Und wenn man das versteht, diese Ursache, dann versteht man auch sehr gut, warum es keine Therapie gegen Schnarchen gibt. Niemand hat eine Idee im Moment, wie kann ich diese Nerven, die nachts aufhören zu ticken, wie kann ich die aktivieren ohne systemische Nebenwirkungen, ohne das ganze Gehirn zu beeinflussen."

Das heißt auch: Finger weg von frei verkäuflichen Anti-Schnarchmitteln wie Pflaster, Sprays oder Anti-Schnarchwesten. Die verhindern in der Regel, dass man schläft, nicht aber das Schnarchen an sich.
 
Und da Mediziner die Ursache bisher nicht angehen können, haben sie derzeit nur einen Behandlungs-Ansatz: im Rachen mehr Platz schaffen. Damit die Atemluft den weichen Teil des Gaumens nicht so zum Flattern bringt. Zum Beispiel mit speziellen Schnarch-Schienen vom Zahnarzt.
 
Lutz Wiederhold entscheidet sich für einen anderen Weg: eine Operation im Rachen.
 
Seine Nachbarin hat den Rentner auf das laute Schnarchen hingewiesen. Ein Anstoß für ihn, doch einmal zum HNO-Arzt zu gehen.
 
Lutz Wiederhold:
"Der hat dann eben festgestellt, dass es in meinem Rachen zu wenig Platz gibt zum Atmen und er hat mir dann eben dazu geraten, das rausschneiden zu lassen."
 
 
 
Also eine Operation, bei der die Ärzte das Gaumenzäpfchen kürzen und die weiche Gaumenmuskulatur straffen.
Schnarchen allein gefährdet die Gesundheit des Schnarchers aber nicht.
Dr. Rainer Seidl, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde vom Unfall-Krankenhaus Berlin operiert nur, wenn der Leidensdruck sehr groß ist.
Und nicht bei jedem Schnarcher sollte dieser Eingriff durchgeführt werden.
Bei Lutz Wiederhold ist die Operation möglich, weil vorher im Schlaflabor sichergestellt wurde, dass er beim Schnarchen keine Atemaussetzer - sogenannte Apnoen – hat, sagt Dr. Seidl.

Dr. Rainer O. Seidl
(Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde; Unfallkrankenhaus Berlin Marzahn):
"Viele Menschen haben eben aber neben diesem Geräusch noch ein Schlafapnoe -Syndrom. Und eine solche Operation hilft nicht gegen das Schlafapnoe-Syndrom. Ein Schlafapnoe-Syndrom muss anders behandelt werden."
 
 
 
Und eine 100-Prozent-Garantie, dass das Schnarchen durch die OP völlig verschwindet, gibt es nicht .Häufig wird das Schnarchen nur etwas leiser und das Ergebnis ist individuell sehr verschieden.

Der Weg zu einem guten, erholsamen Schlaf ist manchmal also nicht ganz leicht und sehr unterschiedlich. Und in der Medizin gibt es noch viele ungeklärte Fragen. Vor allem, welche Gene unseren Schlaf wie beeinflussen.
 
Manchmal helfen aber auch schon kleine Tricks im Alltag: Zum Beispiel das Schlafzimmer im Sommer auch tagsüber abzudunkeln, damit die Nacht kühl und angenehm bleibt und die Hitze einem nicht den Schlaf raubt.

Beitrag von Nadine Bader