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Interview l Prof. Dr. Christoph Bamberger - Ein Mal im Jahr zum Gesundheitscheck!

"Das größte Problem beim Anti-Aging ist die Motivation. Das ist eine echte Herausforderung, man darf nicht nachlassen, muss lange durchhalten. Prävention ist letztlich so etwas wie ein Marathonlauf. Eine wichtige Hilfestellung kann dabei sein, schon als Gesunder regelmäßig zum Arzt zu gehen und sich auf den neuesten Stand zu bringen", sagt Präventionsmediziner Prof. Dr. Christoph Bamberger.

"Die Geschwindigkeit des Alterungsprozesses wird von drei Faktoren bestimmt: Zu etwa 30 Prozent ist es die Genetik, die wir nicht beeinflussen können. Zu über 30 Prozent ist es der Lebensstil, und zu weit über 30 Prozent ist es die Stressbewältigung, also der Umgang mit Belastungen im Leben - ob bei der Arbeit oder in sozialen Beziehungen oder der Stress durch Einsamkeit", sagt Prof. Dr. Christoph Bamberger, Präventionsmediziner und Direktor d. Conradia Medical Prevention in Hamburg.

"Das zeigt also: Zu 70 Prozent kann jeder selbst beeinflussen, ob er im Alter gesund bleibt. Das ist doch ein starker Motivator zu sagen: Ich überlasse es nicht einfach der Natur, sondern da tu ich etwas dafür!
Natürlich ist die Bedeutung der Gene nicht zu unterschätzen. Allgemein lässt sich da aber sagen: wer gesund 80 werden will, kann selbst viel durch gesunden Lebensstil tun, wer 100 werden will, braucht zusätzlich noch gute Gene."

Was ist Anti-Aging-Medizin?

"Anti" klingt zwar nach Vermeidung, doch bei dieser speziell auf den Alterungsprozess ausgerichteten Medizindisziplin geht es (natürlich) nicht um ein Aus für Alter oder Tod, sagt Christoph Bamberger: "In der Präventions- bzw. der Anti-Aging-Medizin geht es uns nicht um eine Verlängerung des Lebens, sondern um die Verlängerung der gesunden Lebensspanne, in der es keine Abhängigkeit von Medizin und Pflege gibt.
 
Im Durchschnitt ist es in Deutschland so, dass jeder am Ende seines Lebens fünf bis sechs Jahre lang in Abhängigkeit von Pflege und medizinischer Versorgung lebt. Das heißt die gesunde Lebenserwartung ist deutlich kürzer als die gesamte Lebenserwartung. Das wollen wir mit der Anti-Aging-Medizin ändern.
Wir können sicher die Hälfte der Erkrankungen vermeiden oder deutlich herauszögern, was einem Vermeiden gleichkommt, denn wenn der Schlaganfall aufgrund des gesunden Lebensstils erst mit 99 stattfindet ist das etwas ganz anderes, als wenn er sich mit 68 ereignet.

Tipp 1: Immer in Bewegung bleiben

Der wichtigste Anti-Aging-Faktor ist: In Bewegung bleiben, und zwar sowohl physisch als auch geistig. Wenn es in der Immobilienbranche heißt: '1.Lage, 2. Lage, 3. Lage', so ist es beim Anti-Aging: Bewegung, Bewegung, Bewegung.
 
Das Kernproblem in unserer Gesellschaft ist das toxische Sitzen. Es begünstigt das metabolische Syndrom, das zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen kann. Die einfachste Formel ist: 3 x 30 Minuten als absolutes Minimum Bewegung pro Woche. Das kann zügiges Spazieren sein, Schwimmen, Joggen oder auf dem Hometrainer.
Und zusätzlich: 2 x 20 Minuten pro Woche eine Art Krafttraining. Das gilt für Männer und Frauen. Es muss nicht Body-Building oder Gewichte-Training sein, man kann mit dem eigenen Körpergewicht arbeiten: z.B. Liegestütze oder Kniebeugen.
 
Der Muskel ist ein enorm stoffwechselaktives Organ. Wenn er schwindet, dann verschlechtern sich sehr viele Parameter, zum Beispiel der Zuckerstoffwechsel. Außerdem gibt es im Alter ein enormes Sturzrisiko, deshalb ist der Erhalt der Muskelmasse enorm wichtig, um den Körper zu stabilisieren.

Tipp 2: Gift für Körper und Geist reduzieren

Der nächste wichtige Anti-Aging-Faktor ist das Vermeiden von Toxinen, also Giften wie Rauchen und Alkohol. [Ein weiterer Faktor] betrifft den psycho-mentalen Bereich, also der Umgang mit Stress. Man muss nicht unbedingt Achtsamkeits- oder Yogakurse besuchen. Jeder sollte aber versuchen, die passende Methode zur Entspannung finden.
Der Dalai Lama sagt: Schlaf ist die beste Meditation. Also auch ein Mittagsschlaf oder ein Power Nap kann eine gute Entspannungsmethode sein.

Tipp 3: Radikalfänger aus Obst & Gemüse auf den Teller

Beim dritten Faktor, der Ernährung, gibt es auch eine einfache Formel: Achten Sie darauf, ausreichend Antioxidantien zu sich nehmen. Der oxidative Stress, also das, was an freien Sauerstoff-Radikalen als Abfall in den Zellen anfällt, ist ja unvermeidbar, denn indem wir Sauerstoff verbrennen, werden - wie beim Verbrennungsmotor - Abfälle produziert. Da entstehen auch freie Sauerstoffradikale und die sind aggressiv für alle Bestandteile unserer Zellen.
Die kann man z.T. neutralisieren über Antioxidantien, Radikalfänger, das sind Vitamine aus Obst und Gemüse.
 
Die alt bekannte five a day-Regel, die ist da absolut richtig. Also fünf Portionen Gemüse und Obst am Tag. Wenn Leute sagen, sie können das nicht, dann muss man über Nahrungsergänzungsmittel sprechen, denn Antioxidantien sind essentiell. Wir sehen außerdem häufiger Eisen-Mangel oder Vitamin-B12 -Mangel, auch die sollte man durch Präparate ausgleichen. Das gilt auch für den sehr verbreiteten Vitamin-D-Mangel.
 
Zu meinen Ernährungsempfehlungen gehört: Reduzierung des Fleischverzehrs auf zwei Mal die Woche, stattdessen zwei Mal die Woche Fisch. Wichtig ist auch eine Balance zwischen Kalorienzufuhr und Verbrennung, also Gewichtsmanagement.

Tipp 4: Regenerativer Schlaf

Der Schlaf ist das regenerative Event im Leben. Regeneration ist etwas, das uns jung hält. Wir altern ja dadurch, dass unsere Zellen durch Stoffwechselprodukte geschädigt werden. Wir haben aber auch einen gigantischen Reparaturapparat an Bord in jeder Zelle. Er lässt im Alter nach, aber vor allem im Schlaf ist er aktiv und repariert Schäden.
 
Es ist auch gut untersucht durch Studien und Meta-Analysen, dass wir im Bereich um die sieben Stunden eine optimale Schlafdauer haben. Die Sterblichkeit erhöht sich bei Menschen die weniger oder auch deutlich mehr schlafen.
 
Wer schlecht schläft, hat [bewusst oder unbewusst] oft Probleme mit der Zimmer-Temperatur oder Geräuschen - da sollte man nicht aufgeben, das Richtige heraus zu finden. Oftmals kommen Schlafprobleme auch durch zu ausführlichen Konsum elektronischer Geräte, durch das blaue Licht. Das lässt sich vermeiden, indem man abends auf Laptop und Handy verzichtet.

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Tipp 5: Langes Leben braucht langen Atem

Das größte Problem beim Anti-Aging ist die Motivation, also das Wissen auch umzusetzen, und zwar nicht nur kurzfristig sondern dauerhaft. Das ist eine echte Herausforderung, man darf nicht nachlassen, muss lange durchhalten. Prävention ist letztlich so etwas wie ein Marathonlauf.
 
Eine wichtige Hilfestellung kann dabei sein schon als Gesunder regelmäßig zum Arzt zu gehen und sich da immer wieder auf den neuesten Stand zu bringen: Wo sind meine Risiken? Worauf muss ich achten?
Wir sehen hier in unserer Praxis, dass die, die einmal im Jahr zum Check kommen, auch motiviert sind, gesünder zu leben und besser auf sich aufzupassen. Deshalb mein Rat: Gehen Sie zur Vorsorge! Wenn Sie die gesetzlichen Vorsorge-Programme - der Gesundheits-Checks und der Vorsorgeuntersuchungen - ausschöpfen, haben Sie schon viel gewonnen.
 
Ich würde mir wünschen, dass die Menschen es so wie beim Auto angehen, da wird ja auch jede kostenlose Inspektion mitgenommen. Die Angst, es könnte was sein, ist ein ganz häufiges Gegenargument. Aber das ist ja eigentlich so, als würde ich am Flughafen sagen: Ich möchte nicht, dass mein Flugzeug vor dem Flug in die Inspektion geht, man könnte ja was finden. Das wäre ja auch absurd.
 
Wer motiviert ist, etwas für das gesunde Altern zu tun, kann viel erreichen. Zehn gesunde Jahre mehr, manchmal sogar 20 sind drin. Das Motto heißt: gesund sterben. Und das ist durchaus möglich", so Christoph Bamberger.

Das Interview führte Angelika Wörthmüller

Buchtipp

Prof. Dr.med. Christoph M. Bamberger - Besser leben - länger leben. 10 gesunde Jahre mehr sind machbar - das individuelle Präventionsprogramm

Knaur-Verlag 2006
255 Seiten
19,95 Euro
ISBN 3-426-64280-8

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