Computeranimation: Ein Mann wehrt Bakterien ab (Quelle: imago/Science Photo Library)
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Infektionen und deren Folgen - Immundefekte – wenn das Abwehrsystem geschwächt ist

Unser Körper ist mit einem ausgefeilten Verteidigungsmechanismus, dem Immunsystem, ausgestattet. Die köpereigene Abwehr gelingt aber nur, wenn alle Elemente des Immunsystems einwandfrei funktionieren. Kleine Störungen können das ganze System ins Wanken bringen. Die Folgen können lebensbedrohlich sein.

Menschen mit einem geschwächten Immunsystem besitzen eine nur eingeschränkte Fähigkeit, auf Infektionen zu reagieren und sie zu überwinden. Die Patienten*innen leiden daher häufiger an Infektionen, die im Vergleich zu Immungesunden einen schweren Verlauf haben und lebensbedrohlich sein können.
 
Während sekundäre, erworbene Immundefekte durch Krankheiten, z. B. durch virale Infektionen (HIV), Medikamente, Fehl- und Mangelernährung entstehen, leiden manche Patienten an einem angeborenen Immundefekt. Laut der medizinischen Leitlinie "Diagnostik von primären Immundefekten" sind mittlerweile mehr als 170 angeborene Immundefekte bekannt.

Warnzeichen für eine angeborene Immunschwäche

Hinter häufigen, ungewöhnlich lang anhaltenden Infektionen mit schwerem und kompliziertem Verlauf kann sich also ein angeborener Immundefekt verbergen. Diese Erkrankungen werden auch als "Primäre ImmunDefekte", PID bezeichnet. Früher waren Mediziner der Auffassung, dass PID sehr seltene Erkrankungen sind. Heute gehen Schätzungen davon aus, dass ein bis zwei von 1.000 Menschen an einem PID leiden.
 
Ärzt*innen sollten hellhörig werden, wenn Infekte mit den klassischen Symptomen wie Fieber, Husten, Erbrechen oder Durchfall zu häufig auftreten und eine Therapie mit Antibiotika nur kurze Linderung verschafft. Doch aufgrund der meist unspezifischen Symptome werden angeborene Immundefekte viel zu selten diagnostiziert. Zu den Warnzeichen für eine angeborene Abwehrschwäche gehören:
 
- Auftreten von Immundefekten in der Familie
 
- Acht oder mehr eitrige Mittelohrentzündungen pro Jahr
 
- zwei oder mehr schwere Nasennebenhöhlenentzündungen pro Jahr
 
- zwei oder mehr Lungenentzündungen innerhalb eines Jahres
 
- Antibiotika-Therapie über zwei oder mehr Monate ohne Effekt
 
- Impfkomplikationen bei Schluckimpfung gegen Kinderlähmung oder Neugeborenen-Impfung gegen Tuberkulose
 
- Gedeihstörung (Entwicklungsstörung) im Säuglingsalter, mit und ohne chronische Durchfälle
 
- Eiteransammlung tief unter der Haut oder in inneren Organen
 
- Zwei oder mehr Infektionen der inneren Organe pro Jahr (u. a. Hirnhautentzündung, Knochenmarkentzündung, Blutvergiftung)

- Hartnäckige Pilzinfektionen an Haut und Schleimhaut (besonders auf der Mundschleimhaut) nach dem 1. Lebensjahr

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Arten von angeborenen Immundefekten

Wenn ein gesunder Mensch mit einem Krankheitserreger in Berührung kommt, werden seine weißen Blutkörperchen aktiv, um den Erreger durch Herstellung von körpereigenen Abwehrstoffen (Antikörpern) unschädlich zu machen. Bei angeborenen Immundefekten ist das Abwehrsystem aber gestört.
 
Jede dieser Krankheiten hat ihre spezifische Eigenart. Bei einem Teil der Erkrankungen liegen besonders niedrige Antikörperwerte vor. Bei anderen wirken sich genetische Veränderungen auf T-Zellen (verantwortlich für das Auslösen einer gezielten Immunantwort), auf B-Zellen (zuständig für die Bildung von Antikörpern), auf Granulozyten (zuständig für die Erkennung und Abwehr von Bakterien oder Parasiten) oder auf andere Teile des Immunsystems aus.
 
Bei kombinierten Immundefekten sind sowohl T- als auch B-Zellen betroffen. Die schwerste Erkrankungsform stellt der schwere kombinierte Immundefekt (severe combined immunodeficiency, SCID) dar. Mit wenigen Ausnahmen versterben an SCID erkrankte Kinder ohne Therapie innerhalb des ersten Lebensjahres. Bei Verdacht auf einen angeborenen Immundefekt sollten Patienten sich unbedingt von einem Spezialisten untersuchen lassen. In der Regel kann der Immundefekt mithilfe einer Blutuntersuchung festgestellt werden.

Behandlung von angeborenen Immundefekten

Angeborene Immundefekte sind meist gut behandelbar, wenn auch zum Teil mit aufwendigen Behandlungsverfahren. Voraussetzung für eine wirksame Therapie ist aber eine Diagnosestellung zu einem frühen Zeitpunkt, so dass die Therapie sinnvoll und noch möglich ist. D.h. also, dass der Körper noch nicht durch Infektionen irreversibel geschädigt wurde. Liegt bei Patient*innen ein Antikörpermangel vor, ermöglicht eine entsprechende Therapie, ein weitgehend normales Leben zu führen. Dabei müssen dem Körper die fehlenden Antikörper (Immunglobuline) zugeführt werden.

"Ersatz-Antikörper" - wie geht das?

Für die Gabe von Antikörpern gibt es verschiedene Möglichkeiten: Die lebenswichtigen Antikörper können bei einem Teil der Patient*innen direkt unter die Haut gespritzt werden. Diese Therapie kann der Patient/die Patientin in der Regel selbst zu Hause durchführen. Andere Erkrankte erhalten intravenöse Injektionen, d.h. also die regelmäßige Gabe von Antikörpern erfolgt über die Vene. Die betroffenen Patient*innen müssen dafür regelmäßig eine entsprechende Immundefekt-Ambulanz aufsuchen.
 
Bei besonders schweren Fällen ist eine Knochenmarktransplantation notwendig. Auch Patient*innen mit einem schweren kombinierten Immundefekt müssen eine für sie lebensrettende Knochenmarktransplantation erhalten. Nur so können sie ein funktionierendes Immunsystem aufbauen. Einen möglichen zukünftigen Behandlungsansatz stellt die Gentherapie dar. Dabei wird in die Erbsubstanz (DNA) des Patienten/der Patientin ein intaktes Gen eingesetzt wird, um die Funktion des gestörten Gens wieder herzustellen.

Beitrag von Nadine Bader

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