Frauenhand liegt auf Rücken eines Mannes (Quelle: Colourbox)
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Interview l Die Haut als Sexualorgan - Glück und Gesundheit durch Berührung

Die Haut ist unser größtes Sexualorgan, sagt die Dermatologin Yael Adler. Zum Valentinstag hat rbb Praxis hat mit ihr über Parfum, Partnerwahl und Polyester-Unterwäsche gesprochen - und natürlich vor allem über die Haut.

rbb Praxis: Ein Sprichwort sagt "Liebe geht unter die Haut", wie viel Wahrheit steckt da für Sie als Dermatologin drin?
 
Im Sprichwort steckt viel Wahres: Die Haut ist voller Nerven-Empfangsstellen, die mit dem Gehirn vernetzt sind. Besonders hoch ist die Nervendichte an den erogenen Zonen. Wenn dann ein Liebesreiz auf die Haut kommt, zum Beispiel durch Streicheln oder Küssen, dann geht das ganz tief in uns hinein - in das Nervensystem. Dabei werden auch Hormone ausgeschüttet, die machen dann glücklich, entspannt, zwischendurch auch mal aufgeregt und verbinden die Liebenden miteinander.

Gibt es bei Menschen große Unterschiede, was die erogenen Zonen angeht?
 
Die erogenen Zonen sind bei allen Menschen ziemlich gleich. Man kann also überall auf der Welt gleich in das Liebesspiel einsteigen - ohne vorher einen Einführungskurs in die regionalen Unterschiede der erogenen Zonen zu besuchen.

Wann sind die erogene Zonen überhaupt erogen?
 
Nur dann, wenn man auch Lust hat. Wenn die Lust fehlt, entsteht auch keine Erregung. Wenn man beispielsweise im Labor die Regionen im Gehirn stimuliert, die den erogenen Zonen an der Haut zugeordnet sind, werden sich die Probanden dadurch alleine nicht erregt fühlen, sondern eher nur ein Brummen oder Kribbeln in der gereizten Region beschreiben. Erregung entsteht erst aus der Verbindung von Sensorik und psychischem Gefühl. Beides muss da sein.

Sie schreiben in Ihrem Buch "Haut nah", dass man sich darüber streiten könnte, ob nun die Haut oder das Gehirn das größere Sexualorgan ist. Wie würden Sie diese Frage beantworten?
 
Als Hautärztin würde ich natürlich sagen, dass die Haut das größte Sexualorgan ist - weil sie überall empfindlich ist, überall gerne berührt und gestreichelt wird. Eine Stimulation der Haut, beispielsweise durch Massage, kann an jeder Stelle des Körpers - also auch den nicht-erogenen Zonen - dafür sorgen, dass das Hormon Oxytocin ausgeschüttet wird. Das hat wiederum einen Effekt auf den gesamten Körper.
 
Außerdem sind natürlich unsere klassischen Genitalien auch mit Haut überzogen, also der Penis, der Hoden, die Vulva, die Vagina und die Brüste. Das heißt: die erogenen Zonen, das was es im Körper an Reaktionen auslöst und die Genitalien per se - das ist alles Haut.

Und das Gehirn?
 
Das Gehirn ist dafür da, die psychische Einstellung - die Bilder, das Begehren - zu kreieren und die Lust zu formen. Wobei auch die natürlich von einer schönen Haut, wie einem schönen nackten Po beispielsweise, besonders stimuliert wird - und da reagiert das Gehirn auch nur.

Wir werden durch schöne Haut und schöne Körper stimuliert - aber kann uns Sex auch schöner machen?
 
Ja, absolut. Das Oxytocin nenne ich auch das "Weltfriedenhormon". Es macht uns entspannt und diplomatisch, es senkt aber auch das Stresshormon Kortisol, das zum Beispiel Pickel verursachen und Entzündungen auslösen kann. Wenn man seinen Kortisolhaushalt über Berührung, Liebe und Sex ausbalanciert, hat man eine schönere Haut und bleibt auch länger jung.
 
Außerdem werden während des Sexes vermehrt Hormone ausgeschüttet, bei der Frau Östrogen und bei Männern Testosteron. Das Östrogen macht Frauen weiblicher, sie bekommen eine saftigere Haut, rosigere Wangen, vollere Lippen, volleres Haar, weniger Pickel. Die Männer macht das Testosteron männlicher, sprich die Muskulatur wächst und auch der Bart wächst stärker.

Hat Sex noch andere direkte Effekte auf die Haut?
 
Wenn man beim Sex schwitzt, wird die Haut schön durchfeuchtet. Außerdem ist das Austauschen von Körperflüssigkeiten, zum Beispiel durch Knutschen, auch immunsystemstärkend und fördert die Durchblutung der Haut.

Bleiben wir mal beim Knutschen. Wofür ist Küssen denn gesundheitlich gut? Was passiert dabei alles?
 
Beim Küssen tauscht man ganz viele Bakterien aus, das ist wie eine aktive Immunisierung und das hält einen im besten Fall auch gesund. Nur, wenn man Herpes oder einen schlimmen fiebrigen Infekt hat, sollte man auf das Küssen verzichten.
 
Ansonsten fördert Küssen auch die Durchblutung der Lippen. Wenn man nicht gerade nass und sabbelnd knutscht, verteilt man sich dabei auch gegenseitig das Hautfett vom Gesicht auf die Lippen, sodass die Lippen nicht so spröde und rissig werden. Lippen haben keine eigenen Talgdrüsen und brauchen daher eine Pflege von außen. Bevor man mineralölhaltigen Lippenpflegestifte benutzt, sollte man eher an ein Naturfett denken und da kann man am besten gleich das eigenen nehmen.

Haut hat auch einen eigenen Geruch und jeder Mensch riecht dabei anders. Wie beeinflusst der Geruch unserer Haut die Partnerwahl?
 
Die Haut duftet und riecht und sendet biochemische Moleküle ab, die wir teilweise bewusst, teilweise auch unbewusst wahrnehmen. Man spricht auch von den Pheromonen. Es werden auch Informationen über das Immunsystem abgedampft, auch über unsere Blutgruppe und man nimmt an, dass die Partnerwahl auf biochemischem Wege funktioniert. Dass man also gar nicht schaut: Wie ist der Porsche? Wie ist die Kleidung oder das Einkommen? Wie ist das soziale Standing? Bevor man das wahrnimmt, ist längst alles auf biochemischer Ebene gelaufen. Entscheidend ist: Kann ich den Mann oder die Frau riechen, ja oder nein.

Die meisten Menschen benutzen verschiedene Kosmetikprodukte, wie Cremes, Deo oder Parfum - wie viel vom Eigengeruch des Gegenübers kann ich da überhaupt noch wahrnehmen?
 
Menschen haben viele Duftdrüsen, vor allem unter den Achseln, in der Intimregion und hinter dem Ohr. Die Schamhaare funktionieren dabei wie eine Art Duftwedel, die helfen den Geruch zu verteilen. Tatsächlich manipulieren wir aber unsere eigenen Hautdüfte durch verschiedene Kosmetikprodukte. Wenn man dann aber eine Nacht lang Sex hat und alles runtergeschwitzt ist, nimmt man den richtigen Körpergeruch wahr - und hoffentlich passt es dann noch.
 
Schwierig wird es, wenn man die Pille nimmt: Da ändert sich der Duft bei Frauen wesentlich - aber auch, wie sie den Mann wahrnimmt. Und da liegt eine gewisse Gefahr, dass man sich dann nicht mehr riechen kann, wenn man nach vielen Jahren die Pille absetzt, um Kinder zu zeugen.

Schamhaare helfen also dabei, den Geruch zu verbreiten - welche Funktion haben sie noch?
 
Schamhaare sorgen für eine gute Belüftung, indem sie verhindern, dass beim Schwitzen Haut auf Haut klebt. In so einer feuchten Spalte können sich schlechte Bakterien schnell vermehren und für einen unangenehmen Körpergeruch sorgen. Für das Mikromilieu der Haut ist Schamhaar daher gesünder und kann vor Pilz- und Bakterieninfektionen schützen. Letztlich ist es auch eine Frage des Geschmacks. Was für den Intimbereich in jedem Fall am ungesündesten ist: Polyester-Unterwäsche und Schamhaarlosigkeit, das ist quasi der Supergau. Besser ist Unterwäsche aus Baumwolle.

Wie reinige und pflege ich die Haut im Intimbereich am besten? Was sind No-Gos?
 
Es ist wichtig, die Region sauer zu halten. Wenn man sich duscht, sollte man sich am besten nur mit Wasser reinigen. Keinesfalls sollte man Seife nehmen, weil Seife alkalisch ist und den pH-Wert der Haut, der um fünf herum liegen sollte, auf zehn bringt. Dann dauert es acht Stunden, bis man wieder runtergesäuert ist. Wenn man eine Waschsubstanz nehmen möchte, empfehlen sich synthetische Tenside mit einem sauren pH-Wert, ohne Duft-, Farb- oder Konservierungsstoffe. Solche Waschsubstanzen gibt es auch im Bioladen, zum Beispiel mit milden Zucker- oder Kokostensiden. Diese helfen dabei, den natürlichen Säureschutzmantel zu erhalten.
 
Wer es auf die natürliche Weise will, kann auch Essigwasser benutzen. Da nimmt man einen Liter Wasser plus einen Esslöffel Apfelessig, das ergibt eine wässrige Lösung mit einem pH-Wert von 4,8 bis fünf. Damit kann man die Haut dann auch äußerlich benetzen. In keinem Fall sollte man aber mit der Waschsubstanz unter die Vorhaut oder in die Scheide rein, die reinigt sich von selbst.

Vielen Dank für das Gespräch, Yael Adler!
 
Das Interview führte Ariane Böhm

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