Erschöpfte Frau liegt auf Sofa (Quelle: imago/Panthermedia)
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Erfahrungen einer Patientin - Long COVID: Besonders Jüngere sind betroffen

Es ist nichts mehr wie vor der COVID-19 Erkrankung. Und es trifft vor allem junge Menschen nach einem Erkrankungsverlauf, der oft gar nicht so schwer war. Long COVID. Mehr als 200 verschiedene Symptome werden beschrieben, aber im Vordergrund steht bei vielen Betroffenen die ständige Erschöpfung.

Wie bei der 35-jährigen Mia. Sie spricht offen über ihre Erkrankung und ist im vergangenen Jahr politisch geworden, engagiert sich bei der bundesweiten Initiative "Long COVID Deutschland". Die schätzt, dass es hierzulande ungefähr 600.000 Betroffene gibt.

Es existieren viele verschiedene Begriffe für die Krankheit, unter anderem Fatigue-oder Erschöpfungssyndrom. Wie heißt es richtig?

Fatigue ist nur ein Symptom. Worunter ich leide heißt ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom) und das ist ein komplexes Krankheitsbild. Die Fatigue ist ein Teil davon, aber es gibt noch viele andere Symptome wie zum Beispiel, Atemnot oder Konzentrationsschwierigkeiten. Man kann Fatigue sagen, aber auch von chronischer Erschöpfung sprechen oder von einer Belastungsintoleranz. Denn das Problem bei uns Betroffenen ist, dass wir nicht nur wenig Energie haben, sondern, wenn wir uns belasten, dann verschlimmert sich unser Zustand. Als Folge einer COVID-19 Infektion sprechen viele auch von Long COVID. Allerdings gibt es ME/CFS auch als Folge anderer viraler Infektionen wie Grippe oder dem Pfeifferschen Drüsenfieber.

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Seit wann leiden Sie unter ME/CFS und wie äußert sich das?

Ich bin im März 2020 an COVID-19 erkrankt und leide seitdem unter dem, was man ME/CFS nennt. Ich bin meiner eigenen Wahrnehmung nach mittelschwer betroffen. Das heißt, ich kann meinen Alltag manchmal besser, manchmal schlechter bewältigen und bin sehr stark auf Hilfe angewiesen. Ich kann eigentlich fast kaum noch arbeiten und wenn auch nur im Sitzen, wenige Stunden pro Woche und in schlechten Wochen kann ich gar nicht arbeiten und kann nur schwer das Bett verlassen.

Wie schwer ist ihre COVID-19 Erkrankung verlaufen?

Die Erkrankung selber würde man wahrscheinlich als moderat bezeichnen. Ich hatte damals zwar auch Organschäden, aber ich war nie stationär im Krankenhaus . Ich habe die Erkrankung zu Hause durchgemacht und war einmal ambulant in der Klinik und wurde dann auch nur getestet. Ich habe im Vergleich zu vielen anderen Betroffenen Glück, dass ich aus der ersten Welle stamme und einen Nachweis meiner Erkrankung habe. Das war damals gerade bei jungen Patienten und Patientinnen nicht immer der Fall.

Kamen die Long COVID Symptome für Sie überraschend?

Ja, das kam auf jeden Fall überraschend. Nach einer solchen Erkrankung geht man ja davon aus, dass es dann irgendwann wieder gut ist, dass man normal weiterleben und auch wieder normal arbeiten gehen kann. Das war dann aber nicht der Fall. Ich hatte immer wieder so genannte Crashs, also Zusammenbrüche, wo nichts mehr ging. Aber das konnte ich damals noch nicht benennen. Ich wusste überhaupt nicht, was los war. Ich war monatelang sehr verwirrt, denn damals war das alles noch sehr neu und es gab wenige Fälle wie mich. Inzwischen gibt es tausende, hunderttausende Fälle wie mich. Damals gab es auch kaum Ärzte, die sich damit befasst haben und sich auskannten. Ich bin erst mal sehr lange gegen die Wand gerannt mit dieser Erkrankung.

Long COVID Symptome und andere Fakten

  • Von denjenigen, asymptomatisch, mild oder moderat auf eine SARS-CoV-2 Infektion reagiert haben und die nicht ins Krankenhaus mussten, entwickeln zehn Prozent Long COVID Symptome. Davon spricht man, wenn die Beschwerden länger als drei Monate anhalten. 45 Prozent der Long COVID Betroffenen können nach sechs Monaten noch nicht wieder voll arbeiten; 22 Prozent sind arbeitsunfähig.
  • Zu den häufigsten Symptomen von Long COVID gehören: postvirale Fatigue (krankhafte Erschöpfung), Symptomverschlechterung nach körperlicher und mentaler Belastung, neuro-kognitive Störungen (u.a. Konzentrationsschwierigkeiten) und Atemnot. Viele Beschwerden ähneln denen einer Myalgischen Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS)
  • Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 6. Oktober 2021 handelt es sich bei Long bzw. Post COVID um eine eigenständige Erkrankung. Als mögliche Ursachen werden genannt: Autoimmunprozesse, Entzündungsvorgänge, Gefäßerkrankungen und Störungen des Nervensystems.
  • Derzeit gibt es deutschlandweit rund 70 so genannte Post COVID-Ambulanzen. Allerdings sind zwei Drittel der Ambulanzen nicht interdisziplinär ausgerichtet und nur zwei Ambulanzen sind auf die postvirale Fatigue spezialisiert.
  • Die Wartezeiten für stationäre Post COVID-Rehabilitationen liegen zum Teil bei über sechs Monaten und nicht alle Kliniken sind auf die vielfältigen Symptome von Long COVID eingerichtet.
  • Im September 2021 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung 6,5 Millionen Euro für die Long COVID-Forschung vergeben. Zum Vergleich: in den USA sind es 1,15 Milliarden US Dollar, in Großbritannien 20 Millionen Pfund. Allerdings wurden Maßnahmen zur besseren Erforschung und Versorgung der Langzeitfolgen von COVID-19 und von ME/CFS in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aufgenommen

Quelle: www.longcoviddeutschland.org

Wie sind Sie dann mit diesem Zustand umgegangen? Haben Sie es selbst denn ernst genommen?

Erst dachte ich, das sei so eine Art Rückfall. Ich habe gar nicht gecheckt, dass das jetzt was Neues ist. Ich habe erst gedacht, ich hätte wieder Corona und wusste nicht, ob ich mich vielleicht noch mal infiziert habe; also ich war völlig verwirrt. Viele Symptome waren genauso, wie in der akuten Phase von Corona. Ich kam die Treppe nicht hoch, ich hatte wieder Fieber. Mir ging es einfach wieder sehr, sehr schlecht und ich wusste nicht, ob die Krankheit nur eine kurze Pause gemacht hatte.
 
Dann habe ich irgendwann angefangen zu recherchieren, habe eine Selbsthilfegruppe gefunden, die es auch bis heute gibt. Daraus haben wir jetzt eine Patienteninitiative gegründet, "Long COVID Deutschland". Und dort habe ich dann Anschluss gefunden und andere Patienten, die dasselbe berichtet haben. Und da habe ich gedacht, wenn es so vielen anderen Menschen auch so geht, dann bilde ich mir das nicht ein und dann scheint das eine häufiger vorkommende Geschichte zu sein, die man unbedingt ernstnehmen muss. In der Selbsthilfegruppe konnten wir uns gegenseitig gut unterstützen. Wäre da jeder allein für sich gewesen, dann wären alle komplett wahnsinnig geworden, weil uns ständig gesagt wurde, das könnte psychosomatisch sein oder wir würden uns das vielleicht nur einbilden. Das war eine sehr schwere Zeit und es ist leider nicht so, dass inzwischen alle Ärzte über das Krankheitsbild aufgeklärt sind. Es braucht noch sehr viel Aufklärung, überall.

Was hat Ihnen in dieser Situation geholfen und wo haben Sie medizinische Hilfe gefunden?

Ich hatte das Glück, dass ich nach ein paar Monaten in die Sprechstunde für Menschen mit ME/CFS an der Charité bei Prof. Carmen Scheibenbogen gekommen bin. Sie hat mir viel erklärt und auch Tipps gegeben, wie ich mit der Erkrankung umgehen kann. Hinzu kommt: Ich habe noch eine weitere Erkrankung, POTS (Posturales Tachykardie Syndrom) eine Störung des autonomen Nervensystems. Das heißt, dass bei mir das Blut nicht mehr ausreichend durch den Körper gepumpt wird. Und das äußert sich vor allem im Stehen. Das heißt, sobald ich mich hinstelle, versackt das Blut bei mir in den Beinen, mir wird schwindlig, mein Herz schlägt extrem schnell. Dagegen gibt es aber Dinge, die man unterstützend tun kann, zum Beispiel ganz viel Wasser trinken und ganz viel Salz essen, um das Blutvolumen zu steigern. Und wenn ich das nicht wüsste, dann würde ich eventuell häufiger mal dehydrieren und in Ohnmacht fallen. Dadurch, dass Prof. Scheibenbogen mir das erklären konnte, ist mein Leben jetzt erträglicher. Wichtig ist aus meiner Erfahrung, den Betroffenen das Krankheitsbild zu erklären und ihnen bestimmte Maßnahmen beziehungsweise Techniken an die Hand zu geben, mit denen man die Symptome bessern kann. Eine dieser Maßnahmen ist das so genannte Pacing.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff 'Pacing'?

Pacing ist für mich eine der wichtigsten Maßnahmen, sozusagen die absolute Maxime im Umgang mit der Krankheit. Pacing bedeutet, dass man sich nur so stark belastet, wie man kann. Man geht nie über seine Belastungsgrenze hinaus, denn dann provoziert man eine Verschlechterung der Krankheit. Das ist einfach gesagt, aber das ist gar nicht so leicht umzusetzen. Denn, wenn man gerade schwer betroffen ist, ist schon der Gang zur Toilette teilweise extrem belastend. Das heißt, man muss sehr flexibel auf den gerade vorhandenen Energiehaushalt eingehen. Das ist keine feste Größe, sondern wenn ich zum Beispiel schlecht geschlafen habe oder mich einfach schwach fühle, dann muss ich vielleicht meine Aktivitäten an dem Tag noch stärker einschränken, um keine Verschlechterung zu riskieren.

Sie können nur noch eingeschränkt arbeiten, was bedeutet das für Sie?

Für mich persönlich ist es auf jeden Fall eine starke finanzielle Einschränkung und auch in unserer Gruppe sehen wir, dass sehr viele Leute arbeitsunfähig sind. Hinzu kommt: es gibt noch keine flächendeckende Anerkennung von Long COVID und ME/CFS, das heißt, die meisten Leute landen dann, wenn das Krankengeld irgendwann nicht mehr gezahlt wird, in der Sozialhilfe. Das ist ein echt schwieriger Zustand, auf den wir als Initiative "Long COVID Deutschland" auch gerade versuchen aufmerksam zu machen. Wir können ja nicht als Gesellschaft sagen: diese hunderttausende chronisch kranke Menschen können jetzt ohne Hilfe und ohne finanzielle Unterstützung mal sehen, wie sie klarkommen. Das können wir uns als Gesellschaft nicht erlauben. Und man muss sich auch überlegen, was das eigentlich bedeutet, wenn Menschen an Long COVID erkranken, die aus Pflegeberufen und dem medizinischen Bereich kommen. Die waren an erster Front und haben sich infiziert, weil sie uns durch die Pandemie gebracht haben. Und diese Menschen sind jetzt arbeitsunfähig. Das ist neben dem humanistischen Aspekt auch schlecht für das Gesundheitswesen, weil diese Menschen auch in Zukunft fehlen werden. Und auch da müssen wir ganz dringend dafür sorgen, dass sich das verbessert.

Wie kommen Sie persönlich damit zurecht, dass Sie im Alltag nicht mehr so leistungsfähig, sondern oft sehr erschöpft sind?

Es ist schwer, "Pacing" wirklich umzusetzen. Wenn man sich gerade wieder besser fühlt, dann möchte man natürlich nichts lieber machen als alles aufholen, was man vorher nicht geschafft hat. Und das hat dann häufig zur Folge, dass man von einem Crash in den nächsten gelangt. Mir fällt es bis heute schwer, ich bin ein sehr aktiver Mensch und ich mag gerne tausend Dinge tun und bin sehr motiviert. Das unterscheidet das Krankheitsbild auch sehr stark von Menschen, die depressiv sind oder ein Burnout haben. Die sind auch erschöpft und es ist nicht immer leicht, das abzugrenzen. Aber, was uns unterscheidet ist, dass wir häufig hochmotiviert sind und uns aber einfach die Kraft fehlt, die Dinge zu tun. Wir können zum Beispiel keinen Sport machen. Wir profitieren auch nicht von Sport, sondern wir müssen wirklich immer Energiemanagement betreiben. Ich mache es jetzt seit knapp anderthalb Jahren und ich merke, dass ich darin besser werde. Aber es hat lange gedauert, bis ich in eine Form von Akzeptanz gelangt bin, die mir hilft, meinen Zustand nicht zu verschlechtern. Ich finde es immer noch super schwer und ich kann auch nur jedem Betroffenen sagen: Seid nicht zu hart zu euch. Man macht immer mal wieder Fehler und es gibt auch äußere Faktoren, die auslösen, dass es einem schlechter geht, für die man gar nichts kann. Dann hilft es nur, diesen Zustand einfach anzunehmen. Aber, das ist schon schwer, weil wenn der Crash kommt, wenn diese Verschlechterung da ist, dann ist es ein unmöglich zu ertragender Zustand und wenn der lange anhält, kommt man schon sehr stark an die Grenzen seiner mentalen und physischen Belastbarkeit. Das ist ehrlich gesagt ein ziemlicher Horror.

Haben Sie die Hoffnung, dass das auch alles irgendwann mal wieder weggeht?

Es gab ja immer schon Menschen, die nach einer viralen Erkrankung solche Erschöpfungszustände und auch ME/CFS entwickelt haben. Dadurch, dass durch COVID-19 in so kurzer Zeit so viele Menschen betroffen sind, habe ich die Hoffnung, dass wir bald sehr viel mehr Forschung dazu haben und hoffentlich auch irgendwelche Lösungen. Was ich mir mindestens erhoffe ist, dass es bald Verfahren oder Medikamente gibt, die meinen Zustand sehr viel stabiler machen und mit denen ich vielleicht auch einen gewissen Prozentsatz meiner Energie wieder zurückbekomme. Wir brauchen aber in Deutschland noch deutlich mehr Geld für Forschung. Wir haben bisher erst 6,5 Millionen bekommen und das muss sich dringend ändern. Wenn man sich mit Budgets in diesem Bereich auskennt, ist das offen gesagt ein Witz, das ist leider viel zu wenig.

Vielen Dank für das Gespräch, Mia.
Das Interview führte Ursula Stamm.

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