Impfpass mit Impfdosis und Spritze auf einem Tisch (Bild: imago images/Future Image)
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Interview l Schutz gegen Wundstarrkrampf - Tetanus-Impfung: Auffrischung nicht vergessen!

Derzeit sprechen fast alle nur noch über die COVID-19-Impfung. Doch es gibt auch andere Infektionskrankheiten, gegen die man sich schützen sollte. Zum Beispiel gegen Tetanus, den so genannten Wundstarrkrampf. Welche Gefahr geht von Tetanus aus und wie funktioniert der Schutz? Fragen an den Allgemeinmediziner Martin F.J. Bauer aus Berlin-Schöneberg.

Herr Bauer, wie kommt es zu einer Tetanus-Infektion und was ist so gefährlich daran?
 
Tetanus oder auch der Wundstarrkrampf wird durch das Bakterium Chlostridium tetani verursacht. Das ist ein Bakterium, welches in Sporenform - also dauerhaft - überall draußen vorkommt, auf dem Boden, im Dreck, auch im Kot von Tieren. Die Eintrittspforte ist eine Wunde und erst wenn die Sporen in den Körper gelangt sind, wandeln sie sich wieder zu Bakterien.

Im Körper vermehren sie sich dann und scheiden ein Gift aus, was zu dem Wundstarrkrampf führt. Dieses Gift verursacht Krämpfe der Muskulatur, die schmerzhaft sind und die letztendlich in einem dauerhaften Krampf enden, der auch die Atemmuskulatur betrifft. Man erstickt dann qualvoll, wenn der Wundstarrkrampf nicht behandelt wird.
 
In Deutschland erkranken jährlich weniger als fünfzehn Menschen an Tetanus, überwiegend ältere Erwachsene. Vor 1970 waren es noch weit über 100 Erkrankte. Das ist der hohen Rate an Impfungen gegen Tetanus zu verdanken. Wenn jemand an Tetanus erkrankt ist, muss er auf der Intensivstation behandelt und beatmet werden. Man gibt dann sowohl entkrampfende Medikamente, als auch Antikörper in Form von Immunglobulinen.
Tetanus ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, an der nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation weltweit jährlich immer noch über eine Million Menschen sterben.

Grundimmunisierung

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt für Säuglinge und Kleinkinder für den Sechsfachimpfstoff (Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Polio, Hib und Hepatitis B) folgendes Impfschema:

· Die erste Impfung erfolgt im Alter von 2 Monaten (möglichst ab der 8. Woche)

· Die zweite Impfdosis bekommt das Kind 8 Wochen später im Alter von 4 Monaten.

· Die letzte Teilimpfung wird noch vor dem Ende des ersten Lebensjahres gegeben (im Alter von 11 Monaten). Der Abstand zur zweiten Impfdosis sollte mindestens 6 Monate betragen.

· Die erste Auffrischimpfung gegen Tetanus, wie auch für Diphtherie und Pertussis (Keuchhusten) wird für Kinder im Alter von 5 bis 6 Jahren (d. h. vor dem Schulbeginn) empfohlen, einen weitere im Alter zwischen 9 und 17 Jahren.

Warum ist eine Impfung gegen Tetanus so wichtig?
 
Da diese Sporen überall in der Erde vorkommen, kann man sich doch recht schnell damit infizieren. Und wer nicht durch eine Impfung geschützt ist, hat ein recht hohes Risiko, an Tetanus zu erkranken.
 
In Deutschland ist es so, dass so gut wie alle Menschen als Kind eine Impfung gegen Tetanus erhalten. Dadurch kommt die Erkrankung so gut wie nicht mehr vor, weil es eine hoch wirksame Impfung ist.

Reicht die Grundimmunisierung gegen Tetanus, die in der Kindheit aufgebaut wurde, ein Leben lang?
 
Nein. In der Regel werden die Kinder vor der Einschulung nochmal geimpft und die Jugendlichen, wenn sie ihre letzten Routineuntersuchungen beim Kinderarzt haben. Danach sollten Jugendliche und Erwachsene alle zehn Jahre eine Auffrischimpfung erhalten.
 
Als Hausarzt frage ich meine Patienten und Patientinnen regelmäßig nach ihrem Impfstatus und versuche, sie an alle notwendigen Impfungen zu erinnern. Beim Check-Up 35 und dann alle drei Jahre gehört die Durchsicht des Impfbuchs auch routinemäßig dazu.

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Wissen die meisten Menschen, ob ihre Immunisierung gegen Tetanus ausreichend ist?
 
Eher nicht. Da der Abstand von zehn Jahren zwischen den Auffrischimpfungen doch recht lang ist, verlieren viele das aus dem Blick. Und ein Impfbuch wird eben auch schnell mal verlegt.

Was tun Sie dann, wenn jemand mit einer Wunde zu Ihnen kommt?
 
Wenn der Impfstatus nicht klar ist, impfe ich unter Umständen sofort. Entweder mit dem klassischen Impfstoff, bei dem sich ein Schutz erst aufbaut (aktive Immunisierung). Oder, wenn die Wunde sehr groß und stark verunreinigt ist, auch gleichzeitig mit Immunglobulinen, die Antikörper gegen die Giftstoffe des Tetanus-Bakteriums enthalten (passive Immunisierung).
 
Wenn jemand seinen Impfstatus nur vorübergehend nicht weiß und das Impfbuch nachreichen kann, kann man auch mal einen Tag warten, bevor man eine Auffrischimpfung gibt.

Kann es sinnvoll sein, den Antikörper-Titer in Bezug auf Tetanus zu bestimmen?
 
Das macht man in der Regel eher nicht. Diese Bestimmung ist recht aufwendig und dauert auch seine Zeit. Untersucht werden dann die Antikörper gegen die Giftstoffe (Toxoid) des Bakteriums Chlostridium tetani.
 
Man geht davon aus, dass ab einer bestimmten Anzahl von Antikörpern auch ein ausreichender Schutz besteht; ganz genau wissen tut man das aber nicht. Von daher würde man, vor allem im akuten Verletzungsfall, auf Nummer sicher gehen und eine Auffrischimpfung geben.

Mit welchem Impfstoff wird gegen Tetanus geimpft?
 
Es gibt verschiedene Impfstoffe, die sich vor allem dadurch unterscheiden, mit welcher anderen Impfung sie kombiniert werden. Derzeit gibt es keinen Mono-Impfstoff gegen Tetanus, sondern es ist mindestens eine Kombination aus Tetanus und Diphterie, häufig auch noch gegen Keuchhusten. Kinder werden sogar mit einem Sechsfachimpfstoff geimpft. Da bei ihnen in recht kurzem Abstand mehrere Auffrischimpfungen notwendig sind, wäre das ohne diese Kombinationsimpfstoffe kaum praktikabel.

Gibt es Nebenwirkungen bei der Tetanus-Impfung?
 
Impfkomplikationen, also nicht die normalen Impfreaktionen, sind extrem selten. 1 zu 200.000 bis 1 zu einer Million sind hier die Zahlen. Normale Impfreaktionen sind Schmerzen an der Einstichstelle, Temperaturerhöhung, Frösteln, Müdigkeit, Muskelschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden. Diese Impfreaktionen treten aber meist direkt nach der Impfung auf und verschwinden in der Regel nach einigen Tagen.

Wenn ich mich zum Beispiel im Garten verletzt habe und meinen Impfstatus in Bezug auf Tetanus nicht kenne, wann sollte ich dann zum Arzt gehen?
 
Bei unklarem Impfstatus sollte man eigentlich bei jeder Wunde, die man sich unsauber zuzieht, zum Arzt gehen und sich gegen Tetanus impfen lassen. Der Klassiker ist die Verletzung im Garten, bei der die Wunde mit Erdreich verunreinigt wurde. Wenn Sie sich mit einem sauberen Küchenmesser in den Finger schneiden, dann ist das Messer zwar auch nicht steril. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass Sie sich dabei mit dem Tetanus-Bakterium infizieren.
Anders sieht das aus, wenn das Messer vorher mit Fleisch oder Gemüse in Kontakt war - da können diese Bakterien durchaus dran sitzen.

Viele, die regelmäßig im Garten arbeiten, achten auf ihren Impfstatus in Bezug auf Tetanus. Bei Verletzungen durch Gartenarbeit, aber auch bei Sportverletzungen kommt es dann durchaus zu Infektionen, die aber durch die Impfung in Schach gehalten werden.
 
Dieser Schutz ist aber irgendwann erschöpft und deshalb sollte man alle zehn Jahre seinen Tetanusschutz auffrischen lassen.

Kann man durch das Tetanus-Bakterium auch eine Blutvergiftung bekommen?
 
Die Tetanus-Bakterien bzw. ihre Giftstoffe wirken ja neurotoxisch, das heißt sie zerstören Nervenzellen und führen zu Verkrampfungen der Muskulatur im gesamten Körper.
 
Bei einer Blutvergiftung, einer Sepsis, dringen Bakterien, Viren oder Pilze über eine Verletzung in die Blutbahn und vermehren sich dort. Diese "Erregerüberschwemmung" kann dann im schlimmsten Fall zum Versagen sämtlicher Organe führen.

Wie könnte man besser dafür sorgen, dass die Tetanus-Auffrischimpfung alle zehn Jahre auch tatsächlich stattfindet?
 
Ich kann als Patient bei meiner Hausärztin veranlassen, dass ich regelmäßig an Impfungen erinnert werde. Dazu muss man eine Datenschutzerklärung unterschreiben, die ich als Arzt laut Datenschutzverordnung allerdings nach zehn Jahren vernichten muss. Das ist jedoch genau der Zeitraum, nach dem eine Auffrischimpfung für Tetanus wieder fällig wäre. Das eignet sich also nur bedingt.
 
Was man machen kann ist, Erinnerungen an Impftermine im Smartphone abzuspeichern. Oder man nutzt eine der Impf-Apps, die es inzwischen gibt.

Herr Bauer, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Ursula Stamm

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