Interview l Ursachen & Hilfe gegen den dumpfen Schmerz - Spannungskopfschmerz: Wie in der Schraubzwinge
Es gibt rund 300 Kopfschmerzarten, aber keine ist so weit verbreitet, wie der dumpfe Spannungskopfschmerz. Woher sie kommen, was hilft und was Betroffene selber zur Linderung tun können, haben wir Dr. Jan-Peter Jansen gefragt. Er ist ärztlicher Leiter des Schmerzzentrums und Chefarzt der Schmerzklinik in Berlin; einer seiner Schwerpunkte ist die Behandlung von Menschen mit Kopfschmerzen.
Herr Dr. Jansen, wie kann man Spannungskopfschmerz von anderen Kopfschmerzarten unterscheiden ?
Der Hauptunterschied ist, dass sich beim Spannungskopfschmerz der Kopfschmerz nicht verschlechtert, wenn man sich körperlich betätigt. Es ist ein Schmerz, der eher als drückend empfunden wird und nicht mit dem Herzschlag pulsiert.
Das ist bei der Migräne zum Beispiel anders: Der Migränekopfschmerz ist pulsierend und wird stärker bis unerträglich, wenn man läuft oder sich körperlich anstrengt.
Patienten mit Spannungskopfschmerz schildern häufig, sie hätten das Gefühl, der Kopf sei in einer Schraubzwinge oder sie hätten einen Helm auf, der zu klein ist oder die Kopfhaut sei geschrumpft. Die Schmerzen sind in der Regel nicht so intensiv, dass man damit nicht arbeiten kann. Die meisten können damit arbeiten, aber sie fühlen sich damit natürlich nicht wohl.
Spannungskopfschmerzen von anderen Kopfschmerzformen zu unterscheiden ist, wichtig, weil nicht wenige Menschen "Flöhe und Läuse" haben. Das heißt, sie leiden zum Beispiel unter Migräne und Spannungskopfschmerz.
Die Behandlung beider Formen unterscheidet sich aber, weshalb die Betroffenen lernen müssen, das zu unterscheiden.
Ist der Spannungskopfschmerz also eher harmlos?
Das kann man so natürlich nicht sagen. Es gibt Menschen, bei denen ist der Spannungskopfschmerz chronisch geworden; davon sprechen wir, wenn die Kopfschmerzen an mehr als 15 Tagen im Monat auftreten.
Und auch wenn der Schmerz meist nicht so intensiv ist, wie bei der Migräne oder dem Clusterkopfschmerz, kann der Leidensdruck doch sehr groß sein, wenn man ständig Beschwerden hat.
Hinzu kommt, dass Spannungskopfschmerzen Zeichen für eine andere Krankheiten sein können, zum Beispiel Bluthochdruck oder Veränderungen an den Augen. Das muss abgeklärt werden und mit der Behandlung der dahinter liegenden Erkrankung verschwinden dann meist auch die Spannungskopfschmerzen.
Wer ist der richtige Ansprechpartner, wenn die Spannungskopfschmerzen zur Belastung werden?
In diesen Fällen sollte man als erstes zum Hausarzt gehen. Die meisten Hausärzte haben sich in den letzten Jahren sehr mit dem Thema beschäftigt und sind gut informiert. Sie können die ersten diagnostischen Schritte einleiten, also den Blutdruck messen, zum Augenarzt überweisen oder auch die Wirbelsäule untersuchen, um festzustellen, ob es eine körperliche Ursache für den Spannungskopfschmerz gibt.
Wenn der Hausarzt nicht mehr weiter weiß, schaltet er entsprechende Spezialisten dazu und das sind in der Regel Neurologen oder Schmerztherapeuten, die Erfahrungen mit speziellen Therapiemethoden haben.
Was ist die Ursache von Spannungskopfschmerzen?
Wenn andere Ursachen - wie zum Beispiel Bluthochdruck oder Schilddrüsenerkrankungen - ausgeschlossen worden sind, sprechen wir vom primären Spannungskopfschmerz.
Über die Ursachen gibt es bislang nur wissenschaftliche Annahmen. Eine Hypothese ist, dass Veränderungen des Gehirnvolumens zu Spannungskopfschmerzen führen, weil das Gehirn sich im Schädel befindet, der sich nicht ausdehnen kann. Das könnte bestimmte Regulationsmechanismen stören und den Spannungskopfschmerz zu einem eigenständigen Krankheitsbild werden lassen.
Entstehen Spannungskopfschmerzen durch Muskelverspannungen?
Man hat untersucht, ob in Muskeln von Menschen mit Spannungskopfschmerzen vermehrt Milchsäure nachgewiesen werden kann - ein Stoffwechselprodukt, welches bei erhöhter Muskelanspannung entsteht. Das ist aber nicht der Fall.
Dennoch schildern viele Betroffene, dass sie nach langer Schreibtischarbeit oder durch bestimmte Fehlhaltungen Kopfschmerzen entwickeln und das ist auch nicht von der Hand zu weisen. Allerdings kommen bei diesen Menschen noch andere Faktoren hinzu; eine Ursache allein ist es sehr wahrscheinlich nicht.
Kann ein Kopfschmerztagebuch helfen, den Auslösern der Spannungskopfschmerzen auf die Spur zu kommen?
Ein solches Tagebuch, in dem man notiert, wann, wie häufig und wie stark die Kopfschmerzen auftreten, kann schon hilfreich sein. Vor allem, wenn man darin auch festhält, wie viel man schläft oder was man isst und trinkt.
Manche Menschen schlafen viel zu wenig und merken das nicht. Andere trinken zu wenig oder auffällig viel, was dann zum Beispiel auch ein Hinweis auf eine Zuckerkrankheit sein kann.
Sich zu sehr auf das Protokollieren von negativen Ereignissen wie Schmerzen zu fokussieren, ist aber am Ende auch nicht sinnvoll. Denn das lenkt auch schnell von den schönen Dingen des Lebens ab und wir wollen lieber, dass die Menschen die glücklichen Stunden zählen.
Viele Menschen nehmen Schmerztabletten, wenn sie unter Spannungskopfschmerzen leiden. Ist das eine richtige Strategie?
Die meisten Menschen haben ja nur gelegentlich Spannungskopfschmerzen und wissen in der Regel auch, warum. Man hat zu wenig geschlafen, viel Stress bei der Arbeit oder der letzte Urlaub liegt lange zurück. Wenn man dann mal eine Schmerztablette nimmt, ist das gar kein Problem.
Dann gibt es die Regel, dass man an nicht mehr als zehn Tagen im Monat Schmerzmittel einnehmen sollte. Ich bin kein Freund dieser strikten Regel, weil, wenn Sie mal elf Tage im Monat Kopfschmerzen haben, dann müssen Sie nicht an Tag elf die Tablette gleich weglassen. Das heißt, diese zehn Tage sind ein Anhaltspunkt.
Hinzu kommt, dass es Tabletten gibt, die man vorbeugend gegen Spannungskopfschmerzen einnimmt, die zur Gruppe der trizyklischen Antidepressiva gehören. Und diese Tabletten müssen sie dann jeden Tag einnehmen, sonst wirken sie nicht vorbeugend.
Wer seine Spannungskopfschmerzen mit nicht medikamentösen Verfahren in der Griff bekommt, der sollte das tun. Man sollte aber einer medikamentöse Therapie auch nicht zu kritisch gegenüberstehen. Denn wird der Kopfschmerz chronisch, dann hat das große Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen.
Welche Schmerzmittel eignen sich zur Behandlung des Spannungskopfschmerzes?
Es gibt einen großen Bereich von freiverkäuflichen Schmerzmitteln, die gut gegen Spannungskopfschmerz helfen. Die Acetylsalicylsäure - sprich das Aspirin und andere Präparate aus dieser Wirkstoffgruppe - sind dabei etwas in der Hintergrund geraten, weil sie auch einen Einfluss auf die Blutgerinnung haben, den man nicht immer will.
Die Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft empfiehlt Kombinationspräparate mit Acetylsalicylsäure ASS, Paracetamol und Coffein. Und es gibt auch ein neues Kombinationspräparat, welches aber rezeptpflichtig ist. In diesem Präparat werden 500 Milligramm Paracetamol und 150 Milligramm Ibuprofen kombiniert. Das ist eine sehr niedrige Dosis Ibuprofen und wie alle Kombinationspräparate wirkt das wesentlich schneller als die Einzeldosis und verursacht gleichzeitig weniger Nebenwirkungen.
Kombinationspräparate wurden eine Zeit lang eher kritisch gesehen, weil man befürchtet hat, dass das darin enthaltene Coffein abhängig macht. Inzwischen wissen wir aber, dass das nicht der Fall ist.
Allerdings sollte man Schmerzmittel auf keinen Fall jeden Tag einnehmen. Auch wenn ich nicht strikt an der "zehn Tage Regel" festhalte - das wäre dann doch nicht gesund.
Was kann ich selbst gegen Spannungskopfschmerzen tun, außer Schmerzmittel einzunehmen?
Da spielt die gesunde Lebensführung eine wichtige Rolle. Also, ausreichend schlafen, Entspannungsübungen praktizieren, wie die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, autogenes Training oder Yoga.
Stress lässt sich nicht immer vermeiden, aber man sollte versuchen, in seinem privaten Umfeld und auch bei der Arbeit nicht ständig unter Anspannung zu stehen. Ausdauersport hilft bei Spannungskopfschmerzen besser als bei Migräne. Nur zwingen sollte man sich nicht: Wer regelmäßig Sport treibt, dem hilft das meist auch gegen seine Spannungskopfschmerzen.
Spezielle Diäten haben sich nicht dauerhaft bewährt. Manche Patienten berichten von Erfolgen, wenn sie bestimmte Lebensmittel weglassen, aber der Effekt verschwindet meistens nach ein bis zwei Monaten wieder.
Was man generell - nicht nur auf den Kopfschmerz bezogen - vermeiden sollte, sind stark verarbeitete Lebensmittel. Also: Lieber frisch kochen.
Vielen Dank für das Gespräch, Dr. Jansen!
Das Interview führte Ursula Stamm