Auf einer Wolke sitzen und Erdbeereis essen

Mit Kindern über den Tod sprechen

Wenn Kindergartenkinder eine Biene beerdigen, können sie mit großem Ernst bei der Sache sein, sich geradezu feierlich geben. Das erlebt Susanne Hövelmann immer wieder, wenn sie im Rahmen ihres Projekts "Jahreskreislauf – Lebenskreislauf" Kindergärten besucht, um mit den Kindern über den Tod zu sprechen. Die Sozialpädagogin, Erzieherin und Trauerbegleiterin leitet zusammen mit ihrem Mann Martin Hövelmann, ebenfalls Sozialpädagoge, die "Gruppe für trauernde Kinder Dortmund". Der Dortmunder Verein hat sich der ehrenamtlichen Unterstützung von Kindern verschrieben, die einen Angehörigen verloren haben.

Aber da die beiden es auch wichtig finden, Kindern, die keinen akuten Verlust zu beklagen haben, das Thema Tod näherzubringen hat Susanne Hövelmann das Projekt initiiert, mit dem sie Kindern anhand von Beispielen aus der Natur, die Vergänglichkeit alles Lebendigen verdeutlichen will. Dazu vergleicht sie zunächst die Spanne eines Menschenlebens - von der Jugend bis ins Alter - mit den vier Jahreszeiten: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Um das möglichst anschaulich zu gestalten, unternimmt sie mit den Kindern auch Ausflüge, etwa in den Wald. Dann schlägt sie den Kindern vor, in einer Ecke des Kindergartengeländes einen kleinen Friedhof anzulegen, auf dem sie tote Insekten beerdigen können. So sollen die Kinder ein erstes Gefühl dafür bekommen, dass auch der Tod ein Teil des Lebens ist.

Fröhlich spielendes Kind, Quelle: Fotolia


In der freien Natur gibt es viele Möglichkeiten, Kindern das Thema Tod näherzubringen. Der Jahreskreislauf als Symbol für den Lebenskreislauf bietet viele Anregungen, ins Gespräch zu kommen.

 

Das Totschweigen des Todes

Martin Hövelmann weiß von Fehlern, die man machen kann, wenn man mit Kindern, über dieses Thema spricht, der schwerwiegendste Fehler sei aber überhaupt, nicht darüber zu sprechen: "Der Tod ist allgegenwärtig, trotzdem wird er totgeschwiegen." Und das ist insbesondere dann fatal, wenn die Kinder von selbst fragen und von den Erwachsenen keine Antworten bekommen: "Darauf muss man schon eingehen. Man sollte aber auch seine eigene Unsicherheit eingestehen, wenn man eine Frage nicht beantworten kann."

Im Übrigen sei es immer gut, Gegenfragen zu stellen, etwa: "Was stellst du dir denn vor, was mit dir nach dem Tod passiert?" Und die Antwort, die man dann bekommt, sollte man akzeptieren. Wenn die Jenseitsvorstellung des Kindes beispielsweise darin bestehe, auf einer Wolke zu sitzen und den ganzen Tag Erdbeereis zu essen, gebe es keinerlei Notwendigkeit, ihm das auszureden – zumal, ergänzt Hövelmann lachend: "Wissen wir es besser? Nein! Könnte also sein ..."

Auch vor dem Interesse vieler Kinder an makabren Details wie verrottenden Särgen oder verwesenden Körpern solle man nicht zurückschrecken: "Man könnte darauf hinweisen, dass aus allem, was vergeht, Neues entsteht. Der Sarg und der Körper werden zu Humus, aus dem wiederum Pflanzen wachsen." Allerdings sollte man die grausigsten Aspekte des Todes, wie große Schmerzen oder schwere Verletzungen, ein wenig filtern: "Da kann man sich die Tagesschau als Beispiel nehmen, die über tragische Ereignisse zwar berichtet, aber auf blutrünstige Bilder verzichtet."


Die Trauer der Kinder ernst nehmen

Schwieriger umzusetzen ist diese behutsame Art der Zensur bei Kindern, die selbst betroffen sind, weil sie um einen verstorbenen Angehörigen trauern. Viele Erwachsene versuchen, die Kinder von dem Todesfall vollkommen abzuschirmen. "Damit nehmen sie ihnen aber die Möglichkeit zu trauern." Das äußert sich dann häufig darin, dass die Erwachsenen den Kindern verbieten, mit auf die Beerdigung zu gehen: "Das sollten aber die Kinder entscheiden. Wenn sie wollen, kommen sie mit auf die Beerdigung." Die umgekehrte Variante sei seltener, aber noch bedenklicher: "Das Kind will nicht, wird aber gezwungen. Und wenn es dann auch noch um eine Aufbahrung geht, kann das natürlich sehr traumatisierend sein."

Meist fängt es aber damit an, dass das Kind überhaupt nicht gefragt wird, sondern die Erwachsenen einfach entscheiden. "Viele Erwachsene sprechen Kindern nämlich schlichtweg die Fähigkeit zum Trauern ab." Den Grund dafür vermutet Hövelmann im unterschiedlichen Trauerverhalten von Kindern und Erwachsenen: "Bei den Erwachsenen verläuft die Trauer häufig in aufeinander folgenden Phasen wie Betäubung, Angst und Wut, Einsamkeit, Hilflosigkeit und Verzweifelung und schließlich wiederkehrende Freude. Trauernde Kinder hingegen springen zwischen diesen Empfindungen ständig hin und her." Und diese abrupten Stimmungswechsel könnten Erwachsene häufig nicht nachvollziehen.

Wichtig ist, Kinder bei der Trauerbewältigung zu unterstützen. Man sollte ihnen Wege aufzeigen, ihre Trauer auszudrücken: "Man kann zum Beispiel Luftballons mit Gas füllen, daran Briefe oder Fotos für die Verstorbenen befestigen und sie in den Himmel steigen lassen." Damit bestärke man auch keinesfalls ein naives Jenseitsverständnis: "Das unterscheidet sich nicht so sehr von einem Erwachsenen, der am Grab zu seinem Angehörigen spricht. Es ist nur kindgerecht aufbereitet."

Trauriges Kind, Quelle: Fotolia



Kinder trauern anders als Erwachsene. Eltern können ihnen helfen, die Trauer auszudrücken. Vom Tod und den Ritualen fernhalten sollte man sie nicht.

 

Enttabuisierung des Todes gefordert

Egal ob trauernde oder nicht trauernde Kinder – Hövelmann glaubt, dass beide Gruppen von der Gesellschaft zu sehr vom Thema Tod ferngehalten werden. Um dieses Defizit zu verdeutlichen, zählt er die drei Kanäle auf, über die Kinder ihr Wissen zu allen wichtigen Aspekten des Lebens erlangen: "Da ist erstens die institutionalisierte Bildung in der Schule, die ist eher fachlich-technischer Natur. Dann gibt es zweitens die Eltern, bei denen das Kind das menschliche Miteinander mitbekommt, das ist der emotionale Aspekt. Und drittens gibt es die Medien, hier wird teilweise ein eher künstliches, oft auch idealisiertes Bild des gesellschaftlichen Lebens vermittelt." Zusammen genommen würden diese drei Aspekte zwar ein rundes Gesamtbild erzeugen: "Lässt man allerdings eine oder zwei dieser Facetten weg, entsteht ein unvollständiges Bild."

Genau das passiert seiner Ansicht nach aber beim Thema Tod: Eine Aufklärung in Schulen fände nicht ausreichend statt, und die Eltern würden ihre Kinder im Todesfall häufig von allen dazugehörigen Riten ausschließen. Bleibt nur der Tod in den Medien – für viele Kinder der einzige Kanal, über den sie mit diesem Thema konfrontiert werden. Und dabei handele es sich oft genug um einen wirklichkeitsfernen Plastik-Tod.

Hövelmann sieht daher sowohl die Politiker als auch die einzelnen Bürger in der Pflicht, gegen die Tabuisierung des Todes anzugehen. Sabine Hövelmann hat genau aus diesem Grund auch ihre Gruppe und ihr Projekt gegründet.