Symbolfoto: Corona Schutzimpfung fuer Kinder und Jugendliche (Quelle: imago/Sven Simon)
Bild: imago/Sven Simon

Interview l STIKO-Empfehlung - Corona-Schutzimpfung für Kinder und Jugendliche?

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Coronaimpfung von BioNTech/Pfizer nur eingeschränkt für Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren. Was das für die Familien bedeutet hat die rbb-Praxis Jakob Maske gefragt, Sprecher des Berufsverbandes der Berliner Kinder- und Jugendärzte.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Corona-Impfung für Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren nur im Falle bestimmter Vorerkrankungen.

Zur COVID-19-Schutzimpfung bei Kindern und Jugendlichen und die Folgen einer solchen Empfehlung für Familien hat für die rbb Praxis Volkart Wildermuth Jakob Maske befragt. Er ist Sprecher für den Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. und Kinderarzt in Berlin.

Herr Maske, wie gut wirkt der mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer bei Kindern und Jugendlichen?

Es ist so, dass die Impfung offenbar auch bei Kindern und Jugendlichen sehr gut wirkt. Der Wirkungsgrad liegt nahezu bei 100 Prozent.
 
Die Risiken von Nebenwirkungen sind noch nicht gut bekannt. Wahrscheinlich sind sie nicht sehr hoch, das zeigen die ersten Daten, die wir aus Amerika, Kanada, Israel haben. Aber die Daten reichen eben noch nicht aus, um darüber eine sichere Auskunft zu geben.
Die Zulassungsstudie ist mit circa 1.100 Kindern gemacht worden, die gegen Corona geimpft wurden. Wenn Sie überlegen, was zum Beispiel beim Astra Impfstoff passiert ist, da sind ja Millionen von Impfstoffen verimpft worden, bis die ersten Nebenwirkungen der sehr seltenen Hirnvenen-Thrombosen auffielen. Mit 1.100 Patienten kann man das Risiko noch nicht genau einschätzen.
 
Deswegen hält sich die STIKO hier noch zurück, eine generelle Empfehlung auszusprechen. Das finden wir gut so, weil die Kinder und Jugendlichen in dieser Altersgruppe natürlich auch eigentlich gar nicht schwer erkranken. Zum Glück sind das wirklich Raritäten, dass das Coronavirus in diesem Alter eine schwere Erkrankung auslöst.

Infos im Überblick

Empfehlungen der STIKO

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat die Impfung von BioNTech/Pfizer auch für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen, die Ständige Impfkommission empfiehlt sie aber nicht für alle. Ist das nicht verwirrend für die Eltern?

Das ist ja nicht nur für Eltern verwirrend, das ist ja auch für Politiker und auch Kollegen verwirrend. Ich denke, wir sind in Deutschland eben ein Land, was auf die Sicherheit sehr bedacht ist. Und gerade wenn wir eben eine Patientengruppe haben, die eigentlich von der Krankheit selber kaum betroffen ist, muss ein Impfstoff eben besonders sicher sein.
 
Die EMA war mit der Datenmenge zunächst mal zufrieden und hat diesen Impfstoff zugelassen. Das heißt noch nicht, dass es dafür eine Empfehlung gibt, ihn auch zu verimpfen. Dafür ist in Deutschland die Ständige Kommission zuständig.
Die STIKO wird die Impfung für spezielle chronisch erkrankte Kinder und Jugendliche empfehlen. Und zwar für die, bei denen man jetzt schon weiß, dass sie durch die Viruserkrankung sehr stark in Mitleidenschaft gezogen werden, dass bei ihnen schwere Krankheitssymptome auftreten oder sie sogar sterben könnten. Für diese Gruppen wird es die Empfehlung geben und für andere noch nicht.

Wir schätzen die Arbeit der STIKO sehr, weil sie sehr genau ist und wir nach der Empfehlung auch Eltern deutlich sagen können: "Ja, hier hat eine gute Nutzen-Risiko-Abwägung stattgefunden. Für Ihr Kind ist das eine tolle Impfung. Es gibt keine Probleme. Sie brauchen keine Angst zu haben." Das ist uns wichtig, dass wir so beraten können.
Es kann auch geimpft werden, um andere Risikopersonen zu schützen. Wenn wir eine Großfamilie haben mit vier Kindern und das dritte Kind zum Beispiel hat eine Trisomie 21 und ist vielleicht zehn Jahre alt und kann selbst nicht geimpft werden - dann impfen wir die zwei größeren Kinder und die Eltern, um eben dieses Kind mit der Trisomie zu schützen.

Gibt es eine große Nachfrage bei den Kinder- und Jugendärzten von Eltern, die ein Impfung für ihre 12- bis 16-jährigen Kinder haben wollen?

Ja, die Nachfrage ist relativ groß und der Beratungsbedarf ist sehr hoch, weil eben eine große Verwirrung entstanden ist. Da hieß es: "Jeder kriegt ein Angebot, jeder darf einen Termin machen." Hier sagen viele natürlich: "Ja, wieso eigentlich nicht? Machen wir doch einfach mal schnell."
Andere haben sehr viel Angst davor, dass ihre Kinder an Corona erkranken. Jugendliche selber haben häufig auch Ängste, dass sie ihre Großeltern anstecken oder auch ihre Eltern anstecken. Es gibt auch Eltern, die ihre Kinder unbeschwert mit in den Urlaub nehmen wollen.
 
Wir werden diese Eltern natürlich über das niedrige Krankheitsrisiko aufklären. Wir werden auch weiterhin politisch dafür kämpfen, dass Kindern und Jugendlichen ganz unabhängig von einer Impfung ermöglicht wird, am sozialen Leben teilzuhaben.
Und natürlich können wir als Kinder- und Jugendärzte auch ganz individuell entscheiden. Wenn es jetzt für diese Familie einen wichtigen Grund gibt, der nicht unbedingt nur medizinisch sein muss, dann können wir diese Kinder und Jugendlichen auch impfen. Aber auch da wägen wir mit Kindern, Jugendlichen und Eltern zusammen ab, ob es nicht andere Gruppen gibt, die zumindest ein höheres Risiko haben und vielleicht eher einer Impfung bedürfen.

Wird es denn genügend Impfstoff bei den Kinder- und Jugendärzten geben, um diese Kinder zu schützen?

Wir Kinder- und Jugendärzte impfen schon seit Ende April auch gegen Corona, nicht nur die Kinder und Jugendlichen, sondern wir impfen natürlich auch Eltern von schwerkranken Kindern. Das werden wir auch weiter so tun und dafür werden wir auch genügend Impfstoff haben.
 
Natürlich haben wir immer noch eine Impfstoff-Knappheit. Deshalb werden wir nicht einfach so drauf los impfen, sondern vor allen Dingen die Risikogruppen. Und dafür wird es genügend Impfstoff geben, in der insgesamt doch knappen Ausgangslage.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Maske.
Das Interview führte Volkart Wildermuth.

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