
Gefährliche Atemwegsinfektionen - Krank durch RS-Virus (RSV): Symptome, Diagnose, Therapie
Oft sind Säuglinge & Kleinkinder von Atemwegsinfektion durch Respiratorisches Synzytial-Virus (RS-Virus oder RSV) betroffen. Aber: Erwachsene können sich anstecken.
Für Spätsommer, Herbst und Winter befürchten Expertinnen und Experten erneut einen starken Anstieg bei Atemwegsinfektionen. Normalerweise zählen zum Beispiel Bronchitis, Nasennebenhöhlenentzündung, Influenza oder in schlimmen Fällen eine Lungenentzündung zu solchen erwartbaren Klassikern.
Während für Ältere Corona (Sars-COV-2) zur Gefahr wird, schreckt Eltern das sogenannte RS-Virus auf. Hinter dieser Kurzform steckt das Respiratorische Synzytial-Virus oder im Englischen: respiratory syncytial virus. Mit dem Virus infizieren sich vor allem Säuglinge und kleine Kinder bis vier Jahre.
Hintergrund: Nach fast drei Jahren Isolation schwächeln unsere Schleimhäute - wichtiger Teil des Immunsystems. So können Erreger eine besonders starke Verbreitung erreichen. Besonders gefährdet bei einer Ansteckung sind Säuglinge und kleine Kinder bis vier Jahre, die mit manchen Erregern zum ersten Mal überhaupt in Berührung kommen. In einem solchen "Zustand vor dem Erstkontakt" mit einer Virengruppe sind Menschen immunologisch naiv.
Was ist das RS-Virus?
RSV löst akute Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege aus, also das, was viele "Erkältung" nennen. Es kommt bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen vor.
Doch vor allem für Babys, insbesondere für Frühgeborene (Früchen) und kleine Kinder, ist das RS Virus von Bedeutung: Diese Gruppe kann an ausgesprochen heftigen Lungenentzündungen erkranken.
Unter den Kindern, die in die Klinik eingeliefert werden müssen, sterben laut Robert Koch-Institut gut ein Prozent der erkrankten Frühgeborenen und mehr als fünf Prozent der Kinder mit angeborenem Herzfehler.
Säuglinge sind in den ersten Wochen durch mütterliche Antikörper vor dem Virus geschützt, die sie über die Plazenta bekommen. Danach stecken sie sich in der Regel in den ersten zwei Lebensjahren an und werden immun.
Trotz regelmäßiger Kontakte mit dem Virus verfügen wir über keine lebenslange Immunität; wir können immer wieder an Erkältungen, hervorgerufen durch RSV, erkranken, vor allem diejenigen, die regelmäßig engen Kontakt mit Kleinkindern haben.
Wiederholungsgefahr? Atemwegsinfektionen 2021 oft durch RSV
Wie im Herbst 2021 könnte vor allem ein Virus mit kompliziertem Namen unter Kindern und Babys zu Luftnot und Husten führen: Am Humanen Respiratorischen Synzytial-Virus, kurz RS-Virus oder RSV, erkrankten im Jahr 2021 so viele Kinder schwer, dass die kleinen Patienten einige Kliniken an den Rand ihrer Kapazitäten brachten.
Dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge mussten vor allem die Ein- bis Vierjährigen vermehrt wegen dieses Erregers ins Krankenhaus. Für die Kinderärztinnen und Kinderärzte kommt dieses "Aufholen" von Infekten nach der langen Isolationszeit nicht überraschend. Das betrifft gerade Erkrankungen der Atemwege, da sie durch die extrem effiziente Übertragung per Luft leichtes Spiel haben, so keine filternden Masken im Spiel sind.
Erwartet wird die Infektionswelle nach dem Ende der Sommerferien in Bayern - also etwa ab Mitte September, wenn alle Kinder wieder in der Schule sind und die Eltern vielfach wieder am Arbeitsplatz, wenn es keine vermehrten Homeoffice-Regeln oder andere Einschränkungen gibt. Heißt: Wenn alle wieder maximal viele persönliche Kontakte im Alltag haben.
Wie ansteckend ist das RS-Virus?
Vor allem kleine Kinder bis vier Jahre erkranken symptomatisch, zeigen also Infektionszeichen. Wie die meisten Erkältungsviren wird auch das RS Virus durch Aerosole übertragen. Wer niest, hustet, sich schnäuzt oder laut redet, versprüht kleine Tröpfchen mit den Viren in die Luft, die andere dann einatmen. So gelangt das RSV über die Nasenschleimhaut und die Bindehaut des Auges in den Körper.
Vermutlich wird das Virus auch über die Hände und verunreinigte Oberflächen übertragen (Schmierinfektion). Vermeiden können wir eine Infektion daher am besten durch die Anwendung von Hygienemaßnahmen, die wir auch schon aus der Corona-Pandemie kennen: Hände waschen, in die Ellenbeuge nießen, Abstand halten und Maske tragen.
Ursachen: Wie und wann kommt es zur Ansteckung mit RSV?
RSV tritt am häufigsten zwischen November und April auf; die Infektionswelle kann aber auch schon im September und Oktober losgehen:
… weil Kinder nach dem Sommer in die Gemeinschaft zurückkehren, engere Kontakte haben und sich so schneller anstecken.
… weil sie sich aufgrund der Witterung in der Zeit bis zum Winter vermehrt und immer mehr in Innenräumen aufhalten, wo die Ansteckungsgefahr zunimmt - währen die Lust zum Lüften mit sinkenden Temperaturen abnimmt.
… und neuerdings, weil viele Kinder aufgrund der Corona-Maßnahmen in den vergangenen Jahren Infekte "nachholen".
Was bedeutet der "Nachholeffekt" für Infektionen bei Kindern?
Normalerweise begegnen Kinder jedes Jahr RS-Viren und bauen dabei immer wieder einen gewissen Immunschutz auf - der Kontakt mit den Erregern immunisiert, trainiert also das Immunsystem auf diesen Gegner.
Das war vor allem im ersten Jahr der Pandemie aber nicht der Fall. Mit Nachholeffekt ist nicht gemeint, dass das "Virus vom letzten Jahr" 1:1 nachgeholt wird, aber findet der Kontakt durch einen Infekt statt, wird das Immunsystem sozusagen wieder auf den neuesten Stand gebracht.
Diagnose: Wie erkennt man Ansteckung mit dem RS-Virus?
Bei leichten Infekten wird keine weitere Diagnostik gemacht - die Therapie konzentriert sich auf die Linderung der Beschwerden.
Sind die betroffenen Säuglinge oder Kinder aber Risikopatienten oder besteht der Verdacht, ihr Gesundheitszustand könnte sich verschlechtern und man will den Auslöser kennen, lässt sich eine Virusdiagnostik machen. Dazu wird mittels Rachenabstrich oder Rachenspülwasser eine Probe von den Schleimhäuten genommen. Denn: Gewissheit darüber, welches Virus genau Auslöser der Erkältung ist, bringt nur ein Labortest.
Leichte Infekte mit RSV werden meist gar nicht als solche erkannt.
Welche Symptome löst das RS-Virus bei Kindern aus?
Kinder, die sich zum erstem Mal mit dem RS Virus infizieren, sind meist kränker als jene, die die Infektion schon ein paar Mal durchgemacht haben. In der Regel haben sie die gleichen Beschwerden wie bei anderen Atemwegerkrankungen:
Zuerst treten Anzeichen von Virenbefall der oberen Atemwege auf wie Schnupfen, trockener Husten, eventuell begleitet von Halsschmerzen.
Nach wenigen Tagen greift die Infektion auf die unteren Atemwege über und provoziert einen deutlicheren, produktiveren Husten. Je nach Ausmaß der Krankheit und Virenbelastung können Kinder auch Fieber haben, Schwierigkeiten beim Luftholen bekommen, oder die Geschwindigkeit ihrer Atmung erhöht sich - sie atmen schneller und unregelmäßiger. Die meisten Kinder fühlen sich dann insgesamt recht krank.
Welche Symptome verursacht RSV bei Erwachsenen?
Bei Erwachsenen sind Infektionen mit RSV vermutlich unterdiagnostiziert, weil sie gar keine gesundheitlichen Einschränkungen haben oder ihre Infektion wie eine harmlose Erkältung abläuft.
Eltern oder Großeltern, die ein infiziertes Kleinkind zu Hause haben, kann es auch mal härter mit grippeähnlichen Beschwerden erwischen: Sie klagen etwa darüber, dass sie sich müde und schlapp fühlen, Schnupfen und trockener Husten haben, eventuell Bronchitis, mit oder ohne Fieber.
Welchen Unterschied gibt es zu Corona?
Ob ein Befall der Atemwege durch RSV oder durch andere Viren hervorgerufen wurde - beispielsweise durch das Sars-Corona-Virus 2 - ist nicht einfach festzustellen. Grundsätzlich lösen beide Virentypen Atemwegserkrankungen mit ganz vielfältigen Beschwerden aus.
Wichtigster Unterschied: die sogenannten Altersgipfel - also die Details bei Krankheitsbefall innerhalb einer Altersgruppe von den Menschen, die am stärksten betroffen ist.
Für Corona sieht das so aus: Je jünger Kinder sind, desto seltener erkranken sie symptomatisch an Corona. Bei Erwachsenen ist es genau umgekehrt: Sie erwischt es mit Zunahme des Alters und dem Vorhandensein von Vorerkrankungen häufiger.
Hat einen das RS Virus erwischt, ist es genau umgekehrt: Je jünger die Kinder, desto häufiger trifft es sie symptomatisch und es kann auch schon mal einen heftigeren Verlauf geben. Erwachsene dagegen überstehen eine Infektion mit dem RSV meist ohne oder nur mit leichten Beschwerden.
Gewissheit darüber, ob Sars-CoV-2, also Corona, RSV oder vielleicht auch ganz andere Viren hinter der Erkrankung stecken, bringt nur ein Labortest, für den eine Probe des Virus von den Schleimhäuten genommen werden muss.
Wie gefährlich ist die Ansteckung mit dem RS-Virus?
Gesunde Kinder haben in der Regel keine Probleme, die Infektion mit RSV gut zu überstehen. Zu schweren Verläufen kommt es insbesondere bei älteren Kleinkindern oder älteren Erwachsenen.
Richtig gefährlich kann dieser Infekt der oberen Luftwege für Frühchen sowie vorerkrankte Kinder im ersten Lebensjahr werden. Gefährdet sind vor allem Kinder mit Vorerkrankungen an Herz und Lunge sowie Menschen, deren Immunsystem aus den verschiedensten Gründen nur eingeschränkt arbeitet. Hintergründe können spezifische Erkrankungen selbst sein oder die Medikamente, die man im Zuge einer Therapie gegen andere Erkrankungen einnehmen muss und durch die das Immunsystem insgesamt "heruntergefahren" wird.
Wie lange dauert die RSV-Infektion?
Wie schnell die Infektion mit dem RS Virus abklingt, hängt davon ab, wie gut das Immunsystem des Einzelnen die Viren niederringen kann.
Dem RKI zufolge dauert die Erkrankung etwa 3 -12 Tage. Beschwerden der Atemwege, etwa ein trockener Husten, können auch schon mal vier Wochen und länger anhalten.
Welche Behandlung hilft bei Infektion mit RSV?
Wie bei den meisten Erkältungen gibt es keine spezielle Behandlung gegen RSV. Antibiotika helfen nicht bei Viren. Spezielle Wirkstoffe, die gezielt RSV attackieren, wurden bislang nicht entwickelt.
Die Behandlung erfolgt, wie Fachleute so schön sagen, symptomatisch. Will heißen: Man lindert Beschwerden wie Husten, Fieber und Schnupfnase mit herkömmlichen Medikamenten und Hausmitteln; gegen den Auslöser selbst hat man aber nichts in der Hand.
Prophylaxe für Risikogruppen
Menschen, die zu einer Risikogruppe gehören, etwa weil ihre Immunsystem nicht gut arbeitet oder sie eine belastende Lungenerkrankung haben, können sich aber mit einem speziellen Medikament vorbeugend gegen RSV behandeln lassen:
Palivizumab ist ein Antikörperpräparat, das Infektionen bei Säuglingen und Kindern verhindert, die dahingehend gefährdet sind, einen schweren Verlauf zu erleiden. Die Antikörper in Palivizumab bieten eine einmonatige Immunität, so dass fünf Injektionen für eine RSV-Saison erforderlich sind.
Mit Nirsevimab ist derzeit ein weiterer Antikörper zum Schutz vor RSV in der Entwicklung. Er soll als Einzeldosis auf den Markt kommen. In Studien konnte er im Vergleich zu einem Scheinpräparat (Placebo) die Anzahl der RSV-Infektionen um 70 Prozent senken.
Eine Impfung gegen RSV gibt es bislang nicht.
Gibt’s Spätfolgen durch Infektion mit dem RS-Virus?
In der Regel schafft es der Körper von alleine, der Infektion mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus Herr zu werden. Die Krankheitssymptome klingen bei Gesunden nach etwa einer Woche wieder ab; das Lungengewebe, das die Viren angreifen, regeneriert sich innerhalb von vier bis acht Wochen (in dieser Zeit gilt: Vorsicht vor zu großer Anstrengung beim Sport).
Der vermeintlich harmlose Husten kann aber auch Folgen haben: Eine Infektion mit RSV kann bei schweren Infektionen das Lungengewebe derart verändern, dass Betroffene später häufiger unter Asthma oder überempfindlichen Bronchien leiden. Das betrifft aber nur eine kleine Gruppe mit schwerem Verlauf.
Wie lange ist man ansteckend bei RSV-Infektion?
Wer sich das Respiratorische Synzytial-Virus eingefangen hat, ist laut Robert-Koch-Institut drei bis acht Tage infektiös.
Frühgeborene, Neugeborene und Menschen, deren Immunsystem nicht intakt oder durch Medikamente beeinträchtigt ist, können das Virus über mehrere Wochen, im Einzelfall über Monate ausscheiden.
Beitrag von Constanze Löffler