Hand in Gummihandschuh hält Corona Schnelltest (Bild: imago images/xcitepress)
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Interview l Wo hakt's beim Antigentest? - Corona-Schnelltest: Noch kein Gamechanger

Schnelltests sollen helfen, Einrichtungen wie Pflegeheime vor SARS-CoV-2 zu schützen. Zumindest hat das Bundesgesundheitsministerium eine Corona-Testverordnung dazu erlassen. So haben Pflegeheime Anspruch auf die Antigen-Schnelltests. Doch bei der praktischen Umsetzung hakt es gewaltig. rbb Praxis hat bei der Caritas Altenhilfe Berlin nachgehakt.

Ihr Vorteil liegt in der Unabhängigkeit von einem Labor: Sogenannte Antigen-Tests auf SARS-CoV-2 funktionieren - ganz grob gesagt - wie ein Schwangerschaftstest. Nur dass diese taschenmessergroßen Testkits die Eiweiße eines Virus nachweisen, anstelle von Hormonen als Zeichen einer Schwangerschaft.
 
Weil die chemischen Stoffe für den Nachweis alle schon im Testkit stecken, braucht der Antigen-Schnelltest keine Laborauswertung, sondern liefert schnell ein Ergebnis - manchmal schon nach 15 Minuten, je nach Test. Haken bisher noch: Die vom Test zu prüfende Probe, der Abstrich im Nasenrachenraum, kann bislang nur mit Kenntnissen medizinischen Fachpersonals durchgeführt werden.

Frau Appelt, Sie haben selbst schon einen Schnelltest gemacht, um den Aufwand einschätzen zu können - wie ist Ihre Erfahrung?
 
Man ist schon eine Zeit lang beschäftigt. Zuerst muss man dafür sorgen, dass alles hygienisch ist. Es müssen zum Beispiel die Oberflächen desinfiziert und es muss gelüftet werden. Bei dem Test, den wir hatten, musste man auch warten, zum Beispiel während das Teststäbchen in der Flüssigkeit steht. Danach muss man alles dokumentieren. Es muss ja transparent sein. Alles in allem, braucht man ungefähr zehn Minuten und darin ist die Zeit bis zur Anzeige des Testergebnisses noch nicht inkludiert.

Stehen in Ihren Einrichtungen bislang genug Tests zur Verfügung?
 
Wir sind mit der Caritas Altenhilfe in drei Bundesländern vertreten - in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. In Berlin haben wir durch die Senatsverwaltung, die schnell mit der Umsetzung der Teststrategie starten wollte, erste Testkontingente bekommen. Das heißt, die Senatsverwaltung hatte bei den Herstellern schon geordert und dann an die vollstationären Einrichtungen verteilt. Das waren immer etwa 1.000 Stück pro Einrichtung. Wir müssen die Beschaffungskosten vorfinanzieren und im Anschluss Anträge stellen, damit wir die Tests über die Pflegekasse refinanziert bekommen.
 
Immerhin gab es in Berlin überhaupt Tests und wir konnten in der stationären Pflege schon starten. Auf die Lieferung der von uns bestellten Tests für unsere Caritas-Sozialstationen und die vollstationären Pflegeeinrichtungen in Brandenburg und Vorpommern warten wir noch. Die Wartezeiten sind lang, da die Hersteller so überrannt werden, dass es aktuell keine verbindliche Auskunft gibt.

Wie funktioniert die Refinanzierung der Tests?
 
In der Testverordnung ist geregelt, dass die Beschaffungskosten in einer Höhe von bis zu sieben Euro über die Pflegekassen refinanziert werden können. Dafür muss man einen Antrag stellen. Grundlage dafür ist das Testkonzept, das wiederum genehmigt werden muss.
 
Das heißt, die Einrichtungen müssen ein Konzept beim zuständigen Gesundheitsamt - oder wie in Berlin bei der Senatsverwaltung - einreichen. In dem Testkonzept musste man unter anderem auch angeben, wie viele Tests man pro Einrichtung pro Monat ungefähr benötigt.

Die Tests müssen von ohnehin belasteten Pflegekräften durchgeführt werden - zusätzlich zu ihrer alltäglichen Arbeit. Werden Sie personell oder finanziell unterstützt?
 
Das Bundesgesundheitsministerium hat uns informiert, dass es eine finanzielle Unterstützung geben soll. Für die Durchführung der Tests soll es für personelle Kosten neun Euro geben. Das deckt natürlich bei weitem nicht die eigentlichen Personalkosten ab - aber es ist immerhin ein Anfang.

Wie läuft es mit den Schnelltests in Ihren Einrichtungen ganz praktisch ab?
 
Die Mitarbeiter mussten zunächst eingewiesen werden. Das Personal hat von unserer Betriebsärztin eine Videoschulung für die korrekte Anwendung der Tests bekommen. Auf der Grundlage können sich die Mitarbeiter auch gegenseitig anleiten.
Wir haben im Testkonzept der Caritas verankert, dass die Mitarbeiter auch Selbsttests durchführen können, nachdem sie zuvor eine Anleitung erhalten haben. Das wurde zwar durchaus kritisch gesehen, aber ist trotzdem eine angenehmere Situation. Denn wenn man sich vorstellt, dass man vor seinem Kollegen den Mund weit aufsperren muss, damit dieser einen Rachenabstrich machen kann, ist das nicht sehr angenehm. Das sind Rollen, die nicht so gut in ein kollegiales Verhältnis passen.
 
Mit dem Selbsttests erhoffen wir uns eine höhere Akzeptanz für die Tests, denn diese sind ja freiwillig. Außerdem ist bei Selbsttests weniger Personal involviert.

Wie häufig testen Sie die Bewohner*innen?
 
Auch diesbezüglich müssen wir schauen, dass die Leute die Testung akzeptieren. Wir haben als Richtwert erst mal beantragt, wöchentlich zu testen. Allerdings haben wir schon bemerkt, dass das in der Praxis wirklich schwer umzusetzen ist.
 
Mal angenommen, man hat eine Einrichtung mit 90 Bewohnern und geht von zehn Minuten pro Test aus, da kann man sich ausrechnen, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt. Und in dieser Zeit fehlt das Personal bei den Versorgungs- und Betreuungstätigkeiten. Daher schauen wir individuell. Wenn eine Person noch mobil ist und rausgeht, hat sie ein höheres Infektionsrisiko, als eine Person, die bettlägerig ist und kaum Besuch bekommt.

Es ist im Gespräch, dass auch die Besucher*innen getestet werden sollen - wie würde sich das auf den Alltag in Ihren Einrichtungen auswirken?
 
Wir haben in unserem Testkonzept erst mal davon abgesehen. Und zwar aus dem Grund, dass die Hygienevorschriften und Abstandsregelungen nach wie vor einzuhalten sind. Das heißt, ein negatives Testergebnis bedeutet nicht, dass sie diese nicht mehr einhalten müssen. Wir befürchten, dass die Hygieneregeln dann nicht mehr akzeptiert werden. Denn trotz eines negativen Testergebnisses, darf man sich nicht in den Arm nehmen und muss eine Alltagsmaske tragen.

Der zweite Grund ist, dass es natürlich noch aufwändiger ist. Wenn pro Woche noch 100 Besuchspersonen getestet werden müssen, und sie haben noch ihre 90 Bewohner und 75 Mitarbeiter, dann ist das für das Pflegepersonal eine ziemliche Mehrbelastung.
Eine Mehrbelastung, die nicht für wenige Wochen angedacht ist, sondern uns wahrscheinlich bis zum Frühjahr begleiten wird. Das ist personell kaum umsetzbar. Die Gesundheitsämter werden mittlerweile von der Bundeswehr unterstützt. Es wäre eine gute Idee, wenn es externe Unterstützungsmöglichkeiten auch für Pflegeeinrichtungen gäbe.
 
 

Wie blicken Sie unter diesen Voraussetzungen auf die kommende Zeit?
 
Es ist erst mal gut, dass man durch Schnelltests früher Infektionen erkennen und mit weiteren Schutzmaßnahmen frühzeitig reagieren kann. Man kann Wohnbereiche abgrenzen, Personen in den gegenseitigen Kontakten isolieren und auch schauen, dass das Personal sich nicht durchmischt.
 
Die Frage ist natürlich, wie sicher diese Tests sind und wie die Kette aussieht, die nach einem positiven Test vorgesehen ist. Zum Beispiel, ob mit einem PCR-Test nachgetestet wird. Wenn ein Mitarbeiter zum Beispiel wegen eines falsch-positiven Schnelltestergebnisses ausfällt, weil er in häuslicher Quarantäne auf das Ergebnis des PCR-Tests wartet, entstehen schnell personelle Engpässe.

Frau Appelt, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Laura Will.

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