Frau hält sich schmerzende Wange (Bild: imago/Westend61)
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Hintergrund: Wenn der Gesichtsnerv Amok läuft - Trigeminusneuralgie: Nervenschmerz im Gesicht

Heftige, plötzlich einschießende Schmerzen in einer Gesichtshälfte - das ist typisch für die Trigeminusneuralgie. Auslöser ist meist ein Gefäß, das auf dem Drillingsnerven liegt und ihn quält. Für eine Diagnose reichen oft schon die eindrücklichen Schilderungen der Schmerzgeplagten. Für die Behandlung stehen Medikamente, operative Verfahren sowie eine Bestrahlung zur Verfügung.

Mehrere tausend Menschen, vorwiegend jenseits der 50, leiden unter heftigsten Gesichtsschmerzen. Die Pein kommt völlig überraschend, ohne jegliche Vorwarnung. Blitzartig schießt der Schmerz in eine Gesichtshälfte, oft im Sekundentakt, bei manchen bis zu 100 Mal am Tag - für die Betroffenen kaum auszuhalten.

Die Schmerzen werden von einer kleinen Arterie verursacht, die auf den Nerven an seiner Austrittsstelle aus dem Hirnstamm drückt. Die Therapie mit Medikamenten hat Nebenwirkungen, so dass viele Patientinnen und Patienten auf eine Operation hoffen. Für manche kommt auch ein neueres Bestrahlungsverfahren mit dem Cyberknife infrage. Die Nervstimulation ist bisher besonders kniffligen Fällen vorbehalten.

Welcher Nerv ist betroffen?

Die Gesichtsschmerzen werden vom Trigeminus- oder Drillingsnerv verursacht. Der Trigeminus hat drei Äste. Seine Nervenfasern sind für die Muskelaktivität und die Empfindungen im Gesicht zuständig.
 
Die drei Äste versorgen klar definierte Bereiche: Stirn und angrenzenden Kopfbereich, Oberkiefer und die Partie um Augen und Nase, der dritte Ast versorgt den Unterkiefer.

Welche Beschwerden haben Betroffene?

Menschen mit einer Trigeminusneuralgie vergleichen die Schmerzen mit Stromschlägen, die in den Kopf einschießen. Sie sind extrem heftig und dauern meist nur wenige Sekunden, können sich aber salvenartig wiederholen. Manche Patienten haben mehrmals täglich solche Schmerzanfälle. Im Laufe der Zeit werden die Abstände zwischen den Attacken immer kürzer. Teilweise zucken die Betroffenen dabei regelrecht zusammen. Man spricht von Tic Douloureux – französisch für schmerzhaftes Zucken.
 
Die Schmerzen sind auf das Versorgungsgebiet des jeweiligen Trigeminusastes begrenzt und treten immer einseitig auf. Insbesondere sind die Bereiche betroffen, die der zweite und der dritte Arm des Trigeminus versorgen: die Wange, der Bereich um die Nasenlöcher, Zähne und Kiefer. Teilweise gehen die Schmerzen mit Symptomen einher wie:
 
· gerötete Bindehaut,
· verengte Pupille,
· Tränenfluss,
· verstopfte oder laufende Nase,
· geschwollenes oder hängendes Augenlid,
· Gesichtsschwitzen.
 
Manche Patientinnen klagen gleichzeitig über Kopfschmerzen.

In welchen Situationen tritt der Schmerz auf?

Die Schmerzanfälle können spontan auftreten, oder sie werden durch Reize wie Kauen, Zähne putzen, Gesicht waschen getriggert. Dabei kommt es zu einem Kontakt zwischen Nerv und Gefäß, was die Schmerzen verursacht.
Oft lassen sie sich schon bei leisesten Gesichtsberührungen auslösen oder es reicht ein kalter Windzug oder Vibrationen.

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Wie entstehen die Beschwerden?

Auslöser ist in der Regel ein Gefäß, das dem Trigeminusnerv an der Stelle aufliegt, wo er im Gehirn entspringt. Der Druck der Arteria cerebelli superior oder oberen Kleinhirnschlagader führt dazu, dass die den Nerv umhüllende Schutzschicht angegriffen wird.
 
Der Nerv ist ständig irritiert und feuert - ähnlich wie ein elektrisches Kabel, dem die Isolierschicht fehlt, wild herum und wird übererregbar. Das verursacht die Schmerzen. Fachleute sprechen von einer klassischen Trigeminusneuralgie.
 
Deutlich seltener irritieren verschiedene Grunderkrankungen den Nerv. Dazu gehören:
 
· Multiple Sklerose,
· Tumore,
· Bindegewebserkrankungen oder
· angeborene Fehlbildungen der Blutgefäße.
 
Bezeichnenderweise fehlen dann oft die beschwerdefreien Intervalle zwischen den Schmerzattacken. Fachleute sprechen von einer sekundären Trigeminusneuralgie.
 
Eine Trigeminusneuralgie ohne Nervirritation oder erkennbare Grunderkrankung ist eine idiopathische Trigeminusneuralgie.
 
Diese Unterscheidung ist wichtig, weil die Therapie sich nach der Ursache richtet.

Begünstigen Risikofaktoren Trigeminusneuralgie?

Es scheint keinen einzelnen Risikofaktor zu geben. Obwohl in einigen Familien mehrere Fälle bekannt sind, ist davon auszugehen, dass die Trigeminusneuralgie spontan auftritt. Möglicherweise begünstigen Bluthochdruck und Migräne die Trigeminusneuralgie.

Wie häufig ist die Trigeminusneuralgie?

Die Schmerzerkrankung ist selten: Studien zufolge erkranken jährlich zwischen 4,3 und 27 von 100.000 Menschen. Hochgerechnet für die Bundesrepublik sind zwischen 3.500 und knapp 22.000 Menschen betroffen.
 
Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an einer Trigeminusneuralgie zu erkranken, liegt bei 0,3 Prozent. Frauen sind etwas häufiger betroffen, möglicherweise, weil sie länger leben. Der Altersgipfel ist zwischen 50 und 60 Jahren.

Wie verläuft die Erkrankung?

Die Schmerzattacken dauern zwischen wenigen Sekunden bis zu max. zwei Minuten.
 
Manchmal erleben Patienten und Patientinnen über Wochen und Monate spontane Attacken, dann wieder haben sie für eine Weile Ruhe und sind schmerzfrei. In der Regel nehmen die Attacken mit der Zeit zu.
 
Typischerweise suchen Betroffene mit einer Trigeminusneuralgie häufig zuerst einen Zahnarzt/eine Zahnärztin auf, weil sie das Gefühl haben, der Schmerz kommt aus dem Mund.
 
Tatsächlich ist der Ast des Trigeminusnerv, der den Kiefer versorgt, am häufigsten betroffen. Das führt häufig zu unnötigen Eingriffen an den Zähnen. Andererseits können Zahnbehandlungen, wie das Ziehen eines Zahnes, der Ausgangspunkt für eine Trigeminusneuralgie sein.

Wie wird Trigeminusneuralgie diagnostiziert?

In der Regel ist die Trigeminusneuralgie eine klinische Diagnose, die die Ärztin oder der Arzt aufgrund ...
 
· der typischen Symptome,
 
· der charakteristischen Gesichtsschmerzen und
 
· der Dauer der Schmerzattacken stellt.
 
Dazu wird empfohlen, eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchzuführen. Damit lässt sich klären, ob - wie in etwa 80 Prozent der Fälle - ein Gefäß den Trigeminusnerv an seiner Austrittsstelle komprimiert oder ob andere strukturelle Hirnläsionen, wie Multiple Sklerose oder ein Hirntumor, vorliegen.

Wie wird eine Trigeminusneuralgie behandelt?

Zunächst sollte eine medikamentöse Therapie versucht werden. Herkömmliche Schmerzmittel wirken bei einer Trigeminusneuralgie nicht. Denn bis diese wirken, ist die Schmerzattacke meist schon wieder abgeklungen. Dafür stehen alternative Medikamente zur Verfügung.

Therapien im Überblick

  • Medikamente

  • Operative Behandlungen

  • Bestrahlung per Cyberknife

  • Nervstimulation

  • Psychologische Unterstützung

Beitrag von Constanze Löffler

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