Mann schläft in einem Park (Quelle: imago/McPHOTO)
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Interview | Gesundes Nichtstun - Mehr Mut zur Faulheit!

"Faul sein" – das hat für viele einen negativen Beigeschmack. Ganz zu Unrecht, denn Nichtstun oder Müßiggang braucht der Mensch, um gesund zu bleiben. Michaela Axt-Gadermann hat gemeinsam mit ihrem Vater ein Buch über das "Glück der Faulheit" geschrieben und ist der Frage nachgegangen, warum Faulheit glücklich und gesund macht. 

Frau Axt-Gadermann, warum ist Faulheit gesund?

Wenn wir faul sind, wenn wir entspannen und uns Muße gönnen, dann kann der Körper ein Spar- und Reparaturprogramm aktivieren. Man kann das vielleicht mit einem Auto vergleichen: Auch ein Auto lässt sich nicht während der Fahrt reparieren, sondern muss erst in einer Werkstatt abgestellt werden, damit man am Motor schrauben kann.

Selbst für Sportler, die ja einen sehr aktiven Lebensstil führen, ist es wichtig zu pausieren, weil Muskeln nicht während des Trainings wachsen, sondern während der Ruhephase. Diese Ruhephasen sind auch wichtig für das Immunsystem, für das Herz-Kreislaufsystem, der Blutdruck kann sinken, der Stresshormonspiegel geht zurück. Und auch für unsere Kreativität ist so eine faule Phase wichtig, denn Ideen kommen nicht unbedingt, wenn ich am Schreibtisch sitze, sondern beim Spazierengehen oder unter der Dusche.

Was ist Faulheit für Sie in diesem Zusammenhang überhaupt?

Diese "gesunde Faulheit" bedeutet nicht, dass ich nur auf der Couch liege und zwischen den Fernsehprogrammen herumzappe, das mag auch mal für eine kurze Zeit in Ordnung sein. Aber gemeint ist, dass ich Dinge tue, die mich erfüllen und die mir Spaß machen, die aber nicht mit der Arbeit oder dem Gelderwerb zu tun haben. Tätigkeiten, die nicht zielgerichtet sind, sondern die ich nur um ihrer selbst willen tue. Das können "Klassiker" sein wie Lesen oder Musik hören; das kann aber auch mit einer gewissen körperlichen Aktivität einhergehen, zum Beispiel eine mehrtägige "Genuss-Radtour", bei der es nicht darum geht, jeden Tag eine bestimmte Strecke zu schaffen, sondern bei der man einfach mal dort bleibt, wo es einem gefällt. Auf diese Art gelingt es oft innerhalb kürzester Zeit komplett vom Alltag abzuschalten, was sonst bei anderen Urlauben häufig nicht so einfach ist.

Das heißt, Faulheit gelingt dann, wenn ich es mir gönne, wenn ich den Mut habe, mir diese Auszeit zu nehmen, und damit ist es vor allem etwas, was im Kopf stattfindet. Worum es bei der "gesunden Faulheit" nicht geht, ist, dass ich mich den ganzen Tag langweile. Es gibt ja auch in der Arbeitswelt den Begriff des "Bore-Out", im Gegensatz zum "Burn-Out". Menschen, die zu wenig zu tun haben, können dadurch ebenfalls gestresst sein.

Was passiert, wenn man sich keine Phasen der Faulheit gönnt?

Man weiß, dass bei Menschen, die unter Dauerstress stehen, der Spiegel des Stresshormons Cortisol dauerhaft erhöht ist und der Körper irgendwann gar kein Cortisol mehr herstellen kann, was zu den Symptomen eines Burn-Out führt. Letztlich dienen Stresshormone evolutionsbiologisch dazu, uns in Gefahrensituationen "auf Hochtouren" zu bringen, um danach auch wieder abzusinken. Heutzutage sinkt der Cortisolspiegel bei vielen Menschen aber gar nicht mehr, weil sie permanent gestresst sind. Das führt auch dazu, dass das Immunsystem nicht richtig arbeitet, weil – evolutionsbiologisch gedacht - Infektbekämpfung im Angesicht eines Raubtieres, nicht im Vordergrund stand. Die Folge ist eine vermehrte Infektanfälligkeit, mit der der Körper sich Ruhephasen quasi einfordert. Und, wer kennt das nicht, dass man ausgerechnet im Urlaub oder am Wochenende krank wird? Dann sinkt die entzündungshemmende Wirkung des Cortisols und wir werden krank. 

Warum gelingt es so vielen Menschen nicht, einfach mal faul zu sein?

Ich beschäftige mich ja schon länger mit dem Thema und was ich beobachte, ist dass es im Bereich des Freizeitsportes, wo es lange Zeit viel um Höchstleistung ging, jetzt Sportarten wie Yoga oder Pilates an Bedeutung gewonnen haben. Das heißt, die Menschen suchen in ihrer Freizeit nicht so sehr die Herausforderung, sondern versuchen, sich dort gemäßigt zu bewegen und auch zu entspannen. Das ist also eher ein positiver Trend in Hinblick auf "gesunde Faulheit".

Was sich aber eher zum Negativen verändert hat, ist die ständige Erreichbarkeit durch das Smartphone. Wir arbeiten nicht unbedingt mehr Stunden, sondern von uns wird erwartet, dass wir ständig erreichbar sind – auch abends und am Wochenende. Das führt natürlich dazu, dass es kaum noch Phasen gibt, in denen man "abschalten" oder gar "faul sein" kann.

Welche Einstiegstipps zum "Erlernen der Faulheit " haben Sie?

Es bringt nichts, wenn man sagt, jetzt fühle ich mich gestresst und fahre zwei Wochen in Urlaub. Die Erholung muss auch im Alltag stattfinden. Dazu kann zum Beispiel gehören, dass ich meiner Freizeit einen genauso großen Stellenwert einräume, wie den beruflichen Terminen. Das heißt, ich sollte auch den Yogatermin oder das Treffen mit Freundinnen in meinen Kalender eintragen und diese Termine auch tatsächlich für Anforderungen aus der Arbeitswelt "blocken".

Während der Mittagspause sollte man vielleicht nicht jeden Tag mit den Kollegen essen gehen, um dann doch wieder nur über die Arbeit zu reden. Nach draußen in den Park gehen oder auch Menschen treffen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, ist deutlich erholsamer – vor allem wenn man das Handy am Arbeitsplatz lässt. Viele Menschen frühstücken gar nicht mehr, weil sie keine Zeit dafür haben oder meinen, keine Zeit dafür zu haben. Dabei wissen wir, wer morgens gut frühstückt, ist bis zum Abend körperlich und geistig leistungsfähiger als jemand, der nicht frühstückt.

Und nicht zuletzt: ausreichender Schlaf. Eine amerikanische Versicherung zahlt ihren Mitgliedern inzwischen Prämien, wenn sie mehrere Nächte mindestens acht Stunden geschlafen haben. Ein Ausgleich kann das sogenannte "Power-Napping" sein, wo man zwischendurch 15 bis 20 Minuten schläft. Dafür stehen in der Arbeitswelt häufig keine Räume zur Verfügung, aber das wäre ein sinnvoller Beitrag für die Gesundheit der Arbeitnehmer.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Axt-Gadermann.

Das Interview führte Ursula Stamm

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